Der riesige Zahn des Minibaggers mit Josef Gold am Schalthebel frisst sich langsam in den Sandsteinbeton und kratzt mehr und mehr das Innere der Höhle frei. 107 Kubikmeter Sandbeton füllen den aus Cortenstahl bestehenden Höhlenbogen – noch, denn der Minibagger frisst fleißig den Sand weg. 46 Jahre ist Josef Gold bei der Baufirma „Liebstückel“, doch zum ersten Mal kratzt er eine Höhle frei.
Fast sieht es aus, als hätte jemand ein gekochtes Ei in der Mitte durchgeschnitten, das Eigelb entfernt und das halbe Ei auf die Seite gelegt. Nur ist es wesentlich größer und auch wesentlich haltbarer, und es ist die neue Attraktion des Ökolehrpfades auf dem Kobersberg nordwestlich von Rimpar.
Sobald der „Kobel“, eine Kombination aus Schutzhütte, Treffpunkt und Aussichtsplattform mit Blick über Rimpar bis hin zum Schwanberg, im nächsten Jahr fertig ist, wird er ein fester Bestandteil des Lehrpfades und gleichzeitig ein Alleinstellungsmerkmal sein.
Die Idee für die Form des Eichhörnchen-Kobels hatte der Würzburger Architekt Jochen Hofmann. Er grübelte über die Frage seines Freund Jochen Tatz, für die „Frankfurter Fünf“ zuständig für den Ökolehrpfad auf dem Kobersberg, nach, was für ein Gebäude im Lehrpfad entstehen könnte. „Lehrpfade gibt es mittlerweile wie Sand am Meer“, sagte Hofmann. „Ich wollte ein etwas anderes Gebäude entstehen lassen.“ Der Funke sprang beim Kartoffelschälen über. „Ich hab mir die geschälte Kartoffel genau angeschaut, in der Mitte durchgeschnitten und ausgehöhlt – und da hab‘ ich gewusst, wie das Gebäude aussehen sollte.“
Hofmann fotografierte sein Werk, schickte es Jochen Tatz und der war begeistert. Nach einiger Diskussion im Gemeinderat Rimpar, der für dieses Unterfangen nicht nur seine Zustimmung, sondern auch Geld geben sollte – und sich um die Fördermittel kümmern wollte –, nahm diese Idee mehr und mehr Form an und es entstand ein regelrechter Prototyp. „So etwas habe ich noch nie gebaut“, sagt der Architekt, der zwar mit Hochbauten aller Art vertraut ist, aber an der selbstgestellten Aufgabe wuchs und noch immer wächst, wie er selbst sagt.
„Ich wollte ein etwas anderes Gebäude entstehen lassen.“
Jochen Hofmann Architekt
Der Kobel wird, sobald er fertig ist, für Wanderer und Besucher des Ökolehrpfades Start- und Zielpunkt des Weges. Kommen sie vom Norden in Richtung Rimpar, sehen sie zunächst „nur“ eine weitere kleine Erhebung im Gelände, allerdings mit einem Geländer, an das sich rechts und links Weinreben ranken. Am Geländer stehend haben sie eine grandiose Fernsicht und direkt vor sich, in fünf Metern Tiefe, eine freie Fläche von gut 20 Metern bis zu den nächsten Zeilen des Weinberges. Die Wanderer stehen dann allerdings nicht auf einer natürlichen Erhebung, sondern auf dem Kobel. Und sie sehen aus der Erde herausragend eine Röhre aus Cortenstahl, durch die sie in den Kobel hineinschauen können. Im Kobel selbst sind an den Wänden Sitzbänke fest eingebaut, und unterhalb der Röhre steht ein Podest. Darauf, sagt der Architekt, können zum Beispiel Winzer einige Weinflaschen und -gläser aufstellen und dort lagern, während sie mit ihren Gästen den Ökolehrpfad durchwandern.
Im Gemeinderat – die Gemeinde Rimpar ist Bauträger – hatten die Räte diskutiert, ob der Kobel mit einer Tür gesichert werden sollte. Das verwarfen sie nach eingehender Beratung, denn irgendwer müsste dann für den Schlüssel zuständig sein. Somit bleibt der Kobel offen, und es wird auch nichts an irgendeiner Infrastruktur wie Strom, Licht oder gar Toiletten geben. „Irgendwelche Feiern oder Veranstaltungen sind nicht nur nicht verboten“, sagt der Architekt, „verbieten wir das Feiern, haben wir hier erst recht einen wilden Treffpunkt.“ Für Veranstaltungen bietet sich neben dem halb offenen Gebäude der naturbelassene Vorplatz des Kobels an, und der verwendete Beton ist widerstandsfähig.
Wie teuer die ganze Angelegenheit werden wird, weiß der Architekt. Er möchte diese Kosten aber derzeit nicht an die Öffentlichkeit weiter geben, bis nicht der Bauherr informiert ist. „Es ist ein Prototyp, und auch die Baufirma Liebstückel hat so etwas noch nie gebaut“, sagt Hofmann. Ihm ist es wichtig, so wirtschaftlich wie möglich zu bauen, und immer noch geht er mit einigen Ideen rund um den Kobel schwanger. Um die umzusetzen, muss er erneut den Gemeinderat überzeugen. Ist das geschafft, hat er ein Gebäude gebaut, das sich so in die Natur einschmiegen wird, als wäre es schon immer ein fester Bestandteil des Kobersbergs gewesen.