Der museumspädagogische Raum im Kulturspeicher gleicht einer Kunstwerkstatt. Zwischen Farbeimern, alten Holzbänken, Gemälden und einer Atmosphäre kreativer Gedanken sind Bildausschnitte auf die farbbespritzte Wand geworfen – und machen neugierig. Neugierig auf die Geschichten, durch die Schüler des Würzburger Matthias-Grünewald-Gymnasiums die Bilder zum Leben erweckt haben.
14 Schüler, 14 Bilder und 14 Geschichten, die Kindern den Zugang zur Kunst erlebnisreicher gestalten sollen. Im Herbst 2012 schon hat das Projekt der Seminargruppe in diesen Räumen begonnen. Eineinhalb Jahre später stehen sie noch einmal gemeinsam hier, um es zum Abschluss zu bringen.
Museumspädagogin Christiane Rolfs begrüßt an diesem Nachmittag vor allem die Kinder, für die dieses Projekt entstanden ist. Die Schülerinnen Celina Ballweg und Alina Schäffer präsentieren die Entwicklung ihrer Gruppenarbeit über die vergangenen drei Schulhalbjahre.
„Zuerst vermittelte uns Martin Hanns in einem Kreativworkshop, wie man sich das richtige Bild aussucht und seine Ideen umsetzt“, beginnt Celina. „Danach haben wir uns einfach hier im Museum vor die Bilder gesetzt oder uns auf den Boden gelegt und haben sie auf uns wirken lassen, bis jeder sein Bild gefunden hatte.“
Das Ziel: ein interaktives Buch und ein Hörspiel zu jedem Bild. Die Schülergruppe des Projektseminars recherchierte, teilte sich in eine Layout-, Aufnahme- und Pressegruppe, schrieb ihre Geschichten und gestaltete zu jedem Bild eine Aktivseite. „Annabell Ritschel und Stefanie Golla von der FH Würzburg Schweinfurt haben uns dabei mit einem Workshop zum sogenannten Design Thinking Process viel geholfen“, ergänzt Alina. „Sie haben uns Konzept-Methoden gezeigt und uns eine Einführung in ein Bearbeitungsprogramm gegeben.“
Das Projekt setzt auf Teamgeist. Zwar habe jeder seine eigene Geschichte gehabt, doch hätten sie sich alle gegenseitig geholfen, sagen die 17- und 18-Jährigen im Rückblick. „Es war eine ganz neue Gruppenzusammensetzung“, sagt Alina. „Wir sind über die Zeit zusammengewachsen.“ Gerade beim Einsprechen seien sie auf viele Stimmen und die gegenseitige Hilfe sowie die von Verwandten und Freunden angewiesen gewesen. Celinas Fazit: „Wir haben gut zusammengearbeitet.“
Auch die betreuende Musiklehrerin Barbara Groß und die Museumspädagogin Christiane Rolfs sind sehr zufrieden mit den Schülern. „Teamfähigkeit, Zuverlässigkeit, Absprachen treffen – die Schüler haben viele Kompetenzen gezeigt und entwickelt, die auch für die spätere Berufswelt wichtig sind“, sagt Barbara Groß. „In einem Praxisseminar ist mehr der Prozess das Ziel, als das letztendliche Ergebnis.“
Musik erweckt da Kunst zum Leben. Es ist nicht das erste Projekt, das Christiane Rolfs und Barbara Groß gemeinsam betreuen. „Mit einer siebten Klasse kamen wir 2008 zum ersten Mal zusammen“, erinnert sich Christiane Rolfs. „Seither haben wir immer wieder Ideen, die wir miteinander umsetzen.“ Die beiden Pädagoginnen arbeiten gerne zusammen und haben für eines ihrer gemeinsam gestalteten Seminare bereits einen Preis gewonnen. „Gerade bei einem P-Seminar braucht man einen externen Partner, da das Projekt praxisbezogen sein soll“, sagt Groß. „Die Zeit, die man dafür braucht, hat man hier im Museum.“
Die einzige Rahmenbedingung für die Schüler sei die Erstellung eines klingenden Bilderbuchs gewesen als Vermittlung zwischen Kunst und Musik. Oft haben die Geschichten nicht sehr viel mit den Bildern zu tun, doch gehe es auch eher darum, die Kinder zu Kreativität zu ermutigen und ihnen die Kunst nahe zu bringen.
