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GERBRUNN: Junger Afghane beginnnt am 1. September eine Ausbildung

GERBRUNN

Junger Afghane beginnnt am 1. September eine Ausbildung

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    Ismaiel Shinwarai (rechts) freut sich darauf, am 1. September bei Simon Wagner in Gerbrunn die Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement zu beginnen.
    Ismaiel Shinwarai (rechts) freut sich darauf, am 1. September bei Simon Wagner in Gerbrunn die Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement zu beginnen. Foto: Foto: Traudl Baumeister

    „Entweder man studiert oder man arbeitet und schaut sich das, was man können muss, bei den Erfahreneren ab.“

    Ismaiel Shinwarai Flüchtling aus Afghanistan

    Am 1. September beginnt das neue Ausbildungsjahr – und damit für viele ein neuer Lebensabschnitt. Auch für Ismaiel Shinwarai – er ist der neue Auszubildende bei der Firma Schlüssel-Wagner in Gerbrunn.

    Der junge Afghane ist auf der Flucht vor den Taliban in Würzburg gelandet. Der Sohn eins Melonenbauern hat an einem achtmonatigen Pilotprojekt der Caritas und der Bundesagentur für Arbeit teilgenommen. In der Don-Bosco-Schule in Würzburg lernte er zusammen mit 18 Schicksalsgenossen aus Syrien, Eritrea und Äthiopien seit Februar Deutsch. Dabei absolvierte der junge Mann auch verschiedene Praktika. Das erste in einer Autowerkstatt. „Das hat mir nicht so sehr gefallen“, gesteht Shinwarai. Dort habe er sich nicht besonders wohlgefühlt. „Das war sehr anstrengend und sehr schwer“, sagt er.

    Drei Wochen Test

    Mit seinem zweiten Praktikumsplatz hatte er mehr Glück. Da hat es sozusagen gefunkt. Drei Wochen testete er sich im Büro des Gerbrunner Familienunternehmens „Schlüssel Wagner“ aus. Schon aus seiner Zeit in der Gerbrunner Mehrzweckhalle kannte er Firmenchef Simon Wagner – und der kannte ihn. So kam auch das Praktikum zustande. „Als die von Don Bosco erfahren haben, dass ich ihn kenne, haben sie einfach mal angefragt“, erzählt Wagner. Kurze Zeit nach dem Praktikum sei die Bildungseinrichtung wieder auf ihn zugekommen und habe sich erkundigt, ob er sich vorstellen könne, den jungen Flüchtling auszubilden.

    In der Flüchtlingshilfe aktiv

    Wagner ist seit der vorübergehenden Unterbringung von Asylsuchenden in der Gerbrunner Mehrzweckhalle selbst in der Füchtlingshilfe aktiv. „Wir haben eigentlich immer einen Auszubildenden im Büro“, sagt er. Das ist ab Donnerstag Ismaiel Shinwarai. 35 Angestellte hat der Betrieb, der in diesem Jahr seit 60 Jahren besteht. Gerade das Online-Geschäft steigt derzeit kräftig an. 60 Prozent, verrät Wagner, mache der Internethandel inzwischen aus. Nur noch eine kleine Rolle spiele hingegen die Filiale in der Würzburger Innenstadt.

    Ein weiterer Aktivposten seien – nach dem Anstieg der Zahl der Einbrüche in der Region – Einbau und Wartung von Sicherheitstechnik. Hier arbeiten Elektriker, Schreiner und Schlosser. Ein Markt, der auch wegen der möglichen KfW-Förderung boomt.

    Die Hälfte seiner Angestellten allerdings, so Wagner, arbeite im ständig wachsenden Büro. Deshalb habe er jetzt auch die Räume umgestaltet und mit neuer, umweltfreundlicher Heiztechnik versehen.

    Genau dort, im Büro, wird auch der junge Afghane jetzt lernen und zum Kaufmann für Büromanagement ausgebildet. „Gekannt habe ich den Beruf vorher nicht“, gesteht der 20-Jährige.

    In seiner Heimat, sagt er, gebe es so etwas wie eine Lehre nicht. „Entweder man studiert oder man arbeitet und schaut sich das, was man können muss, bei den Erfahreneren ab“, erzählt der Afghane.

    „Gerade die Arbeit am PC ist für ihn eigentlich sehr gut geeignet“, zeigt sich Wagner zuversichtlich, dass sein neuer Mitarbeiter die dreijährige Ausbildung durchhält. Die Zeit im Pilotprojekt bei Don Bosco hatte Ismaiel genutzt, um schnell recht gute Deutschkenntnisse zu erwerben. Bilder zu bearbeiten oder Online-Datenbanken zu pflegen funktioniere natürlich auch ohne große Sprachkenntnisse. „Für die Artikelbeschreibungen muss er aber Deutsch können“, erklärt Wagner. „Für den Anfang helfen da Übersetzungsprogramme sowie die Rechtschreib-Software.“

    Berufsschule

    Freilich wird auch Ismaiel Shinwarai – wie alle Wagner-Aszubis vor ihm – die Berufsschule besuchen müssen und alle Abteilungen im Betrieb durchlaufen. Er wird mit den Handwerkern auf die Baustelle fahren oder mit an der Ladentheke stehen. „Gerade der Kundenkontakt wird ihm helfen, sich im Deutschen weiter zu verbessern“, sieht Wagner das positiv. Firm in der Sprache zu werden, ist für den beruflichen Erfolg auch nötig. Irgendwann muss sich Ismaiel Shinwarai auch am Telefon problemlos verständigen können – wahrscheinlich derzeit die höchste Hürde für den jungen Mann.

    Der kämpft jetzt noch mit einer anderen großen Aufgabe: Er muss eine Wohnung oder besser ein Zimmer finden, das er von seinem Ausbildungssalär (760 Euro) bezahlen kann. Die Busverbindung von Unterpleichfeld nach Gerbrunn und zurück ist eher schlecht. Im besten Fall träumt er von einem Zimmer in der Nähe seiner Arbeitsstelle.

    Ein weiteres Problem: Noch hat Shinwarai keinen Aufenthaltsstatus und schon gar keine Anerkennung als Flüchtling. Den Auszug aus der dezentralen Unterkunft in Unterpleichfeld muss er also komplett selbst stemmen – mit Unterstützung. Anne Weidner und andere aus dem Gerbrunner Helferkreis kümmern sich in Unterpleichfeld auch weiterhin um „ihre Gerbrunner Flüchtlinge“. Sie helfen bei Ämtergängen oder eben der Wohnungssuche.

    Wegen der fehlenden Papiere musste auch Ausbilder Wagner einige Hürden überspringen, bis die gesamte Bürokratie erledigt und das Ausbildungsverhältnis von der Ausländerbehörde genehmigt war. Doch jetzt steht dem Start am 1. September nichts mehr im Wege.

    Übernahme möglich

    Hält sein Azubi im Sommer 2019 dann tatsächlich den Kaufmannsbrief in Händen, kann er, so Wagner, gerne weiter bei ihm arbeiten. „Bisher haben wir immer alle Auszubildenden übernommen, wenn die das selber auch wollten“, bestätigt er.

    Ismaiel Shinwarai will das. Vorausgesetzt, er hat bis dahin die Erlaubnis, im Land zu bleiben. Und wenn nicht? „Dann“, antwortet Ismaiel Shinwarai tapfer, „kann ich das, was ich hier gelernt habe, auch in Afghanistan nutzen.“ Leiser fügt er an: „Hoffentlich ohne Taliban.“

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