Sie trafen sich zu Proben. Was schon ziemlich heikel war. Doch auftreten durften sie nicht. „Wir spielten Heavy Metal und Hardrock, das war bei uns verboten“, erzählt Rashid Jalaei. Der 33-Jährige, der seit 2012 in Würzburg lebt, stammt aus dem Iran. Was ihm dort untersagt war, ermöglicht ihm sein neues Heimatland: Am Samstag stand der Musiker in Würzburg auf der Bühne. „Walls down – Die Mauer und das Ei“ hieß das Stück, bei dem er als E-Gitarrist mitwirkte.
Die Uraufführung des Tanztheaters, das unter Leitung von Alexandra Schwartz entstand, zählte zu den Höhepunkten der „WillkommensKulturTagen“, die am Wochenende erstmals in Würzburg stattfanden. Organisiert wurden sie seit Mai von der Gruppe „Fluchtpunkt.Perspektive.Kultur“. Ziel war es, dem, was in Gestalt von Wügida durch die Gesellschaft geisterte, auf kreative, gleichzeitig politische Weise entgegenzutreten.
„Ich war schockiert, als das mit Wügida losging“, sagt Salah Eddin Maraqa. Der palästinensische Musiker, der das Festival am Freitag zusammen mit dem in Lyon lebenden Oud-Spieler Adel Salameh eröffnete, kam 2001 zum Studium nach Münster. In Würzburg, wo der Ethnomusikologe heute als Forscher tätig ist, promovierte er.
Fremdenfeindlichkeit habe er bisher kaum erlebt, so der eingebürgerte Qanun-Spieler. Allenfalls auf dem Ausländeramt wurde er nicht immer freundlich behandelt. Umso schockierter sei er über die Wügida-Umtriebe gewesen.
Theaterprojekt der KHG
Er war in seiner Heimat Afghanistan nie künstlerisch tätig, erzählt Shamsollah Amani. Durch Zufall stieß er zu dem vor vier Jahren gegründeten Theaterensemble „Die Überlebenden“, bei dem Asylsuchende aus der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft mit Studierenden von der KHG kreative Projekte entwickeln. Sich auf der Bühne auszuagieren, erlebt Amani als etwas Großartiges. Das Thema „Mauern“ sprach ihn auf besondere Weise an: „In Afghanistan war ich als Schweißer in einem Gefängnis tätig.“
Mina Aryaee Nejad stieß in ihrem Herkunftsland Iran durch den Islam immer wieder an Mauern. „Man zwang uns, selbst bei größter Hitze verschleiert herumzulaufen“, so die Schauspielerin und Malerin. Religion sieht sie heute sehr kritisch. Ein rigide gelebter Glaube unterbinde Kontakte zwischen Menschen und schränke persönlich ein.
In ihrer Choreographie „Walls down“ ging es den Tänzern sowohl um die Mauern, die im Äußeren errichtet werden, als auch um die Mauern, die Menschen in ihrem eigenen Inneren aufbauen. Das Stück ist von Hoffnung durchzogen. Am Ende gelingt es, die Mauern zu stürzen, und den, so Tänzerin Nina Bärnreuther, aus Angst geborenen Rassismus durch Empathie und Mitgefühl auszumerzen.
Als befreiend erlebte Johannes Liepold die Mitarbeit an „Walls down“. Der Jazzmusiker, der an der Würzburger Musikhochschule studierte, konnte durch das improvisatorische Erarbeiten der Choreographie eigene Kreativitätsmauern durchbrechen. Aber auch sonst spielt das Thema „Mauern“ eine Rolle in seinem Leben: „Wenn Menschen hören, dass man Jazzmusiker ist, stellen sich oft Vorurteile ein.
“ Von wegen lockerer Lebenswandel. Und bohemehaftes Krebsen am Existenzminimum.
Ganz konkrete Mauern und Grenzen werden in dem Tanztheater angeführt. Die Wahnsinnmauer, die Nord- und Südkorea trennt. Die türkisch-griechische Grenze auf Zypern. Die tödlichen Mauern, die verhindern, dass Flüchtlinge nach Europa gelangen.
Grenze in Palästina hautnah erlebt
Giovanni Siragusa erlebte eine Grenze, nämlich die, auf die Palästinenser in Hebron stoßen, vor einem Jahr hautnah. Im Februar 2014 war der aus Italien stammende Physiker, der an der Uni Würzburg tätig ist und mit großer Leidenschaft fotografiert, im Westjordanland. Armut und Ausgrenzung begegnet dem Besucher hier auf Schritt und Tritt, zeigte seine eindrucksvolle Fotoausstellung im Julianum.
Wird das Leid der Palästinenser hierzulande zur Kenntnis genommen? Giovanni beobachtet in Deutschland, wie sehr man bemüht ist, sich abzuschotten. Hauptsache, es geht einem selbst gut. Über die Not um einen herum, sei es Palästina, sei es Griechenland oder seien es die Länder, aus denen die Flüchtlinge stammen, werde kaum diskutiert. Die Politik darf derweil weitere Grenzen errichten. Hauptsache, der eigene Wohlstand bleibt unbedroht.