Am 22. Juni 2016 brannte es lichterloh in der Kanzlei von Anwalt Victor Salas mitten in Madrid. Die Polizei fand drei Leichen – und noch am gleichen Tag richteten sich neugierige Blicke der spanischen Ermittler ins 2000 Kilometer entfernte Würzburg.
Denn Anwalt Victor Salas war mit einer Würzburger Medizinerin liiert, die ihn Monate zuvor bei einem Sprachkurs in Madrid kennengelernt hatte. Er erzählte den Fahndern: Vier Wochen vor der Bluttat hatte ihm von Würzburg aus Irinas Ex-Freund Dahud O. (ein Ex-Soldat und nun FH-Student in Würzburg) – glühend vor Eifersucht – am Telefon mit Mord gedroht.
Ein Flaschendeckel brachte die Ermittler auf die richtige Spur
Ein Fund der Spurensicherer am Tatort nährte den Verdacht: Der Mörder hatte das Benzin zum Feuerlegen in einer Volvic-Wasserflasche mit markantem Verschluss mitgebracht – und solche Flaschendeckel wurden nur in Deutschland verkauft.
Doch als der Anwalt aus Madrid besorgt bei seiner Freundin in Würzburg anrief, sagte sie: Ihr Ex habe sie zur Tatzeit aus einem Würzburger Lokal angerufen – und ihr auch Bilder geschickt, die das beweisen sollten. Erst Wochen später fanden Polizisten heraus: Das Alibi war raffiniert gefälscht.
Medien aus der gesamten spanisch sprechenden Welt von Madrid bis Havanna berichten jetzt erneut über den Fall. Denn sechs Jahre nach dem Mord sitzt Dahud O. seit Ende Februar auf der Anklagebank – in Venezuela, wo er geboren ist. Und in Caracas ist nun auch von Würzburg die Rede – und von fränkischen Fahndern, die bei der Klärung des dreifachen Mordfalls von Madrid halfen.
Indirektes Geständnis per E-Mail
O. bestritt vor Gericht die Taten. Irina, die unerkannt in einer anderen Stadt in Süddeutschland leben will, soll nun in Caracas als Zeugin aussagen. Eine E-Mail des Angeklagten wurde verlesen, in der er auf der Flucht Irinas Schwester indirekt den Dreifachmord gestand. Und per Videovernehmung bestätigte ein ehemaliger Mitbewohner von O. als Zeuge, was Würzburger Ermittler schon vor sechs Jahren herausgefunden hatten: Er hatte sich in einem Fitness-Studio und in dem Würzburger Lokal als Dahud O. ausgegeben – um ihm ein falsches Alibi zu geben.
Dabei tötete der Mörder in Madrid nicht den Anwalt Victor Salas, den er offenbar nicht persönlich kannte. Er ermordete einen völlig unbeteiligten Taxifahrer, der zufällig in die Kanzlei kam, während der Anwalt erwartet wurde. Und um ungestört dem Nebenbuhler auflauern zu können, hatte er zuvor zwei in der Kanzlei arbeitende Frauen umgebracht. Als Salas nicht auftauchte, legte er Feuer und verschwand.
Tatverdächtiger flüchtete aus Würzburg in sein Heimatland Venezuela
Als sein Alibi geplatzt war, hätten Würzburger Ermittler den Verdächtigen damals gerne festgenommen und nach Spanien ausgeliefert. Doch das zuständige Gericht in Spanien ließ sich im September 2016 viel Zeit für den Haftbefehl. Dahud O. holte sich 60.000 Euro von Irinas Konto und floh nach Südamerika – in sein Geburtsland Venezuela. Dort lebte er unbehelligt bei Verwandten, ehe ihn die Polizei 2018 festnahm.
Über ein Jahr lang gingen diplomatische Noten hin und her. Dann beschloss der Oberste Gerichtshof in Caracas: Als venezolanischer Staatsbürger könne der Tatverdächtige nur in Venezuela vor Gericht kommen.

Irina T. will nicht darüber erzählen, wie Dahud O. sie in Würzburg nach der Trennung auf Schritt und Tritt verfolgt hatte – und sogar ihren PC angezapft hatte, um E-Mails und Telefonate abzugreifen. Sie ist aus Würzburg weggezogen und hat in einer anderen Stadt ein neues Leben begonnen. Das bayerische Landeskriminalamt bat diese Redaktion, Kontaktaufnahmen zu ihrem Schutz zu unterlassen. Nun aber kommt sie um eine Aussage vor Gericht nicht mehr herum.
Fränkische Fahnder sind zum Prozess in Caracas nicht geladen
Spanisch sprechende Medien äußerten den Verdacht, in Caracas werde nur die Farce eines Prozesses stattfinden. Tatsächlich erhielt nicht einmal Anwalt Victor Salas, der dem mutmaßlichen Mörder mit Privatermittlern nachspürte, nach eigenen Angaben eine Ladung. Erst durch den Anruf eines Staatsanwaltes erfuhr er kurzfristig davon – und sagte unter hohen Sicherheitsvorkehrungen vier Stunden lang aus. Dahud O. sei verärgert über seine Anwesenheit gewesen, von der er zuvor nichts erfahren habe, sagte Salas der spanischen Nachrichtenagentur EFE.
Die Würzburger Ermittler erfuhren vom Prozess in Caracas erst durch den Anruf dieser Redaktion. "Eine Ladung ist weder hier noch bei der KPI Würzburg eingegangen", sagt Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach auf Anfrage – und bedauert: "Eine Vernehmung von Würzburger Ermittlern ist wohl nicht beabsichtigt."
Dafür singen – wenn man der Nachrichtenagentur EFE glaubt – sieben spanische Ermittler im Zeugenstand auch das Lob ihrer deutschen Kollegen und wie sie in Würzburg das Alibi von Dahud O. haben auffliegen ließen. Die Aussage von Irina T. wird mit Spannung erwartet. Danach soll bald ein Urteil fallen.