"Leichtsinnig und verheerend", heißt es, sei der Umgang der Stadt mit der umstrittenen Religionsgemeinschaft. Eigentlich könnte ja alles so friedlich sein. Jedes Jahr bietet die "Khuddam al-Ahmadiyya", die Jugendorganisation des religiösen Vereins "Ahmadiyya Muslim Jamaat" der Stadt Würzburg ihre Hilfe an, wenn es darum geht, Scherben und Feuerwerk-Reste von den Straßen zu räumen. Die Stadtreiniger wiederum nehmen gerne an. Am Ende war bisher jeder glücklich: Die Bürger, weil die Straßen sauber waren; die Stadtreiniger, weil sie weniger Arbeit hatten und die Ahmadiyya. "Weil es unser Ziel ist, Gutes zu tun", sagt Tanwirah Iqbal, Mitglied der Ahmadiyya und Ehefrau des Jugendleiters. "Würzburg täuscht eine heile Welt vor, die Ahmadiyya ist gefährlich", behauptet jemand, der auch etwas anderes behauptet. Nämlich, dass er sich mit der Ahmadiyya auskennt und das so gut, dass man ihm bereits gedroht habe, "die Kehle aufzuschlitzen".
Seinen Namen will er darum nicht in der Zeitung lesen. Der Informant, der der Stadt einen zu "sorglosen Umgang" mit der Gruppierung vorwirft, stammt aus dem hessischen Schlüchtern. Dort wandte sich eine Bürgerinitiative gegen den Bau einer Moschee der Ahmadiyya. Teilweise feierten die Gegner auf dem Gelände, auf dem die Moschee entstehen sollte, Messen, um _ wie sie selber sagten _ "das Böse auszutreiben". Auswüchse, die nicht alle Gegner teilten. Dennoch: Was ist dran an den Vorwürfen? Eine ganze Menge, meint Dr. Hiltrud Schröter, Erziehungswissenschaftlerin aus Frankfurt und ausgezeichnet mit dem Forschungspreis der hessischen Landesregierung für ihre interkulturellen Forschungen. Ihre Vorwürfe hat sie in dem Buch "Ahmadiyya-Bewegung des Islam" niedergelegt. Darin schreibt sie unter anderem, dass jedes Mitglied der Ahmadiyya ein Gelübde auf die Bewegung, den Kalifen, das geistliche Oberhaupt der Gruppe, und das Kalifat ablegen müsse. Die Ahmadiyya sei _ so folgert sie _ eine politische Religion und deren Ziel die Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und die Einrichtung eines Kalifats. "Jegliche Kritik am Führer und seinen Vollzugshelfern ist in der Ahmadiyya verboten", so Schröter. Außerdem verbreite die Gruppierung unter anderem auch antisemitische Schriften. Die Ahmadiyya bestreitet das alles. Sie hat bereits versucht, gerichtlich gegen die Wissenschaftlerin vorzugehen, unterlag aber.
Die Staatsanwaltschaft in Frankfurt stellte das Verfahren ein. "Die Beschuldigte setzt sich in wissenschaftlicher Form mit Inhalten auseinander und zieht unter anderem Parallelen zu nationalsozialistischem Gedankengut beziehungsweise mafiosen Strukturen", heißt es in der Begründung. Es gäbe keinen Grund, die Arbeit zu beanstanden. "Die Debatte ist absoluter Blödsinn", sagt Iqbal. Sie verweist unter anderem darauf, dass in der Gemeinschaft ein strenges Gewaltverbot herrsche. "Bei uns wird niemand unterdrückt", sagt sie. Außerdem sei die Kritik zusammengesetzt aus "typischen Vorurteilen gegen den Islam". Der Türkisch-Islamische Kulturverein Würzburg distanziert sich von der Ahmadiyya. Ein Sprecher verweist auf telefonische Nachfrage darauf, dass die Ahmadiyya bei den meisten muslimischen Gruppierungen nicht als "islamisch" anerkannt sei. So habe Pakistan die Gruppierung beispielsweise als "nicht-islamisch" verboten. Die Stadt hingegen hat bislang keine Probleme mit der Ahmadiyya. Nicht nur, dass die an Silvester bei der Straßenreinigung helfen.
Das ganze Jahr über besuchen Mitglieder der Ahmadiyya nach eigenen Angaben auch Altenpflege-Einrichtungen. Zur Vorweihnachtszeit bringen sie Geschenke mit. Auch, als die Ahmadiyya ihre neue Moschee am Heuchelhof plante, ging das ohne große Probleme über die Bühne. 400 Personen fasst der Gebetsraum des Vereins, der angibt, rund 170 Mitglieder in Würzburg zu haben. Fünf Moscheen hat die in Frankfurt ansässige Bauabteilung der Ahmadiyya in diesem Jahr neu angestoßen, hundert Moscheen sollen insgesamt in ganz Deutschland für die 35#000 Mitglieder gebaut werden. Etwa 300.000 Euro investierte die Ahmadiyya in die neue Moschee am Heuchelhof. Seit 1. Oktober werde die Moschee genutzt, sagt Ole Kruse, Pressesprecher der Stadt Würzburg. Proteste gegen den Bau seien ihm keine bekannt. Auch mit den Bewohnern am Heuchelhof und in Rottenbauer, die in Sichtweise der Moschee wohnen, gab's bisher keine Probleme.