Kaum Zuschauer im großen Kinosaal – es fühlt sich an wie ein erneuter Lockdown, was das Ochsenfurter Casablanca-Kino derzeit erleben muss. Kampflos wollen sich die Betreiber Gerd Dobner und Hannes Tietze der Situation nicht geschlagen geben. Mit der Reihe "Casablanca-Filmüberraschungen" wollen die beiden über den Jahreswechsel daran erinnern, dass Kino mehr ist als Filme gucken - sondern ein kulturelles und soziales Erlebnis, das in der Pandemie nicht untergehen darf.
"Die 2G-Plus-Regel seit Ende November hat noch mal richtig reingehauen", sagt Hannes Tietze. Vor dem Hintergrund der vierten Corona-Welle darf nur noch ins Kino, wer vollständig geimpft und zusätzlich getestet ist. "Vor allem für die ländlichen Gebiete ist das eine absolute Katastrophe", sagt Gerd Dobner. Denn anders als in den großen Städten sind Testangebote auch im südlichen Landkreis Würzburg dünn gesät, erst recht am Wochenende.
"Wir haben gleich gesehen, dass 2G Plus für die Kinos nichts Gutes bedeutet."
Hannes Tietze, Casablanca-Kino
"Wir haben gleich gesehen, dass 2G Plus für die Kinos nichts Gutes bedeutet", sagt Hannes Tietze und verweist auf seine Kontakte zu vielen anderen Kinobetreibern in Bayern, denen es ähnlich ergeht. Das Dezemberprogramm, das bereits gedruckt war, hat man deshalb wieder zurückgezogen. "Es ist das erste Mal in 39 Jahren Casablanca, dass es kein gedrucktes Programm gibt", sagt Dobner - abgesehen von den letzten Total-Lockdowns. Deshalb spricht Dobner nun von einem "Lockdown durch die Hintertür".
Es kommt nämlich hinzu, dass auch viele Verleiher ihre Neuerscheinungen zurückgezogen haben. "Für die macht es überhaupt keinen Sinn, einen neuen Film herauszubringen, wenn keiner ins Kino geht", meint Dobner, "der kommt auch nachher nie mehr richtig ins Laufen." Dabei ist die Zeit zwischen den Jahren für die Kinos absolute Hochsaison. "Viele Kinos müssen sich in dieser Zeit das Futter anfressen, von dem sie im Sommer zehren können", so Tietze.
Einstellige Besucherzahlen
Statt des gewohnten Filmangebots schaltete das Casa auf ein Notprogramm. Seit Anfang Dezember gibt es einen Film pro Abend zu sehen. Doch mehr als ein trotziges Lebenszeichen sei das nicht, so Tietze – "Das macht weder uns noch dem Publikum Spaß." Mangels Programm werden die Filme auf der Internetseite des Kinos oder per Newsletter angekündigt. "Die Besucherzahlen sind einstellig, das ist also wie eine Privatvorstellung; die Einnahmen reichen höchstens für den Strom."
Dass Geboosterte inzwischen von der Testpflicht ausgenommen sind, hilft den Kino-Betreibern nicht wirklich. Zum einen seien die meisten in der Hauptzielgruppe des Casa noch kein drittes Mal geimpft, zum anderen bringt die Kontrollpflicht zusätzliche Arbeit mit sich. "Jetzt müssen wir auch noch rechnen, ob jemand schon 14 Tage geboostert bist", so Gerd Dobner.
"Kino ist ein sozialer Ort und ein gemeinsames Kulturerlebnis, das wollen wir wieder herausstellen."
Gerd Dobner, Casablanca-Kino
Es könnte deshalb leicht frustriert klingen, wenn Dobner sagt: "Wir haben bisher alle Auflagen mitgemacht, jetzt wird uns wieder ein Stein in den Weg gelegt, und wieder ist die Kultur als erstes betroffen." Doch Frust wollen Tietze und Dobner erst gar nicht aufkommen lassen. "Wir müssen in die Vorlage gehen und haben uns deshalb eine neue Filmreihe unter dem Titel 'Die Casablanca-Filmüberraschung' überlegt."
Ab dem 25. Dezember und dann im Januar jeweils mittwochs zeigt das Casablanca ausgewählte Filme, die das Kinoerlebnis wieder besonders hervorheben wollen. "Kino ist was anderes als wenn ich zu Hause mit dem Beamer einen Film an die Wand werfe", sagt Gerd Dobner, "Kino ist ein sozialer Ort und ein gemeinsames Kulturerlebnis, das wollen wir wieder herausstellen."
Regelmäßig für das Programm ausgezeichnet
Bei der Filmauswahl haben sich Dobner und Tietze ganz auf ihre Erfahrung und ihren Instinkt verlassen. Immerhin wird das kleine Landkino seit vielen Jahren für sein hochwertiges und außergewöhnliches Programm regelmäßig von Bund und Land ausgezeichnet. "Deshalb haben wir keine Mainstream-Filme ausgesucht, sondern richtig gute Filme, die alles enthalten, was Kino ausmacht, und die nicht einfach so an einem vorübergehen", sagt Gerd Dobner.
Den Auftakt macht die schweizerische Tragikkomödie "Wanda, mein Wunder", die am ersten Weihnachtsfeiertag in einer Preview vor dem Bundesstart zu sehen ist. In ihrem neuen Film erzählt Regisseurin Bettina Oberli ("Tannöd, "Die Herbstzeitlosen") die Geschichte eines betagten Familienpatriarchen, der nach einem Schlaganfall auf die Hilfe einer - schwarz bezahlten - polnischen Pflegekraft angewiesen ist. Auf amüsante Weise entlarvt der Film soziale Gegensätze und großbürgerliche Überheblichkeit.
Um 20.45 Uhr beginnt die Vorstellung. Und wie bei jedem Film der Überraschungsreihe gibt's für die Besucher neben dem sozialen Kinoerlebnis ein kleines Geschenk, passend zum Film. Als nächste Folge der Reihe wird am 5. Januardas romantische Filmdrama "Ammonite" mit Kate Winslet zu sehen sein. Am 23. Dezember bereits will das Casa wieder mit einem regulären Programm und zwei bis drei Vorstellungen täglich starten. Dieses Programm gibt es dann auch wieder in gedruckter Form und in gewohnter Auflage.