Der Freispruch im Würth-Prozess war absehbar und konsequent. Schon während des Verfahrens hatte das Gericht immer wieder Zweifel erkennen lassen. Das Sprachgutachten hatte Nedzad A. ein wenig voreilig auf die Anklagebank gebracht. Denn es war allenfalls ein Hinweis, der die Suche nach dem möglichen Täter einengt, aber kein Beweis wie ein Fingerabdruck oder eine DNA-Spur, die eindeutig einen Menschen belasten.
Angesichts der wenigen Spuren, die die Ermittler ansonsten hatten, setzten sie alles auf diese Karte. Die zwei Sprachgutachter betonten bei ihrem Auftritt vor dem Landgericht Gießen: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit handle es sich bei der Stimme des Erpressers und den Vergleichsstimmproben um den identischen Sprecher. Sie filterten die Stimme von Nedzad A. aus 360 Sprachproben mit Personen mit vergleichbarem biografischem und sprachlichem Hintergrund heraus.
Aber sie mussten zugeben: Die mitgeschnittenen Erpresseranrufe bei Würths Familie im Jahr 2015 beweisen nicht eindeutig, dass der Angeklagte Nedzad A. der Entführer war. So blieb dem Gericht bei seriöser Abwägung gar nichts anderes übrig als ein Freispruch. Denn Kern unserer Rechtskultur ist nun einmal: Ein Angeklagter ist unschuldig bis zum Beweis (nicht zur Vermutung) des Gegenteils.
Die Angehörigen des Entführten werden darüber enttäuscht sein. Sie müssen nun das Gefühl haben, mit leeren Händen dazustehen anstatt zumindest die Genugtuung zu haben, dass der Verbrecher bestraft wurde. Sie sollten die Hoffnung nicht aufgeben. Die Suche nach den Tätern geht weiter.