Um zu verstehen, was die Gemüter in der Altstadt so erhitzt, muss man einige Zeit zurückgehen. Im Februar Anfang 2003 eröffnet Andrea Werner in der Spiegelstraße ihren Laden. Vor der Eröffnung sei bei der Bauaufsicht gewesen, um sich die Markisen für den Laden genehmigen zu lassen. "Dort steht groß ,Kaffeerösterei' drauf", so Werner. Das habe der Beamte "gar nicht übersehen können". Daher sei sie auch nicht davon ausgegangen, dass es Probleme gebe.
Doch die kommen bald. Am 11. Juni 2003 schickt die Stadt Andrea Werner einen Bescheid, in dem sie dazu aufgefordert wird, das Kaffeerösten unverzüglich einzustellen. Kurz darauf hebt das Amtsgericht den Bescheid auf, "weil die Stadt gar nicht dazu befugt war", so Andrea Werner. Mehrere Wochen lang durfte sie also grundlos nicht rösten. "Um künftig auf Nummer sicher zu gehen", beantragt sie eine Nutzungserweiterung" für ihr Geschäft. Und das, obgleich ihre kleine Röstanlage laut VDI-Richtlinie 3892 genehmigungsfrei ist.
Doch anstatt einem Okay bekommt Werner im Juni 2004 eine Baugenehmigung zugeschickt, in der ihr folgende Auflage gemacht wird: Sie soll die Abluft ihres Rösters über den Dachfirst des Hauses in den freien Luftstrom abführen. "Dafür gibt es keine rechtliche Grundlage", meint Andrea Werner und legt Widerspruch ein. Und über den Widerspruch ist bis heute nicht entschieden. Recherchen der MAIN-POST haben ergeben, dass die erforderliche Stellungnahme des städtischen Umweltamts erst im Oktober 2005 fertig wird - mehr als 14 Monate später.
Wenigstens zu diesem Zeitpunkt hätte der Widerspruch von der städtischen Bauaufsicht weiter bearbeitet und dann zur Entscheidung an die Regierung von Unterfranken weitergeleitet werden können. Doch da ist der Widerspruch laut Sprecher Johannes Hardenacke bis Ende Juni nicht angekommen. Wolfgang Stingl, Leiter der Bauaufsicht, gibt zu, dass es "nicht gerade ideal" sei, dass der Widerspruch "so lange liegen geblieben ist". Zum Warum will er sich trotz mehrfacher Nachfrage nicht äußern.
Ein schwacher Trost für Weber - und für die Nachbarn, die sich durch "den Gestank" der Kaffeerösterei belästigt fühlen. "Wenn wir bei der Stadt nachfragen, dann sagt man uns immer, dass man sich darum kümmert", sagt Karl Müller. Der Fahrrad-Händler hat mehrfach schon Unterschriften gesammelt, um "endlich mal eine Lösung gegen diese Geruchsbelästigung zu erreichen".
Dass ein Kamin-Zwang laut VDI-Richtlinie nur für Anlagen mit einer Röstmenge von mehr als einer halben Tonne täglich gilt, ist den Anwohnern egal. Ihnen geht es um die Gleichbehandlung. Denn andere Röstereien in Würzburg müssen ihre Abgase auch übers Dach abführen. Müller: "Wir wollen nur unsere Fenster bedenkenlos öffnen können."
Den Vorwurf, sie röste fast zu jeder Tageszeit, bestreitet Andrea Weber vehement. Die Anlage sei "höchstens zwei Stunden" am Tag in Betrieb, meistens in der Mittagszeit. Außerdem entstünden nur wenige Minuten pro Röstvorgang überhaupt geruchsintensive Abgase. Auch Webers Vermieter kann die Aufregung nicht verstehen: "Das riecht nicht schlecht, das riecht nach Kaffee." Die Anwohner behaupten indes, die Abgase riechen "nach verbrannten Haaren".
"Kaffeerösten riecht nach verbrannten Haaren"
Compagnero-Nachbarn
Der von den Nachbarn geforderte Abluftkamin "lohnt sich nicht bei der geringen Menge an Kaffee, die wir täglich rösten", sagt Andrea Weber. Wenn sie die rund 10 000 Euro investiere, könne sie ihren Laden dicht machen. Von den Anwohnern ist sie enttäuscht: "Die, die jetzt am lautesten schreien, waren kein einziges Mal bei uns, um uns persönlich zu sagen, dass sie etwas stört."
Ganz egal, wie die Röstabgase nun riechen: Beide Seiten fühlen sich von der Stadt im Stich gelassen. "Erst sagen sie: 'Alles okay'. Dann kommen nachträglich Auflagen ohne Rechtsgrundlage", erklärt Werner. Und den Anwohnern hat die Stadt in mehreren Briefen versichert, sich zeitnah um die Sache zu kümmern. Doch davon kann wahrlich nicht Rede sein.