Ein Blick in die Ausstellungsräume zeigt, dass dies gelungen ist. Viele Kinder, aber auch Erwachsene laufen von Bild zu Bild, lauschen gespannt über Audio-Guides oder aufgestellte CD-Spieler den eingesprochenen Geschichten. Ob eine akustische Reise in die historische Vergangenheit, ein Blick auf die Welt durch die Augen eines kleinen Mädchens, einer wahren Figur oder eines Künstlers oder eine Geschichte, die mit „Es war einmal…“ beginnt – es ist für jeden etwas dabei. Die Hörer lassen sich von den 14 Schülern noch ein paar Details zu den Kunstwerken selbst erzählen oder probieren die interaktiven Mal- und Bastelseiten zu den einzelnen Bildern an den Mitmachtischen aus.
Die 17-jährige Nina Rolfs steht vor dem „Bildnis eines kleinen Mädchens“ von Hirth du Frenes. Sie liebt die Arbeit mit Kindern und das Erfinden von Geschichten. „Meinen kleinen Schwestern erzähle ich auch oft Geschichten und gerade deshalb hat mich das Porträt des kleinen Mädchens so angesprochen.“ Am Anfang sei vieles ungewiss gewesen, aber das Projekt habe sich gut entwickelt. Die Geschichte über die kleine Frieda, der ihre Puppe runterfällt, welche sie dann zum Puppendoktor bringt, habe sie an einem Nachmittag geschrieben. Am längsten habe das Einsprechen gedauert.
Den beiden Zehnjährigen Franka Eilbart aus Würzburg und Tizia-Marie Grün aus Höchberg gefällt die Geschichte gut. „Sonst kommen wir nicht so oft ins Museum“, sagt Franka. „Das hier gefällt uns aber.“ Besonders schön findet Tizia, dass Frieda ihre Puppe am Ende der Geschichte an ein armes Mädchen verschenkt.
Ein paar Bilder weiter liegen die Kinder vor einem Kassettenrekorder und träumen von fernen Ländern. Zu dem Gemälde „Straße im Flaggenschmuck“ von Wilhelm Kohlhoff hat Franziska Classen sich eine Geschichte über den kleinen Jungen Tim ausgedacht, der auf der Suche nach seiner Identität durch die Welt reist. „Appetit auf Heimat“ hat sie ihre Geschichte genannt. Die 18-Jährige war selbst als Kind oft in Museen und findet die Idee des Hörspiels für Kinder sehr schön, weil Kunst sonst oft schwer zu verstehen sei. Die abwechslungsreiche Geschichte hat auch Rebecca Dölger, neun Jahre alt, gut gefallen. „Es macht Spaß, zuzuhören und die Reise war gut beschrieben.“
Ihre Mutter Monika Hahn die das Projekt im Namen der Stadt mit betreute, findet das Ergebnis ebenfalls sehr gelungen. „Es ist für Kinder ansprechender, und vor allem die Möglichkeit, es sich im Internet noch einmal anzuhören, ist gut, wenn man zuhause noch einmal von dem erzählen will, was man erlebt hat.“ Besonders toll sei auch zu sehen, mit welcher Überzeugung die Schüler hinter ihrer Arbeit stehen.
Nicht zu vergessen die Nachhaltigkeit des klingenden Bilderbuchs. Christiane Rolfs lobt den Ausgang des Projekts: „Durch die lange Zusammenarbeit von eineinhalb Jahren hat das Projekt eine besondere Nachhaltigkeit und die Schülerinnen und Schüler bauen eine ganz besondere Beziehung zu ,ihrem' Bild auf.“ Sie läuft zufrieden durch die Ausstellung, blickt den Schülern über die Schulter und freut sich über die Bilder und Geschichten, die wohl in den Köpfen der lauschenden Kinder entstehen. Zum Reinhören: http://www.kulturspeicher.de/kulturspeicher/kunstvermittlung/405512.Blick_hinter_die_Bilderrahmen.html
Klingendes Bilderbuch
Das Bilderbuch haben Schüler des Matthias-Grünewald-Gymnasiums gestaltetet. Es ist für Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren gedacht und führt sich altersgerecht zu ausgewählten Werken der Städtischen Sammlung des Museums im Kulturspeicher. Zu jedem Bild gibt es eine spannende Geschichte – nachzulesen und auch als Hörspiel aufgenommen. Sie können beim jeweiligen Kunstwerk als mp3-Datei angehört und heruntergeladen werden. Erhältlich ist das Buch für 5,99 Euro im Museum. Gesponsert wurde der Druck vom Projekt „Stadt der jungen Forscher 2014“. Familien können auch für zwei Euro eine „Bilderbuchbox“ ausleihen – mit Buch, fünf mp3-Playern und Kreativmaterial.