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WÜRZBURG: Mächtige Tochter, neidische Mutter

WÜRZBURG

Mächtige Tochter, neidische Mutter

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    WVV-Kernstück und Schmuckstück: Das Heizkraftwerk an der Friedensbrücke ist die tragende Säule der Konzernfinanzierung. Die neuen  Gas- und Dampfturbinen erforderten große Investitionen.
    WVV-Kernstück und Schmuckstück: Das Heizkraftwerk an der Friedensbrücke ist die tragende Säule der Konzernfinanzierung. Die neuen Gas- und Dampfturbinen erforderten große Investitionen. Foto: Foto: thomas obermeier

    Ob das Haushaltsvolumen einer Großstadt mit der Bilanzsumme ihres öffentlichen Konzerns vergleichbar ist, sei dahingestellt. Jedenfalls lag die Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) im Jahr 2013 mit 405,3 Millionen Euro knapp über dem Gesamtetat von 402,7 Millionen der Stadt Würzburg für 2015. Der mächtige WVV-Konzern als hundertprozentige Tochter der Stadt – wie selbstbewusst kann er auftreten und geführt werden?

    Vor wenigen Tagen hat die Stadt ohne öffentliche Begleitmusik Thomas Schäfer für weitere fünf Jahre von 2016 bis Ende 2020 zum alleinigen Geschäftsführer des städtischen Konzerns bestellt. Schäfer – ein manchmal fast unnahbar wirkender Manager, wie ein Titan in der emotionalen politischen Landschaft. Und eines kann er gut: Dem Stadtrat ernüchternde Zahlen um die Ohren schlagen. Zum Beispiel, wenn es um die Straßenbahnlinie zum Hubland geht. Da war Schäfer in der Vergangenheit des öfteren für eine Überraschung gut.

    WVV-Führung meist ein Politikum

    Ein einziger WVV-Chef allein an der Konzernspitze – eine Situation, wie es sie über Jahrzehnte nicht gab. Die WVV-Führung war in der Vergangenheit meist ein Politikum. Nicht selten kam es darüber zum massiven politischen Schlagabtausch.

    Spätestens seit Oberbürgermeisterin Pia Beckmann (CSU), fortgesetzt von OB Georg Rosenthal (SPD) und nun unter OB Christian Schuchardt (CDU), der als Stadtkämmerer tiefe Einblicke in den Konzern hatte, gibt es Tendenzen, der Stadt wieder mehr Einfluss auf die WVV zu verschaffen. „Nur“ ein einzelner Geschäftsführer für einen wachsenden Konzern mit ständig neuen Aufgabenbereichen, das wird von Insidern als ein Schritt in diese Richtung gesehen. Dafür wurde die zweite Führungsebene der WVV noch weiter in die Verantwortung einbezogen.

    Wie wichtig der Konzern für die Stadtpolitik und die Stadtentwicklung ist, lässt sich leicht mit Zahlen belegen. Die WVV trägt im Konzernverbund alljährlich das Defizit des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in einer Größenordnung von zuletzt 16,4 Millionen Euro (2013). Hinzu kommen Konzessionsabgabe in Millionenhöhe, Gewerbesteuer und Gewinnabführung. In „fetten Jahren“ flossen da schon einmal bis zu 30 Millionen Euro an die Stadt. Mit der Übernahme der städtischen Bäder entfällt seit 2013 die Gewinnabführung.

    Die WVV war auch sonst immer gut für hochpolitische Themen. Zum Beispiel die Erhöhung des Schornsteins am Heizkraftwerk um 15 Meter: In Zeiten der „Hochschornstein-Politik“ ging es darum, Schadstoffe durch höhere Kamine möglichst weiträumig zu verteilen. Oder die dramatische Entscheidung für zwei neue Gasturbinen mit Investitionen von mehr als 100 Millionen Euro. Die Zins-Swaps bewegten jahrelang die Gemüter, weil bei den Millionen-Verlusten sowohl die Geschäftsleitung als auch die Aufsichtsräte aus dem Stadtrat in der Verantwortung standen.

    Konzern hilft im Stillen

    Das hat den erfolgreichen Konzern nicht umgehauen. Die Kommunalpolitiker, ständig zum Sparen gezwungen, konnten mit neidischen Blicken auf das erfolgreiche Tochterunternehmen auf den Gedanken kommen, den einen oder anderen Wunsch Richtung WVV abzudrücken. Dies ist vielfach in den Bereichen Kultur und Sport geschehen. Eines der heiß diskutierten Beispiele war vor Jahren ein neuer Rasen für das Kickers-Stadion, als die Nationalmannschaft von Ghana in Würzburg für die Weltmeisterschaft trainierte. Viel von dem, wo der Konzern der Stadt hilft, gelangt gar nicht an die Öffentlichkeit.

