Dass der Samstag der härteste Tag der Woche ist für die Friseure – das meint man. Es stimmt aber nicht. Es stimmt jedenfalls nicht mehr. Dafür verantwortlich ist einerseits der Umstand, dass auch die Landbevölkerung nicht mehr so oft „nei die Kirch“ geht wie früher. Außerdem das Aufkommen der Fönfrisur. Und nicht zuletzt die Krankheit Aids. Wieso diese drei Faktoren aus dem früher so immens arbeitsreichen Friseur-Samstag mittlerweile einen ganz normalen Arbeitstag gemacht haben, erzählen die Obermeisterin der Würzburger Friseur-Innung, Birgit Hartbauer, und Friseurmeisterin Ursula Reuss aus Bütthard (Landkreis Würzburg).
Als Ursula Reuss als 15jähriges Mädchen 1973 mit der Friseurlehre begann, da war es draußen oft noch dunkel, wenn sie die ersten abgeschnittenen Haarsträhnen der Kundinnen zusammenkehren musste. Von 7 bis 17 Uhr dauerte damals der Friseursamstag; manchmal länger. Gerade auf dem Land kamen damals viele Kundinnen noch zum „Waschen und Kämmen“.
Schöne Haare für den Kirchgang
„Manche nur 14-tägig“, erinnert sich Reuss. Auch nach vielen Jahrzehnten steht ihr die kittelbeschürzte Bauersfrau noch deutlich vor Augen, die nach vollbrachtem Tagwerk am Samstagabend schnell noch in den Salon stapfte. Sie sei „grad noch bei die klenne Säuli“ gewesen. Aber Schweinestallgeruch hin, Schweinestallgeruch her – das Haar hätte halt schön sein müssen für den anstehenden Kirchgang am nächsten Tag.
Des sonntäglichen Kirchgangs wegen brauchte nämlich die Landbevölkerung am Samstag den Friseur. In den Siebzigern – da hätte man, berichtet Reuss, halt noch in die Kirche gemusst auf dem Dorf. Wär‘ man nicht gekommen – die Nachbarn hätten sich die Mäuler zerrissen.
Gerade den Damen sei es wichtig gewesen, beim sonntäglichen „Sehen und Gesehenwerden“ auf dem Kirchvorplatz nicht schlechter abzuschneiden als die Nachbarin.
Weshalb jede Kirchgängerin, die auf sich hielt, am Samstag beim Friseur die Wasserwelle legen ließ: Festiger aufs nasse Haar; das Haar Strähne für Strähne auf Plastik-Lockenwickler eingedreht und dann „eine gute halbe Stunde unter die Trockenhaube“. Es habe damals auch Schwebehauben gegeben, für zu Hause, erinnert sich Reuss; diese seien aber nicht so stark gewesen und die Frisur habe damit nicht so gut gehalten.
Wer am Sonntag vorzeigbare und haltbare Locken wollte – Spötter sprachen von „Betonfrisur“ – , für den führte eben damals kein Weg am samstäglichen Friseurbesuch vorbei. Die haltbaren Wellen, die die Kundinnen damals in den Siebzigern so sehr liebten, machten den Friseurinnen allerdings zu schaffen. Von der „aggressiven Chemie“, die seinerzeit bei Wasserwelle und Dauerwelle verwendet wurde, hatte Reuss als junge Frau oftmals „offene Hände“. Speziell für die Wasserwelle gab es Reuss zufolge einen Festiger, „Aufheller“ genannt, der aktiven Sauerstoff enthielt und die Haut angriff. Seinerzeit sei es auch nicht so üblich gewesen, mit Handschuhen zu arbeiten.
Pflicht zum Handschuhtragen kam erst in den Achzigern
Die Pflicht zum Handschuhtragen bei den so genannten „Feuchtarbeiten“ kam laut Reuss erst in den Achzigern auf – mit dem Auftreten der Krankheit Aids. Ab diesem Zeitpunkt hatten Friseure bei „Nassarbeiten“ Schutzhandschuhe anzuziehen und waren gehalten, Scheren, Messer oder Klingen viel öfter als früher zu desinfizieren.
