Eigentlich hat Bernhard Schmitt aus Randersacker nichts gegen Ziegen. Nur die Tiere im Naturschutzgebiet Marsberg – Wachtelberg stören ihn gewaltig. Daraus macht der Naturschutzbeauftragte der Gemeinde keinen Hehl. „Bauernland in Bauernhand“ fordert er. Und: „Wir wollen wieder so jagen können wie vor zehn Jahren, als es die Ziegen noch nicht gab.“
Naturschutz sei ihm wichtig, aber nicht mit allen Mitteln. Nicht zu jedem Preis. Keine konservierende Naturschutzkäseglocke. Kein Disneyland-Naturschutz, sondern sinnvolle, maschinelle Pflege durch heimische Landwirte. Zielgenau, konfliktfrei, zuverlässig.
Im Mai 2005 hatte der Landschaftspflegeverband (LPV) im Auftrag der Regierung von Unterfranken 190 Ziegen an den Marsberg geschickt. Ziel: Die Tiere sollten die zunehmende Verbuschung des Naturschutzgebietes aufhalten, um wertvolle Trockenrasenflächen zurückzugewinnen.
Das Pilotprojekt wurde auf fünf Jahre ausgelegt. Schon vor 2004 hatten erste Beweidungsversuche stattgefunden. Heuer wurden die Ziegen auch in den Steilhängen zwischen Kleinochsenfurt und Sommerhausen eingesetzt.
Mit den Ziegen kamen aber auch nach Schmitts Aussagen die Probleme, vor allem für Jäger und Winzer. Rückenstärkung bekommt er deshalb vom Weinbauverein und von der Jagdgenossenschaft. Alle sind der Meinung, dass die Ziegen in der etwa 20 Hektar großen Koppel die Rehe in die angrenzenden Weinberge vertreiben. Und dort richten sie angeblich enormen Schaden an, denn die frischen, jungen Triebe der Frankenreben munden dem Wild offensichtlich gut.
„Wir wollen wieder so jagen können wie vor zehn Jahren, als es die Ziegen noch nicht gab.“
Bernhard Schmitt Naturschutzbeauftragter
„Als unendliche Geschichte, die hoffentlich bald endet“, bezeichnet Bernhard König, Vorsitzender des Weinbauvereins die Ziegenbeweidung am Marsberg. Kaum wurde damit begonnen, klagten die ersten Winzer über vermehrten Wildverbiss.
Die Jäger sollten mehr jagen, und die Winzer mehr Wild essen, hieß es von Seiten der Regierung. Doch manch einem blieb der Bissen im Halse stecken, wenn er an seinen kahlgefressenen Weinberg dachte, so König. Inzwischen mussten zwei Weinberge deshalb komplett aufgegeben werden.
Deutliche Worte findet auch Paul Schmitt, Vorsitzender der Jagdgenossenschaft Randersacker, die schon vor Beginn der Beweidung ihre Bedenken geäußert hatte: „Der Wildverbiss hat zugenommen, weil dem Wild die Einstandsflächen fehlen. Den Jägern wurde wichtige Jagdfläche genommen.“
Sogar den Jagdschilling mancher Bogen habe man schon senken müssen, das Geld fehle jetzt der Gemeinde für den Wegebau. Alle Probleme seien bei regelmäßigen Besprechungen geäußert worden, jedoch von den Mitgliedern des Landschaftspflegeverbandes „nicht ernst genommen oder verniedlicht“ worden. Die Schuldigen wurden überall gesucht, nur nicht bei den Organisatoren, sagt Paul Schmitt.
Das bestätigt auch der Naturschutzbeauftragte Bernhard Schmitt. Er wirft der Regierung und dem LPV sogar „Ignoranz, Arroganz, Zynismus, Skrupellosigkeit und Unfähigkeit zur Durchführung“ bezüglich der Beweidung vor.
Überrascht waren Jäger und Winzer, als sie hörten, dass die Beweidung auch nach Auslaufen des Projektes weitergeführt wird. Man sei nicht gegen eine Pflege der Flächen, nur andere Mittel müssten es sein. Das Mittel der Wahl: maschinelle Pflege. Die stellt nur eine kurze Beunruhigung für das Wild dar, dann kann es sich wieder zurückziehen, so Bernhard Schmitt.
Verschiedene Weingüter hatten schon 2006 die Regierung aufgefordert, die zu Beginn der Beweidung zugesagten Bedingungen einzuhalten. „Dass die Bewirtschaftung ganzer Weinberge wegen der Auswirkungen aufgegeben wird, ist nicht hinnehmbar. Selbst die noch bewirtschafteten Weinbergsflächen weisen Schäden von mehreren tausend Euro auf“, heißt es in einem Schreiben.
Ziegen sind nicht unbedingt seine Leidenschaft, aber die Beweidung im Naturschutzgebiet Randersacker ist sein Kind. Mit großem Engagement hat sich der Biologe und LPV-Geschäftsführer Hubert Marquart von Anfang an dafür eingesetzt. Weil die Maßnahme nachhaltig ist und effektiv, ist er überzeugt.
Alle geäußerten Vorwürfe weist er vehement zurück. Der Verbiss von Rehen in den Weinbergen und Vorgärten sei seit mindestens 20 Jahren ein gewichtiges Problem. Zudem sei von Dr. Klaus Büttner eine wildbiologische Begleituntersuchung durchgeführt worden. Dabei wurde festgestellt, dass die Ziegen die Aktivitäten des Rehwildes weitgehend unbeeinflusst lassen. Die hohe Anzahl attraktiver Knospen in den Weinbergen würden die Rehe sicher auch ohne Ziegen nutzen, ist sich Büttner sicher.
Nun geht der Ziegenkrieg in Randersacker in eine neue Dimension. Ziegenhalterin Birgit Prokot saß von Anfang an zwischen allen Stühlen und bemühte sich immer um ein gutes Miteinander. Viele kleine „Sabotageakte“, wie zum Beispiel Durchschneiden der Weidezäune, hat sie dabei schon hinnehmen müssen und auch bei der Polizei angezeigt. Ein Schuldiger wurde nie gefunden.
In diesem Sommer hat ein Unbekannter eine ein Hektar große Fläche gemulcht und damit das Futter für ihre 160 Tiere am Marsberg zerstört. „So etwas geht entschieden zu weit. Das Gebiet hätte für meine Ziegen etwa zwei Wochen gereicht“, sagt sie empört. Anzeige hat sie erstattet, doch die Staatsanwaltschaft stellte auch dieses Verfahren ein.
Seit Anfang Mai ist sie zur Beweidung auf dem Marsberg, auf einer Fläche, die sie über das Landratsamt gepachtet hat. Die Flächen der Gemeinde Randersacker durften ihre Tiere erst ab Anfang Juni abgrasen, hatte der Gemeinderat im vergangenen Jahr beschlossen.
Bis Ende Oktober sind die Ziegen in Randersacker noch für den Naturschutz tätig, dann geht's wieder ins heimische Winter-Quartier nach Obervolkach. Doch im nächsten Frühling sind sie wieder auf dem Marsberg am grasen – mit hoffentlich weniger Störungen als bisher.