Auch wenn Würzburg noch keine Städtepartnerstadt mit Italien vorzuweisen hat – reichhaltige Verbindungen in den Süden bestehen dennoch, historisch wie aktuell. Man denke an Giovanni Battista Tiepolo und seine Deckenfresken in der Residenz. An den bekannten Würzburger Baumeister Antonio Petrini. Groß war ihr Einfluss auf die Architektur und Kunst der frühen Neuzeit. Und auch in den vergangenen Jahrzehnten hat sich italienische Lebensart hierzulande nicht nur bei Pasta und Pizza niedergeschlagen.
Rund 650 Italiener leben in Würzburg. Ihre Zahl ist zuletzt konstant geblieben. Die stärkste Zuwanderung gab es in den 50er und 60er Jahren, als Wirtschaftswunder-Deutschland die Arbeitskräfte brauchte. In diesem Jahr feiern Würzburgs Italiener – wie überall zwischen Verona und Palermo – den 150. Geburtstag Italiens als Nationalstaat. 1861 wurde in Turin unter König Vittorio Emanuele die Monarchie ausgerufen.
Aktive Theatergruppe
Einige Veranstaltungen dazu sind bereits gelaufen, weitere sollen folgen. Ein Kristallisationspunkt für italienisches Selbstverständnis ist die Theatergruppe „teatro in cerca“ und der ihr angeschlossene circolo culturale italo-tedesco (italienisch-deutscher Kulturkreis). Rund 30 Leute gehören ihm derzeit an – Italiener genauso wie deutsche Italien-Freunde oder solche aus anderen Ländern.
Zwei von ihnen sind Angela Radatti und Giorgia Rettaroli. Die beiden Frauen unterrichten Italienisch – an der Uni, Fachhochschule, Volkshochschule. Und: Sie werben dafür, dass wieder mehr Italienisch gesprochen wird. Die Globalisierung hat die Sprache in ihrer Bedeutung ein wenig abgehängt gegenüber Spanisch als Weltsprache. Antonino Pecoraro, aktives Mitglied in der Theatergruppe und italienischer Stadtrat in Würzburg, findet das schade und unverständlich. Viele Firmen aus Mainfranken würden nämlich mit Partnern in Italien zusammenarbeiten. Da seien Sprachkenntnisse wichtig. Pecoraro: „Italienisch sollte erste Wahl sein, noch vor Spanisch.“
Dass bis zu 250 italienische Firmen in Bayern bestehen und rund 400 bayerische Firmen in Italien vertreten sind – dies wisse kaum jemand. Den Bedarf bestätigt teatro-Chef Michael Engelhardt, der eine private Sprachschule betreibt: Etliche Firmen in der Region suchten Italienisch-Unterricht für ihre Mitarbeiter. In der Solartechnik etwa. „In der Arbeitswelt findet der Austausch statt. Wir wünschen uns, dass die Schulen nachziehen.“
An fünf Würzburger Gymnasien können Schüler derzeit die Sprache Manzonis und Leopardis lernen. Aber dem Kulturkreis geht es um mehr als Buchstaben und Laute. Sie wollen Klischees abbauen. „Viele Facetten Italiens sind nicht bekannt. Über die Medien verfestigt sich das schlechte Image. Italien in seiner Verschiedenheit wird selten dargestellt“, beklagt Angela Radatti. Was sie und ihre Mitstreiter wirklich ärgert: „Dass Italien auf Berlusconi reduziert wird.“ Sie schämen sich für ihren Regierungschef und die – wie sie es nennen – „demokratische Aushöhlung“ des Landes. Aber so gehe es vielen in Italien.
Etwas optimistischer stimmt sie nun der Ausgang des Referendums vom vergangenen Wochenende. Wie berichtet haben die Italiener dabei vor allem der Atompolitik der Regierung Berlusconi die rote Karte gezeigt. Es bleibe abzuwarten, wie der Denkzettel wirkt, sagt Pecoraro. Er räumt aber ein, dass der Ministerpräsident auch in Würzburg Anhänger hat. Die Spaltung Italiens sei auch hier spürbar. Unter den 650 Italienern in der region gibt es Berlusconi-Befürworter genauso wie verzweifelte Gegner.
Steritthema Berlusconi
Außer dem italienisch-deutschen Kulturkreis bestehen weitere italienische Vereinigungen am Main, wie die Dante-Alighieri-Gesellschaft oder die associazione culturale italiana (Italienische Kulturvereinigung). Man sei – trotz manch unterschiedlicher Auffassung – offen für Zusammenarbeit, heißt es aus dem eher dem linken Lager zuzurechnenden Kulturkreis.
Das teatro in cerca bereitet für den Winter ein neues Stück in italienischer Sprache vor. Davor soll im Oktober gemeinsam mit dem Central-Programmkino eine Reihe von italienischen Filmen bekannter Regisseure zum 150-jährigen Bestehen des Landes gezeigt werden. Erneut geplant ist auch eine italienische Filmwoche. Ebenfalls im Oktober sollen zwei Italienisch-Dozentinnen aus Nürnberg in Würzburg ein Buch vorstellen, das sich mit interkultureller Verständigung und Vorurteilen beschäftigt. Auf dass man Italien und seine Menschen in Würzburg noch besser versteht. Auch ohne eine formale Städtepartnerschaft.
ONLINE-TIPP
Informationen über das teatro in cerca und den Kulturkreis im Internet: www.teatro-in-cerca.com