„Es reicht jetzt!“. Franz Olbrich kann seinen Frust über den hohen Verwaltungsaufwand seit der Einführung des Bayerischen Kinderbildungs- und Betreuungsgesetzes vor zehn Jahren nicht mehr schlucken. Seinem Ärger hat Olbrich in einem Schreiben an den Landtagsabgeordneten Manfred Länder (CSU) jetzt Luft gemacht und um ein Vor-Ort-Gespräch gebeten. Olbrich ist Vorsitzender des Trägervereins des Kindergartens St. Sebastian in Oberpleichfeld.
Mit seinem Vorstoß für eine Nachbesserung des Gesetzes rannte Olbrich bei dem Landtagsabgeordneten offene Türen ein. „Es ist wichtig, im Sozialministerium weiter mit Nachdruck zu fördern, dass die so genannte Jahresmittelwertberechnung kommt“, will er sich einsetzen dafür, dass sich der Personalschlüssel nicht mehr monatlich an der Anzahl und den Buchungszeiten der Kinder orientieren muss. Bei seinem Ortstermin versicherte Ländner, dass er bereits mit mehreren Kindergartenleitungen Gespräche geführt hat. „Unterschiedliche Monatsarbeitszeiten verschlechtern die Attraktivität des Berufs der Erzieher“, ist sich Ländner sicher. Deren Arbeitsverträge müssten in der Stundenzahl häufig angepasst werden. Dadurch ist der Lohn unterschiedlich und wenig planbar.
Eine sozial schwierige Situation. Die Einführung eines „Jahresmittelwertes“ würde bedeuten, dass der Personalschlüssel nicht mehr monatlich, sondern im Jahresmittel angepasst wird.
Personaldecke eng gestrickt
Für kleine Kindergärten wie in Oberpleichfeld mit seinen derzeit 43 Kindern in einer Krippengruppe und zwei Regelgruppen wäre das eine große Erleichterung. Die Personaldecke ist eng gestrickt und wenn eine Kraft wegen Krankheit ausfällt, kann das nur schwer ausgeglichen werden. Stetig steht das Damoklesschwert über dem Kindergarten, dass die staatlichen Zuschüsse gestrichen werden, wenn das eingeführte Ampelsystem „auf Rot umspringt“.
„Rot, das bedeutet, dass das Kindeswohl gefährdet ist, weil nicht genug Personal da ist“, erklärt Kindergartenleiterin Katja Baumeister. Im Oberpleichfelder Kindergarten gibt es zurzeit sieben Angestellte, von denen eine in Vollzeit arbeitet. Vor kurzem hat es mehrere Krankheitszeiten gegeben, teilweise über einige Wochen. Das hat den Kindergarten gebeutelt. Ohne Ehrenamtliche wie „Opa Franz“ hätte es düster ausgesehen.
„Seitdem ich im März in Pension gegangen bin, kann ich als Vorstand des Trägervereins öfter mal in den Kindergarten gehen“, erläutert Olbrich. „Da bekommt man hautnah mit, wenn die Leute langsam aber sicher auf dem Zahnfleisch gehen“, macht er seinen Sorgen Luft. Wenn es personelle Engpässe aufgrund von Krankheiten und Urlaub gibt, häufen sich bei den Kolleginnen die Überstunden. Die müssten wieder „abgefeiert“ werden und damit würde „die Katze im Kreis laufen und sich in den eigenen Schwanz beißen“.
Nicht nur der Vorsitzende, auch andere Vorstandsmitglieder würden deshalb manchmal einspringen. Aber das könne doch nicht auf Dauer die Lösung sein. Im System gebe es beispielsweise keine Verfügungszeiten, mit denen Überzeiten abgefangen werden können. „Was die Politik beschlossen hat, funktioniert einfach nicht, es passt nicht zu unserer Struktur“, sind sich Baumeister und Olbrich einig.
Auch die Kindergartenleitung sei mehr und mehr gefordert. „Die Anforderungen steigen und zwar immer mit dem Hinweis auf die Sicherheit und das Wohl der Kinder“, schüttelt Leiterin Baumeister den Kopf. Die Zeiten für das Erstellen von Entwicklungsbögen, die Einführung von Praktikanten, für Elterngespräche zwischen Tür und Angel oder alle möglichen Gutachter, die sich um die Innenausstattung, die Sicherheit der Spielgeräte im Außenbereich, Brandschutzauflagen, Hygienevorschriften oder die elektrischen Anschlüsse kümmern, all das seien zusätzliche Zeitfresser.
Lokale Unterschiede
„Es ist ein weites Feld und liegt nicht immer am Gesetz“, gibt Abgeordneter Länder zu bedenken. Es liege etwa an der Größe oder Rechtsstellung der Kindergärten, an der freien Elternwahl oder an besonderen regionalen Gegebenheiten. „Manche Probleme hier bei uns gibt es in oberbayerischen Kindergärten gar nicht“, erklärt er. Deshalb sei die Diskussion in München „bisweilen schwierig“.
Im Oberpleichfelder Kindergarten wird jedenfalls heftig diskutiert. Bei Elternabenden wurde das Problem besprochen und Olbrich steht auch in gutem Kontakt mit der Caritas in Würzburg. Fachbereichsleiter Michael Deckert vom Caritasverband in der Diözese Würzburg spricht ihm Mut zu. Der Vorsitzende des Trägervereins war gekränkt darüber, dass ihn Eltern belächelt hätten über seinen Vorstoß, aus dem kleinen Oberpleichfelder Kindergarten eine Gesetzesänderung in Bayern anzugehen.
„Lassen Sie sich nicht belächeln, Sie sind mit ihrem Vorstoß nicht allein“, weist Deckert darauf hin, dass die Idee des Jahresmittelwertes „in Würzburg geboren worden ist“ und zunehmend mehr Anhänger findet. Die Eltern sollten den Verein St. Sebastian besser unterstützen, statt zu belächeln. Darum geht es Franz Olbrich. Die Idee des Jahresmittelwertes soll konstruktiv und ernsthaft zur Kenntnis genommen werden.