Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Stadt Würzburg
Icon Pfeil nach unten

WÜRZBURG: "In jedem Klassenzimmer ein traumatisiertes Kind"

WÜRZBURG

"In jedem Klassenzimmer ein traumatisiertes Kind"

    • |
    • |
    Trösten: Susann Lojewski (links) und Bettina Wohlleber mit Bildern von traumatisierten Kindern.
    Trösten: Susann Lojewski (links) und Bettina Wohlleber mit Bildern von traumatisierten Kindern. Foto: Foto: Pat Christ

    Schreie. Schläge. Zerdeppertes Geschirr. Bittere Tränen. Das bekam Tobias von Beginn seines Lebens an mit. „Sein Vater schlug seine Mutter“, berichtet Bettina Wohlleber. Die Grundschullehrerin kümmert sich um den Jungen – doch nicht nur um ihn. Als Initiatorin des Projekts „Perlmut(t)“ ist sie zusammen mit ihrer Kollegin Susann Lojewski Ansprechpartner für traumatisierte Kinder und Jugendliche.

    Drei Jahre ist das beim unterfränkischen Regionalverband der Johanniter angesiedelte Projekt alt. In dieser Zeit erfuhren die beiden Traumapädagoginnen wie wenig Wissen es bei Lehrkräften oder Erzieherinnen über den Umgang mit Traumata bei Kindern und Jugendlichen gibt. 25 Fortbildungen organisierten die beiden Frauen deshalb allein im ersten Halbjahr 2015.

    „In jedem Klassenzimmer sitzt mindestens ein traumatisiertes Kind“, erklärt Wohlleber. Tobias ist also keine Ausnahme. Wobei das, was der Achtjährige erlebt hat, besonders schlimm war. Aus heiterem Himmel flippte der Vater aus. Dieses Gefühl, dass es nie und nirgends Sicherheit gibt, ist in den Jungen eingegraben. Zwar hat die Mutter den Vater inzwischen verlassen. Doch die Frage bleibt: Steht er vielleicht doch eines Tages wieder vor der Türe?

    Kinder können aus vielen Gründen traumatisiert sein. „Das kann durch eine Frühgeburt, einen langen Krankenhausaufenthalt, durch sexuellen Missbrauch oder Gewalt in der Familie passieren“, sagt Wohlleber. Daneben sei es aber auch möglich, dass behütet aufgewachsene Jugendliche durch ein Erlebnis plötzlich erschüttert werden.

    So ging es Stefan, um den sich Lojewski kürzlich gekümmert hat. Der 17-Jährige traf sich mit zehn Freunden im Park. Plötzlich kam eine Gruppe von etwa 25 Jugendlichen dazu, die auf Streit aus waren. Sie provozierten, es kam zur Schlägerei. Stefan wurde am Kopf und in der Nierengegend getroffen. Er musste in eine Klinik. Mehr als seine Verletzungen quälte ihn die Schuld: „Ich habe meinem Freund nicht geholfen“, bricht es aus ihm heraus, als Lojewski ihn besuchte. Die Pädagogin erklärte ihm, dass er sich in einem Schockzustand befunden hatte. „Vielleicht wäre noch Schlimmeres passiert, hättest du zugeschlagen!“

    Tobias wurde durch Wohllebers Begleitung ruhiger. Und Stefan sah ein, dass es keinen Grund gibt, sich mit Schuldvorwürfen zu quälen.

    Laut des „Perlmut(t)“-Teams ist es wichtig, Kinder und Jugendliche, die hilflos einer für sie existenziell bedrohlichen Situation ausgeliefert sind oder waren, gut zu begleiten. Sonst drohe die Gefahr von Suchtkrankheiten, Zwängen oder psychosomatischen Erkrankungen. Wird das Trauma aufgearbeitet, kann es zu einem Gefühl von Bereicherung kommen.

    Daher rührt auch der Name „Perlmut(t)“: Schafft es doch eine Muschel, Verletzungen durch ein Sandkorn in eine glänzende Perle zu verwandeln.

    Infos: E-Mail an perlmut-t@outlook.de. Für Kinder und Eltern ist das Beratungsangebot kostenfrei.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden