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WÜRZBURG: Junge Mutter aus Somalia: Ich will meine Kinder wiedersehen!

WÜRZBURG

Junge Mutter aus Somalia: Ich will meine Kinder wiedersehen!

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    Die geflüchtete Somalierin Abdirahman mit ihrem jüngsten Sohn Amir hofft, dass sie mit Hilfe ihrer Unterstützer Luisa Schraudt und ihrem Dolmetscher ihre beiden Kinder nach Deutschland holen kann.
    Die geflüchtete Somalierin Abdirahman mit ihrem jüngsten Sohn Amir hofft, dass sie mit Hilfe ihrer Unterstützer Luisa Schraudt und ihrem Dolmetscher ihre beiden Kinder nach Deutschland holen kann. Foto: Foto: Thomas Obermeier

    Die zwei Kinder der jungen Mutter können sich womöglich kaum an sie erinnern. Als Frau Abdirahman 2013 aus Somalia floh, waren die beiden gerade zwei und drei Jahre alt. Seit drei Jahren haben sie ihre Mutter nicht gesehen, zeitweise hatten sie über Monate gar keinen Kontakt. Die junge Frau erzählt mit bangem Blick: „Am Telefon sagen sie immer: ,Wir sehen alle Nachbarn auf der Straße, dich sehen wir dort nie‘ und sie fragen: ,Wann sehen wir dich endlich, wann sehen wir dich endlich?‘“ Es gibt nichts, was Abdirahman mehr schmerzt, nichts was sie sich mehr wünscht.

    Die 23-jährige Somalierin sitzt auf einem Stuhl in einem Raum der Caritas, eigentlich lebt sie im Frauenhaus der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft. Auf ihrem Schoß der kleine Amir, sechs Monate alt, sehr aufgeweckt. Ihr drittes Kind, in Sicherheit geboren. Man merkt, dass Abdirahman die Sicherheit genießt, ihren vollen Namen will sie dennoch aus Sicherheitsgründen nicht nennen. Man merkt, dass sie eine starke, kluge Frau ist. Sie versteht das Meiste, antwortet teilweise auf Deutsch. Aber man merkt auch, dass sie in ihrem jungen Leben viel Unmenschliches erleben musste und dass sie erst richtig in Deutschland ankommen kann, wenn ihre Familie bei ihr ist.

    In Somalia herrschen Krieg, Hunger und bittere Armut

    Somalia galt lange als Prototyp eines sogenannten Failed State – eines gescheiterten Staates. Das Land versank in den 90er-Jahren im Bürgerkrieg und steckt mittlerweile im Machtvakuum fest. Einen kurzen Hoffnungsschimmer gab es 2012, als nach über 20 Jahren Bürgerkrieg eine international anerkannte Regierung eingesetzt wurde. Doch die Hoffnung verflog schnell: Das Land am Horn von Afrika kommt nicht zur Ruhe.

    Noch immer ist das Leben in Somalia geprägt von systematischer Gewalt, Hungersnöten und vor allem Armut, bitterer Armut. Auch die Familie, aus der Abdirahman stammt, ist arm. So rutscht das noch jugendliche Mädchen in ihr Unglück, nachdem ihr Cousin einen Mann erschießt. Die Familie des Erschossenen fordert daraufhin Geld – und ein Mädchen. So wird Abdirahman als 17-Jährige zwangsverheiratet, an einen deutlich älteren Mann. Zwischen 40 und 50 sei er gewesen, sagt sie. Genau weiß sie das nicht.

    Sie bekommt zwei Kinder von ihm, will sich ihrem Schicksal aber nicht ergeben. Sie reißt aus, zurück zur eigenen Familie. Der Mann holt sie zurück. Ein weiteres Mal flieht sie – dieses Mal aber raus aus Somalia, nach Äthiopien. Dort lebt sie acht Monate bei einer anderen Frau. Ihre Kinder wohnen währenddessen erst bei Abdirahmans Mutter. Diese stirbt kurz darauf. Die Kinder kommen bei einer anderen Familie unter, bis Abdirahmans einziger Bruder heiratet und die Kinder zu sich nimmt.

    Drei Monate war die junge Frau in der Sahara gefangen

    Für Abdirahman beginnt eine Zeit, die sie an ihre Grenzen bringt. Heute sagt sie, sie sei sich klar darüber gewesen, dass die Flucht schwierig werden wird. Was dann kam, konnte sie sich jedoch nicht vorstellen.

    Von Äthiopien aus macht sie sich auf den Weg nach Libyen, im Kopf das Ziel Europa. „Die erste große Hürde war aber die Sahara“, sagt Abdirahman. In Gruppen werden dort Flüchtlinge durch die größte Trockenwüste der Erde geführt – jedoch nur, wenn bereits im Voraus bezahlt wird.

    Die junge Mutter hatte kaum Geld bei sich, konnte nicht für die nächste Etappe zahlen: „Drei Monate habe ich in der Sahara verbracht, habe auf dem Boden geschlafen und bin weder vor noch zurück gekommen“, schildert sie und verstummt dann. In dieser Zeit ist sie der Verzweiflung nahe, weiß nicht, ob sie das überleben wird, denkt unaufhörlich an die Kinder zuhause in Somalia.

    Die Flucht und die Ungewissheit zehren an Abdirahman

    Ihr Dolmetscher, ebenfalls Flüchtling aus Somalia, sitzt Abdirahman im Berufsbildungswerk gegenüber, übersetzt, wo es nötig ist. Er kam mehrere Jahre vor Abdirahman als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling. Auch er musste durch die Sahara, konnte jedoch schneller zahlen. „Damals war es noch nicht so teuer“, sagt er. Aber schon damals hat er erlebt, wie Menschen lange warten mussten und auch geschlagen wurden.

    Etwa 3000 Dollar habe Abdirahman für die gesamte Flucht gezahlt, erzählt sie. Nach den drei Monaten wurde sie dann endlich mit einem Auto nach Libyen gebracht. Dort steigt sie in ein Boot über das Mittelmeer. Sie kommt in Italien an, verbringt dort einen Monat in einem Flüchtlingscamp in Catania, bevor sie sich weiter auf den Weg nach Deutschland macht.

    Am 21. Mai 2014 kommt sie in Deutschland an, kommt zunächst in Zirndorf unter, wo sich die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber befindet. Sie stellt einen Asylantrag und kommt nach einiger Zeit nach Würzburg. Nach mehr als zweieinhalb Jahren und insgesamt zwei Anhörungen bei Entscheidern des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist sie seit dem 17. November 2016 offiziell anerkannt. Somalia ist ein Land mit guter Bleibeperspektive. 2016 wurden laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge über 71,7 Prozent der Asylanträge somalischer Flüchtlinge positiv entschieden. Erst jetzt hat die junge Mutter wieder berechtigte Hoffnung, ihre Kinder bald wieder zu sehen – in Sicherheit. „Ich habe andauernd Angst um sie wegen des Krieges in Somalia“, sagt sie. Hier plant sie, zusammen mit Amirs Vater, ein neues Leben aufzubauen.

    6000 Euro fehlen Abdirahman für die Familienzusammenführung

    Die junge Mutter steht jedoch komplett alleine da und ist bei Formalitäten und Behördengängen auf Hilfe angewiesen. Die öffentlichen Hilfen wie Beratungsstellen oder Ämter sind allerdings vollkommen überlaufen und können nur begrenzt Hilfe bieten. Also wendet sich Frau Abdirahman Ende des Jahres an Luisa Schraudt.

    Schraudt arbeitet bei Caritas Don Bosco und unterstützt eigentlich unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Asylverfahren, bei Arzt- und Behördengängen. Abdirahmans Schicksal geht ihr aber so zu Herzen, dass sie etwas unternehmen will. Unabhängig von ihrem Beruf, in ihrer Freizeit, nimmt sie sich der Frau an, zeigt ihr Möglichkeiten auf, hält Kontakt zu einem Anwalt und übersetzt und erklärt Papiere zur Familienzusammenführung und zur Wohnungssuche.

    Eigentlich steht der Familienzusammenführung kaum noch etwas im Wege. Wenn diese nicht so teuer wäre. Knapp 6000 Euro sind nötig für Bluttests, Visa und Flugtickets. Und im besten Fall können Schraudt und Abdirahman das alles noch bis Mitte Februar in die Wege leiten, denn in den ersten drei Monaten nach der Anerkennung als Asylberechtigte hat die junge Mutter bessere Voraussetzungen für eine schnelle Familienzusammenführung.

    Eine junge Deutsche stellt eine eigene Spendenaktion auf die Beine

    „Ich habe bei Flüchtlingsfacharbeitern der Stadt angerufen, habe gefragt, ob es noch offene Spendentöpfe für Familienzusammenführung gibt“, erzählt Schraudt. Ihr sei aber mitgeteilt worden, dass diese ausgeschöpft seien. Also hat Schraudt die Sache selbst in die Hand genommen und hat eine eigene Spendenaktion ins Leben gerufen. Damit hofft sie, der jungen Mutter helfen zu können.

    Was die Situation zusätzlich erschwert: In Somalia selbst gibt es keine Stelle, die Visa für Deutschland ausstellt. Dafür müssen die beiden Kinder nach Nairobi in Kenia reisen. Diese Reise sei mit Gefahren verbunden, bestätigt auch der Würzburger Anwalt Michael Koch, der Abdirahman unterstützt. „Aber im Normalfall müsste das alles klappen“, sagt er. Auch wenn es meist lange Wartezeiten für Termine bei der Botschaft gebe und sich die Bearbeitung der Anträge oft lange hinziehe.

    „Ich denke nur noch an meine Kinder und ich wünsche mir so sehr, sie endlich wieder zu sehen“, sagt die 23-Jährige und richtet ihren Blick auf ihre beiden Unterstützer, auf Hussein und Luisa Schraudt. In ihrem Blick steckt Hoffnung, in ihrem Blick steckt Zuversicht. Die Möglichkeit, ihre Kinder bald zu sehen, war schon lange nicht mehr so nah.

    Für die Familienzusammenführung von Frau Abdirahman kann auf folgendes Konto gespendet werden. Spender erhalten bei Angabe ihrer Adresse eine Spendenquittung:

    Verwendungszweck: „Familienzusammenführung“

    Kontoinhaber: Caritas-Don Bosco gGmbH

    IBAN: DE78 7509 0300 1003 0019 03

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