    Der Wunschliste der Stadt an die WVV war und ist immer groß. Natürlich wollte man im Rathaus beim Umwelt- und Klimaschutz in der oberen Liga mitspielen. Nur kosten sollte er am besten nichts. Also schielt die Stadt gerne auf ihre Töchter WVV oder Stadtbau, um positive Schlagzeilen zu machen. Dankbar war man, als die Direktoren Wolf und Utschig den „Umweltkonzern“ ins Leben riefen, sogar mit einem feschen Logo. Auf Mainfranken-Messen wurde geklotzt und die Werbetrommel gerührt. Der Neid auf den solventen Konzern war mitunter groß. Zwar stöhnte die WVV oft unter der großen Last des ÖPNV-Defizits – an den Begehrlichkeiten aus dem Rathaus änderte dies nichts. Die Kommunalpolitik forderte Gewinne geradezu ein, als es der Stadt besonders schlecht ging.

    Unter dem Vorzeichen der reinen Versorgung sind die Stadtwerke in der Aufbauzeit nach dem Krieg unter Direktoren wie Willibald Jansen, Josef Bünner, Erwin Ott und Paul Beyer angetreten und ständig gewachsen. 1965 wurde der Eigenbetrieb Stadtwerke in eine AG umgewandelt – mit OB Helmuth Zimmerer als ersten Aufsichtsratsvorsitzenden. Ab 1966 wurden Hallenbad und Dallenbergbad im Auftrag der Stadt geführt. Im gleichen Jahr übernahm die WVV 74 Prozent der Stammanteile der Straßenbahn.

    In den siebziger Jahren gab es lange Zeit drei Direktoren. Man leistete sich in der Chefetage mit dem damaligen Bezirkstagspräsidenten Franz Gerstner einen Juristen, ein CSU-Mann. Als Fraktionsvorsitzender im Stadtrat war er höchst umstritten neben Hans Kiefer, der den kaufmännischen Part verantwortete, und dem wertkonservativen Helmut Stumpf, einem Techniker, der auch die zukunftsorientierte Kraft-Wärme-Koppelung am Heizkraftwerk an der Friedensbrücke, das immer die wirtschaftlich tragende Säule des Konzerns war, mitbegründete.

    Ein heftig kritisierter Deal

    War die WVV-Führung schon zuvor ständig im politischen Visier – ab 1985 wurde die Konzernspitze gänzlich politisch eingerichtet. Damals noch als SPD-Mann wollte Oberbürgermeister Klaus Zeitler den Gewerkschaftsfunktionär und diplomierten Kaufmann Herbert Wolf durchsetzen, was die CSU-Stadtratsmehrheit nur mittrug, indem auch ihr Stadtrat Karlheinz Utschig in die WVV-Spitze wechselte. Wolf war damals Fraktionsvorsitzender der SPD, Utschig bei der CSU. Ein Deal, der zwar heftig kritisiert wurde. Doch die Zeit heilte die Wunden.

    Der erfolgsorientierte und politisch denkende Herbert Wolf führte den Konzern in eine neue, offensive Zeit. Es wurden in diesen Zeiten Personalentscheidungen möglich, die heute kaum noch vorstellbar sind. Die WVV-Juristin Claudia Strobel wurde Kulturreferentin der Stadt und verschwand später sang- und klanglos wieder im WVV-Personalkörper. Ein Kapitel, das heute keiner mehr kommentieren will.

    Im Rathaus wurde die ziemlich selbstständige Führung der WVV und die öffentliche Präsentation des Erfolgs mit Argwohn beobachtet. Oberbürgermeister Jürgen Weber und der selbstbewusst auftretende WVV-Direktor Herbert Wolf wurden weder vor noch hinter den Kulissen Freunde. Als Weber abgewählt und die Rathausspitze durch Pia Beckmann neu besetzt wurde, fühlte Wolf zunächst für seine Geschäftspolitik Rückenwind aus dem Rathaus. Doch der verflog ziemlich bald, als Beckmann das Ruder im Grafeneckart fester in die Hand nahm und den politischen Wind, der damals noch aus der Bahnhofstraße wehte, zu spüren bekam.

    Nach fachlichen Kriterien besetzt

    Als die Vertragsverlängerung für Utschig und Wolf 2005 anstand, sorgte die Oberbürgermeisterin dafür, dass Wolf nicht mehr zum Zuge kam. Die Besetzung der WVV-Geschäftsführer wurde öffentlich ausgeschrieben. Mit Thomas Schäfer und Norbert Menke gab es eine kompetente Besetzung nach fachlichen Kriterien. Menke schied 2011 vorzeitig aus der Chef-Etage der WVV in Würzburg aus. Er ist heute Chef des Stadtkonzerns Leipzig mit 4800 Mitarbeitern.

    Thomas Schäfer ist geblieben. Mit ihm an der Spitze soll die WVV auch in den kommenden Jahren ihren Versorgungsauftrag „bestmöglich erfüllen“.

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