Diese, für den Kunden spürbaren Schutzmaßnahmen und sicher auch die in den Achtzigerjahren extrem große Ansteckungsangst, führten Reuss Erinnerung nach dazu, dass eine Kundengruppe bald ausblieb: Nämlich die „Nassrasur“-Kunden. Jene Männer, die zuvor verlässlich „am Dienstag, am Donnerstag und natürlich am Samstag“ die Tür zum Friseursalon aufgestoßen, den Frisierstuhl in Beschlag genommen und sich drauf gefreut hatten, satt eingeseift, sanft rasiert und möglichst mit einem angewärmten Handtuch am sensiblen Kinn abgetrocknet zu werden.
Aber nicht nur die samstäglichen Rasurkunden fielen spätestens in den Achtzigern aus; auch die Wasserwelle-Damen tröpfelten da nur noch sehr spärlich.
Was sich länger zuvor schon in den Salons der Großstadt angekündigt hatte, das passierte nun auch mit ein paar Jahren Verspätung bei den Friseuren in der Vorstadt und auf dem Land: der Wechsel von Wasser- und Dauerwelle hin zur Fönfrisur.
Fönfrisur statt Dauerweller
Mode- und Frisurtrends ändern sich natürlich ständig; keine Frage. Warum also war die Hinwendung zur Fönfrisur für die Friseure so besonders? „Weil damit die Notwendigkeit, unbedingt am Samstag zum Friseur zu gehen, entfiel“, sagt Ursula Reuss. Anders als eine Wasserwelle, die von Samstag auf Samstag und vielleicht sogar auf den Samstag drauf hält, gerät eine Fönfrisur viel früher aus der Form. Wer mit Fönfrisur schön sein will, der wäscht und fönt sein Haar alle zwei, drei Tage selbst und braucht keinen Samstags-Friseurtermin mehr.
Aus verlässlich am Samstag auftauchenden Wasserwelle-Kundinnen wurden also Damen mit individuellen Fönfrisuren und individuellen Terminanfragen: Naturfarbe auftragen am Mittwoch früh? Strähnchen am Donnerstag? Toupieren und Hochsteckfrisur Freitagabend? Kinderhaarschnitt und Dauerwelle für die langjährige Stammkundin am Samstag? „Der Samstag“, sagt Reuss, „ist mittlerweile ein Tag wie jeder andere.
Vielleicht sogar entspannter.“ Denn von 7 bis 17 Uhr wie früher, arbeitet sie an den Samstagen nicht mehr – da schließt die Friseurmeisterin aus Bütthard ihren Salon gegen Mittag ab, wenn sich nicht gerade ein Braut angesagt hat.
Andere Regeln in der Großstadt
Was fürs Land gilt und die Vorstadt, gelte allerdings nicht unbedingt für die Großstadt, sagt die Obermeisterin der Friseur-Innung, Birgit Hartbauer. „In den Randgebieten“ habe es tatsächlich wenig Sinn, Samstagnachmittag den Salon geöffnet zu halten; da kämen die Leute nicht. „In der City ist das ein bisschen anders.“
Einzelne Würzburger Salons hätten mittlerweile wieder an den Samstagen bis 16 Uhr offen; andere hätten mittlerweile an den Montagen offen und böten an dem früheren „Friseur-Feiertag“ Haarschnitte genauso selbstverständlich an, wie der Bäcker nebenan die Brötchen. Die neuerlich wieder verlängerten samstäglichen Öffnungszeiten sind wohl als Angebot an eine junge Generation zu verstehen, die damit aufgewachsen ist, an den Samstagen in den Städten shoppen zu können und zwischendurch mal einen Friseurbesuch einzuschieben. „Die Trends verändern sich – und grade wir Friseure müssen da mitziehen“, sagt Hartbauer.