Es windet und es nieselt. Die Stadt hat ihren Mantelkragen hoch geschlagen. Monika Kania-Doerck trägt echten Pelz, falsche Steine auf der Haarspange und einen Knirps im Rucksack. Sie spricht laut und viel. Das ist ihr Job. Frau Kania-Doerck ist Gästeführerin – und angetreten, Justitia und Sapientia die Insignien ihrer Macht zurückzugeben. Die beiden steinernen Damen stehen mit leeren Händen auf dem Vierröhrenbrunnen. Der Göttin der Gerechtigkeit ist die Waage abhanden gekommen, ihrer Kollegin aus der Weisheits-Fraktion der Spiegel.
„Die Führung ist kostenlos“, sagt Frau Kania-Doerck, was die sparsamen Franken, die sich am Brunnen eingefunden haben, erfreut. Dass sie ankündigt, sie werde am Schluss „pro Person zwei Euro“ für die Restaurierung der Figuren einsammeln, führt dazu, dass sich einige Kulturbeflissene kurz vor Ende des Rundgangs verdrücken.
Frau Kania-Doercks Führung hat das Thema „Würzburg horizontal – Käufliche Liebe in fünf Jahrhunderten“ und deshalb rund 80 Menschen angelockt. Sie erfahren, dass die Badergasse zwischen Karmelitenkloster und St. Peter im Mittelalter eine Hochburg der lustvollen Freizeitgestaltung war. Hier unterhielten die Bader ihre Badestuben. Dass dort nicht nur warmes Wasser, sondern auch reichlich Wein floss und liebeshungrige Herren sich mit „verleumdeten Frauen“ vergnügten, trug zum schlechten Ruf ihrer Betreiber bei. Auch die Damen des ältesten Gewerbes der Welt gehörten nicht zu den angesehenen Bürgern. Und damit ein mittelalterlicher Biedermann sie nicht versehentlich für anständige Frauen hielt, durften sie beim Flanieren weder Samt noch Seide tragen.
Für jeden erschwinglich
„Der Besuch der Badestuben war für jeden erschwinglich“, sagt Frau Kania-Doerck. Einziger Wermutstropfen im Badewasser: Per Gesetz war verehelichten Herren der Umgang mit den käuflichen Damen untersagt. Wie genau die Einhaltung des Dekrets kontrolliert wurde, weiß Frau Kania-Doerck nicht. Wohl aber, dass 1358 im Inneren Graben ein „Frauenhaus“ entstand. Mit dem löblichen Vorsatz, zehn armen Geschlechtsgenossinnen Kost und Logis zu gewähren, hat Elisabeth Fuchs es bauen lassen. Ihre Schützlinge aber wollten nicht nur essen und wohnen, machten aus ihrer Bleibe flugs ein Bordell, holten sich Syphilis und 1497 wurde aus dem ersten Puff der Stadt eine Pflegestation für geschlechtskranke Frauen.
Im Barock, wo man Puder dem Wasser vorzog, gingen die Badehäuser baden. Das horizontale Gewerbe aber überlebte in den „Winkelhäusern“, die sich, so Frau Kania-Doerck „in jeder dunklen Gasse Würzburgs“ fanden.
Ihre Führung endet in der Pleich, wo sie erzählt, dass die käuflichen Damen heute in der Randersackerer-, der Gattinger- und der Paradies-Straße residieren. Dann sammelt sie Geld für Justitia und Sapientia auf dem Vierröhrenbrunnen. 1200 Euro tragen sie und ihre Kollegen am Weltgästeführertag zusammen. Genug, um zumindest Justitia eine neue Waage zu kaufen. Ob das bei den beiden Würzburger RotlichtBaronen auf Zustimmung stößt, ist fraglich. Sie sitzen nämlich seit Herbst 2006 wegen Steuerhinterziehung in U-Haft.