Die Zeit vor Weihnachten sprengt jeden Rahmen: Die Innenstädte sind voll, viele Menschen gestresst. Und weil all die Geschenke und Online-Einkäufe noch rechtzeitig ankommen sollen, erleben auch die Paketzusteller heiße Zeiten.
- Video: Im Zeitraffer mit Paketzusteller Tobias Ackermann durch die Hausflure
Allein in Würzburg schnellt vor Weihnachten die Zahl der zugestellten Pakete im Vergleich zum Rest des Jahres um das Doppelte nach oben – oder mehr. Bei der Post-Tochter DHL in Würzburg ist das gestiegene Volumen in der großen, gelben Halle direkt an der Veitshöchheimer Straße daran zu erkennen, dass sich vor Weihnachten dort täglich bis zu 80 Mitarbeiter tummeln. Sonst sind es 50 bis 60.
Mehr als doppelt so viele Pakete sind zuzustellen
Das Mehr an Personal wird nach DHL-Angaben mit Zeitverträgen – meist für Studenten – abgedeckt. Jeden Tag kommen dort ab 1.30 Uhr aus Kitzingen jene Pakete an, die in der Stadt verteilt werden müssen – 14 000 zurzeit, 6000 im Rest des Jahres. Die gut 100 Meter lange DHL-Halle nennt sich „Mechanisierte Zustellbasis“ und ist so etwas wie der verlängerte Arm des Paketzentrums in Kitzingen, von wo aus Sendungen im Postleitenzahlenbereich 96 und 97 ausgeliefert werden.
Einer der Zusteller im Würzburger DHL-Zentrum ist Tobias Ackermann. Wir haben ihn begleitet.
Stationen einer Tour: 7.30 Uhr
Arbeitsbeginn für Tobias Ackermann. Seit 5 Uhr ist er auf den Beinen. Der 26 Jahre alte Zusteller aus Giebelstadt (Lkr. Würzburg) hat eigentlich Schlosser gelernt, ist dann 2014 aber bei DHL eingestiegen. Bis gegen 9 Uhr lädt er im Durchschnitt gut 200 Pakete von den Rampen in der Halle in seinen Lieferwagen.

Als eine Sirene ertönt, weiß er: Alle Pakete sind verteilt, er kann losfahren. Die Sendungen hat er in seinem Wagen in Gepäcknetzen straßenweise sortiert. Jeder Fahrer hat da ein eigenes System. Bloß nichts durcheinander bringen: Denn dann bleiben am Ende Pakete liegen. Sie dann zuzustellen, kostet wertvolle Extrazeit.
9.15 Uhr
Der Bezirk von Ackermann liegt heute in der Würzburger Innenstadt. Herausforderung: die engen Gassen. Er weiß schon jetzt: Er wird nicht zu jeder Adresse hinfahren können, das wäre zu umständlich. Vielmehr wird er den sieben Meter langen 3,5-Tonner an bestimmten Stellen stehen lassen müssen, um dann von dort aus sternförmig die Häuser zu Fuß anzusteuern. Erste Station: Büttnerstraße.
Geht gleich gut los: Der erste Adressat ist nicht da. Ihn ausfindig zu machen, war schon schwierig: Viele Klingelschilder an den Mehrfamilienhäusern sind schlecht oder gar nicht lesbar. Dieses Problem wird Ackermann an diesem Tag immer wieder haben. Auch das kostet Zeit. Wenn beim ersten Mal niemand reagiert, klingelt Ackermann ein zweites Mal beim Adressaten, dann bei allen anderen Bewohnern im Haus. Irgendjemand wird ihm schon aufmachen. Hauptsache, er ist drin. Denn dann kann er die Sendung einem Nachbarn übergeben und dem Adressaten einen standardisierten Hinweiszettel in den Briefkasten werfen.

