Schimmernde Farben, seidige Stoffe, aufwendige Frisuren und elegante Tänze – das macht die Folklore-Gruppe „Samt und Seide“ aus Randersacker aus. 200 Tänze aus verschiedenen Ländern und verschiedenen Epochen haben die zehn aktiven Mitglieder der Tanzgruppe zu bieten – von der bayerischen Folklore über litauische Tänze bis hin zu einem Menuett aus dem Jahre 1715. Doch zuhause in Unterfranken sind sie derzeit nicht anzutreffen. Die nächsten drei Tage sind sie in Ludwigsburg. Dort nimmt die Gruppe ab diesen Freitag, 7. September, bis Sonntag, 9. September, an der Venezianischen Messe teil. Sie machen an der Künstlerprozession durch die Innenstadt zu Beginn der Messe mit und mischen sich anschließend unter das feiernde Volk.
Die sieben Frauen und drei Männer tanzen bereits seit 35 Jahren zusammen. Manchmal muss auch eine Frau in die Männerrolle schlüpfen, damit sie als Paare auftreten können. Ab und zu kommen andere Mitglieder hinzu, aber der harte Kern aus zehn Tänzern trifft sich jeden Dienstag in Randersacker, um zu trainieren. Angefangen hat alles mit fränkischen Tänzen. Doch das reichte ihnen nicht. Mit den Jahren kamen weitere Folklore-Tänze und auch historische Tänze mit den prunkvollen Kostümen dazu. Vor 20 Jahren ist die Gruppe dann zum ersten Mal nach Venedig gefahren. „Wir waren einen Tag dort, doch wir haben Blut geleckt“, sagt Sonja Sophia Weinsheimer aus Randersacker. Aus einem Tag wurden zwei Tage Venedig und mittlerweile fährt die Gruppe jedes Jahr vier Tage lang in die Karnevalsstadt. Da ist es für alle Mitglieder klar, dass sie auch nach Ludwigsburg auf die Venezianische Messe fahren.
„Entweder liebt man es oder man verteufelt es“, sagen die Hobby-Tänzer einstimmig über Venedig. Es sei eben sehr voll. „Aber wir haben mit unseren Kostümen immer viel Platz, wenn wir durch die Menge laufen“, sagt Maria Gwosdek. Die 55-Jährige aus Gerbrunn leitet die Gruppe seit über 30 Jahren und ist für die Choreografien zuständig. Sie berichtet, dass die Gruppe auf Veranstaltungen, wie in Venedig oder in Ludwigsburg, ständig von Besuchern angehalten und fotografiert wird. „Wenn wir für jedes Foto einen Euro bekämen, dann hätten wir für ein paar Jahre ein gutes Leben gehabt“, scherzt Claus-Dieter Feser aus Kitzingen.
Es ist viel Leidenschaft dabei, wenn die Gruppe erzählt. Ihre Kostüme aus der Zeit der Renaissance, des Barock oder auch Dirndl und Trachten aus aller Welt, nähen die Tänzer selbst. Beim ersten Besuch in Venedig vor 20 Jahren waren es noch alte Theaterkostüme und Hochzeitskleider. Aber das ist heute Geschichte. Jedes Kostüm wird mit Liebe zum Detail angefertigt. „Ein Kostüm ist nie fertig, immer wieder verändert man etwas“, sagt Weinsheimer, die seit ihrem zwölften Lebensjahr in der Gruppe tanzt. Außerdem müssten die Kostüme im Sommer wie im Winter einsetzbar sein. „Wir müssen auch andere Kleidung drunter ziehen können, wie Thermounterwäsche – sonst kann es im Februar schnell kalt werden“, erklärt Gwosdek.
Früher seien die Kleider sehr unbequem gewesen, so historisch getreu näht die Gruppe ihre Kostüme nicht. Klaus Amendt aus Kitzingen fertigt oft die Kostüme an. „Je nach Aufwand und Zeit, die man neben dem Beruf hat, näht man schon mal acht Wochen an einem Kostüm“, berichtet der 45-Jährige. Ganz billig ist das Hobby allerdings nicht: Ein Hut kann schon einmal 300 Euro kosten. Und für ein gutes Kleid braucht es dann auch zehn Meter Stoff. „Wenn man Glück hat findet man Stoff für 200 bis 300 Euro, aber es kann auch 1000 Euro kosten“, sagt Gwosdek. „Hobby kostet eben Geld. Aber es macht großen Spaß und gerade die Kostüme sind das Besondere an unserem Hobby“, sagt Alma Präger aus Würzburg.
Kostüme, die im Internet angeboten werden, sind nichts für die Gruppe. „Die Sachen müssen qualitativ hochwertig und strapazierfähig sein, weil man sich beim Tanzen ständig bewegt“, erklärt Weinsheimer. Für die Damen sei der Unterrock das A und O. „Wenn der Reifrock nicht passt, passt auch das Kleid nicht – egal wie gut es genäht ist.“
Auf die Frage, wo die Kostüme aufbewahrt werden, lachen die Mitglieder. Einen eigenen Schrank brauche man mindestens, sagen sie. „Ach was, ein ganzes Zimmer“, wirft ein anderes Mitglied lachend ein.
Die Mühe und die Kosten werden aber auch belohnt. In Ludwigsburg bekomme die Gruppe „Samt und Seide“ immer Applaus von den Besuchern. „Wenn der Rahmen da ist – zum Beispiel in der Würzburger Residenz – dann ist das toll“, sagt Elke Ising aus Rittershausen. „Wir sind eben eine Attraktion, wenn wir auftreten“, sagt Gwosdek. Erst jüngst haben sie beim Barbarossa Spectakulum auf der Marienfestung teilgenommen. „Auf solchen Veranstaltungen oder auf Messen baut man sich auch ein Netzwerk mit Gleichgesinnten auf“, erklärt Weinsheimer.
Die Gruppe sei fast jedes Wochenende unterwegs auf Veranstaltungen, erzählt Maria Gwosdek. Daher sei man eben auch mehr als nur eine Tanzgruppe. Seit 35 Jahren verbringen die Mitglieder fast jedes Wochenende miteinander. „Wir sind heute einfach gute Freunde und treffen uns auch privat.“ Die Familien hätten Verständnis und würden sie auch oft zu den Veranstaltungen begleiten.
Nur der Nachwuchs fehlt der Gruppe – wie vielen anderen Vereinen auch. Allerdings: „In unserer Gruppe ist es wichtig, regelmäßig dabei zu sein wegen der Choreografien“, macht Gwosdek deutlich. Doch über Interessierte freut sich die Gruppe „Samt und Seide“ immer.
Kontakt: Wer Lust hat mitzumachen, kann sich bei Maria Gwosdek, Tel. (09 31) 70 74 49, melden.
Weitere Infos zur venezianischen Messe in Ludwigsburg: www.venezianische-messe.de.