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WÜRZBURG: Krisen im Leben sind ganz normal

WÜRZBURG

Krisen im Leben sind ganz normal

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    Der Januskopf symbolisiert für Albert Schmalhofer den Punkt zwischen Vergangenheit und Zukunft, an dem Lebenskrisen wirksam werden können.
    Der Januskopf symbolisiert für Albert Schmalhofer den Punkt zwischen Vergangenheit und Zukunft, an dem Lebenskrisen wirksam werden können. Foto: FOTO TAP

    (tap) Vor allem nachts kommt die Angst. Kein Schlaf stellt sich ein. Der Kopf schwirrt. Der Puls ist erhöht. Unerträglich das Gefühl der Anspannung. Menschen in Lebenskrisen kennen diesen Zustand. Und wissen ihn meist nicht einzuordnen. Wissen nicht: Solche Krisen gehören zum Leben. Davon jedenfalls ist Albert Schmalhofer überzeugt. Der Würzburger Mitinitiator der deutschlandweiten „Berufverei-nigung Biografiearbeit“ begleitet seit vielen Jahren Menschen in Lebenskrisen.

    Krisen sind im modernen Leben nicht vorgesehen. „Power“, Dynamik und Leistungslust scheinen Arbeits- und Lebenswelt zu beherrschen. Lebenskrisen scheinen etwas Abnormales zu sein. Nicht so für Anthroposophen wie Albert Schmalhofer. Für den Würzburger Waldorflehrer gehört die von Rudolf Steiner, dem Begründer der Anthroposophie, entwickelte Lehre von den Sieben-Jahres-Schritten in der Entwicklung des Menschen zu den objektiven Gegebenheiten des Menschseins. Etwa alle sieben Jahre macht der Mensch dem Steinerschen Modell zufolge eine Krise durch. Weithin bekannt ist die Pubertätskrise, in der Jugendliche ihr Selbst entdecken. In den Sprachgebrauch eingegangen ist außerdem der Ausdruck „Midlife-Crisis“.

    Biografiearbeiter möchten den Menschen das Wissen über die Normalität von Lebenskrisen zugänglich machen. Wer weiß, dass sich menschliches Leben nach Gesetzmäßigkeiten entwickelt, kann Schmalhofer zufolge mit eigenen Krisen besser umgehen. Junge Erwachsene müssen eine Krise durchmachen, um ihr Ich zu gebären. Um zu lernen, im Leben zu stehen. Sie müssen einen Beruf finden, der zu ihnen passt, und versuchen, eine Partnerschaft aufzubauen. Etwa bis zum 35. Lebensjahr hat der Mensch meist seine Ruhe - er konsolidiert sich. Wenn der Gipfelpunkt der körperlichen Kraft erreicht ist und dem Menschen aufdämmert, dass die verbleibende Lebensspanne womöglich kürzer ist als die zurückliegende, können sich massive Sinnfragen einstellen.

    In diesen Situationen bieten Biografiearbeiter Menschen einen Spiegel. Sie greifen die aktuellen „Fragen an das Leben“ des in der Krise Gefangenen auf. Reflektieren das Vergangene, nehmen das Zukünftige in den Blick. Als Symbol dient dem Würzburger Pädagogen der Januskopf mit seinen beiden Gesichtern. Ein Gesicht dieses Kopfes blickt zurück in die Vergangenheit. Das andere schaut nach vorn, in das Zukünftige.

    In der Biografiearbeit wird das auf Beschleunigung ausgerichtete Leben unterbrochen. Der Mensch hält inne. Verdrängt die Fragen nicht, die ihm im Kopf herumspuken. Flüchtet sich nicht in die Arbeit. Oder in Drogen. Wie wichtig dies ist, hat Schmalhofer in seinem eigenen Leben erfahren. Zum einen als Therapeut in der Drogenklinik „Sieben Zwerge“ in Salem am Bodensee. Zum anderen aufgrund seiner eigenen Lebenskrise. Schmalhofer nahm sich vor rund 20 Jahren eine Auszeit in Irland. Und entdeckte dabei die Biografiearbeit. Im „Center of Social Development“ in England absolvierte er die Ausbildung „Biografiearbeit“. Seit 1992 bietet er biografische Beratung im Würzburger Matthias-Grünewald-Therapeutikum an.

    Die Idee, dass Lebenskrisen, Schicksalsschläge und massive Sinnzweifel „normal“ sind im menschlichen Leben, kann sich nur ausbreiten, wenn mehr Menschen über die Möglichkeit der Biografiearbeit wissen und Biografiearbeit ein anerkanntes Berufsbild wird. Dies soll durch die im Jahr 2006 von Schmalhofer und einigen Mitstreitern gegründete „Berufsvereinigung Biografiearbeit“ geschehen. 38 Mitglieder in ganz Deutschland hat die Berufsvereinigung derzeit. Schmalhofer recherchierte außerdem, wie viele Menschen in der Bundesrepublik Biografiearbeit anbieten. Bis heute sammelte er 200 Adressen. Die auf diesem Feld verstreut Tätigen möchte das Vorstandmitglied der Berufsvereinigung künftig vernetzen.

    In seiner privaten Praxis bietet er wöchentlich bis zu einem Dutzend Menschen Biografiearbeit an. Dabei handelt es sich um seelisch gesunde Männer und Frauen, die keine Psychotherapie benötigen, allerdings seit langem bedrückende Lebensfragen mit sich herumschleppen. Während Psychotherapie meist von der Krankenkasse finanziert wird, muss Biografiearbeit selbst bezahlt werden. 45 Euro kostet die Stunde. Für Menschen, die dies nicht zahlen können, gibt es im Matthias-Grünewald-Therapeutikum einen Sozialfonds.

    Albert Schmalhofer kann unter Tel. (09 31) 7 84 64 71 kontaktiert werden.– Weitere Infos gibt es unter www.biographiearbeit.de

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