So klappt das immer wieder auch in der Büttnerstraße. Ackermann hat dabei Glück: Dort sind auffallend viele Wohngemeinschaften, die Studenten sind offenbar gerade wach geworden. So blickt er in einige verschlafene Gesichter, doch er bekommt eine Reihe von Paketen los, auch wenn es mühsam ist. Ackermann macht nicht den Eindruck, dass ihn so schnell was aus der Fassung bringt. Er mag seinen Job: „Weil ich auf der Tour mein eigener Herr bin.“
9.45 Uhr
Rittergasse. Ackermann hat eine Sendung zuzustellen, findet aber die entsprechende Hausnummer nicht. Ackermann sucht und sucht – vergeblich. Weil er das Paket nicht zustellen kann, muss er wieder in seinen Lieferwagen legen und später in der Zentrale zur Überprüfung der Adresse abgeben. Sein gelber 3,5-Tonner steht immer noch in der Büttnerstraße, bisher hat Ackermann alles zu Fuß erledigt, oft im Dauerlauf. Und: Immer wieder muss er in den dritten, vierten Stock. Mit bis zu vier Paketen unter den Armen. Meistens nimmt er zwei Treppenstufen auf einmal.

Nein, Sport treiben müsse er eigentlich nicht mehr, sagt der hagere Mann. Dass es draußen mit zwei Grad minus unangenehm feucht-kalt ist, stört ihn nicht: Er hat unter der dicken Jacke zwei Pullis an, die Hose hat eine Art Innenfutter. Auch wenn er mal schnell auf die Toilette muss, ist das kein Problem: Er gehe dafür in eines der Geschäfte entlang der Tour. Und wenn das nicht klappt, hat er im Lieferwagen eine Flasche. „Die leere ich dann später aus.“
10.30 Uhr
Mit seinem Lieferwagen ist Ackermann gerade mal 300 Meter weitergekommen. Mehr macht keinen Sinn, denn es ist für den Zusteller in der Tat sinnvoller, in den engen Gassen das Meiste zu Fuß zu erledigen. Rund 50 Sendungen hat er bis jetzt zugestellt – oder versucht, zuzustellen. Mittlerweile nimmt er eine Sackkarre zu Hilfe, auf die er bis zu ein Dutzend Pakete mit zum Teil 20 Kilo Gewicht wuchtet.

Spätestens in der Unteren Bockgasse wird der Nachteil der Sackkarre deutlich: Ackermann darf die beladene Karre nicht im Freien stehen lassen, es könnte ja was gestohlen werden. Also muss er die Karre jedes Mal in den Hauseingang ziehen, oft über Stufen hinweg. In den Fluren ist es eng. Nie weiß Ackermann, wer ihm die Tür öffnet. Er habe schon mal vor einem halb nackten Mann gestanden oder – in einem anderen Bezirk – vor einer splitternackten Prostituierten. Solche Begegnungen bleiben Ackermann heute erspart.
10.50 Uhr
Herausforderung Augustinerstraße. Ackermann braucht gut fünf Minuten, um einen Platz zu finden, wo er seinen Lieferwagen abstellen kann. Ständig sind die Straßenbahngleise oder abgestellte Fahrräder im Weg. Wertvolle Zeit verrinnt.
Bis 15 Uhr
Treppen rauf und runter, enge Flure, enge Gassen, schlecht lesbare Klingelschilder, niemand zu Hause: Das zieht sich für Ackermann den ganzen Tag durch. Da er nicht nur Pakete ausliefert, sondern auch annehmen darf, gibt ihm in der Innenstadt ein Geschäftsmann gleich 30 Pakete zum Verschicken mit. Kurz nach 15 Uhr ist Ackermann mit seiner Tour fertig. Jetzt macht er erst mal eine halbe Stunde Pause, holt sich beim Bäcker was zu essen. Dann muss er noch ins Zentrum an der Veitshöchheimer Straße zurückfahren, um dort die nicht zustellbaren Pakete abzuliefern. Ein ganz normaler Tag.
Fakten zur Tour Bei der beschriebenen Tour hat Zusteller Tobias Ackermann Sportliches geleistet. Details eines für ihn ganz normalen Arbeitstages: Strecke zu Fuß: 10 Kilometer Höhenmeter (Treppenhäuser etc.): ca. 150 Zugestellte Pakete: 170 Gesamtgewicht (geschätzt): 700 Kilo