Eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen statt sieben Monate Haft ernteten zwei Anwälte, die in Würzburg bereits zum vierten Mal für den gleichen Fall auf der Anklagebank saßen. Millionenbetrüger Helmut Kiener hatte sie 2009 für seine Verteidigung bezahlt – mit Geld von einem Geheimkonto, um das er seine Kunden betrogen hatte.
Der Fall liegt lange zurück, hat die Angeklagten beruflich und gesundheitlich belastet. Und im langen juristischen hin und her gab es Fehler auch von Seiten der Justiz. Dennoch konnte sich Staatsanwalt Hubert Stühler nicht zu der Anregung des Gerichts durchringen, die Einstellung des vorgeworfen Teils einer vollendeten Geldwäsche vorzuschlagen. Stattdessen schlug er am Ende vierstündiger Erörterungen ein Urteil am untere Rand des möglichen vor: eine moderate Geldstrafe von 120 Tagessätzen für beide Anwälte.
Das Gericht folgte dem Vorschlag der Staatsanwaltschaft. Verteidiger Christian Mulzer hatte in seinem Plädoyer eine Verwarnung für die Angeklagten vorgeschlagen. Sein Kollege Hanjo Schrepfer wies einen anderen Weg: der Staat habe für den Teil der vollendeten Geldwäsche seinen Strafanspruch verwirkt. Das Gericht könne von sich aus diesen Teil einstellen. Dieses Urteil könnte bedeuten, dass der Fall wieder nicht beendet wird. Beide Verteidiger behielten sich die Möglichkeit einer erneuten Revision am Freitag vor. Das Verfahren dreht sich bereits seit vier Jahren im Kreis und landete jetzt zur dritten Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Würzburg. Was es zusätzlich kompliziert macht: Mehrere eigentlich dafür zuständige Richter dürfen ihn nicht verhandeln, weil sie zuvor als Staatsanwälte mit dem Kernverfahren gegen Grossbetrüger Helmut Kiener befasst waren.
Vier verschiedene Gerichte haben sich (teilweise schon mehrfach) mit dem ungewöhnlichen Fall befasst - zuletzt auch das Bundesverfassungsgericht. Der Fall findet Interesse bei Juristen weit über Würzburg hinaus, weil er einen ehernen Grundsatz des deutschen Strafrechts berührt: das Recht auf Verteidigung für jeden vor Gericht. „Einerseits hat jeder Angeklagte das Recht auf Verteidigung, andererseits dürfen Verteidiger von einem Angeklagten kein Honorar annehmen, wenn es direkt aus seiner Beute stammt - ein kniffliges Problem,“ sagt Mulzer. Dabei geht es um Vorgänge, die sieben Jahre zurück liegen. Der in Aschaffenburg lebende Helmut Kiener – nach einem internationalen Großbetrüger-Vorbild als „Mini-Madoff“ bekannt geworden – war im Sommer 2011 in Würzburg zu einer Haftstrafe von knapp elf Jahren verurteilt worden. Er hatte mit einem Schneeballsystem und manipulierten Fonds 5000 Kleinanleger und Banken um rund 300 Millionen Euro geprellt. Inzwischen hat er einen Großteil der Strafe verbüßt, ist auf freiem Fuß. Kiener betonte kürzlich in einem Fernseh-Interview, er sei geläutert. Im Interview in der Kanzlei seines Würzburger Anwalts erwähnte er auch den jetzt laufenden Prozess.
"Notgroschen" in Höhe von 250.000 Euro
Kurz nach ihm standen 2009 Kieners Ehefrau und zwei Rechtsanwälte vor Gericht, die sich nach seiner Festnahme um seine Rechte kümmern sollten. Das Problem war ihr Honorar. Kieners Konten waren bereits gesperrt. Doch der fürsorgliche Ehemann hatte auf den Namen seiner Frau in der Schweiz 250 000 Euro als Notgroschen „geparkt“. Daran erinnerte sich die Lehrerin und holte vom Geheimkonto „Heckenrose“ 50 000 Euro. Nachdem andere Finanzquellen durch die Ermittlung verstopft waren, versuchten die Anwälte eifrig, weiteres Geld von diesem Konto zu holen. Dies brachte Ermittler auf ihre Fährte. Die Staatsanwaltschaft vertrat die Auffassung: Das Geld, um das Kiener seine Kunden betrogen hatte, stehe Geschädigten zu. Und Anwälte dürften sich nicht mit Geld honorieren lassen, das es aus kriminellen Geschäften stammt. Das Trio wurde der Geldwäsche angeklagt. Strafbefehle über sechs Monate Haft mit Bewährung für Frau Kiener und zehn Monate für die zwei Anwälte akzeptierten die Beschuldigten ebenso wenig wie eine erste Verurteilung vor Gericht. Doch das Urteil enthielt formale Fehler. In zweiter Instanz säten die Verteidiger heftige Zweifel daran, ob ihre angeklagten Anwalts-Kollegen schon zum frühen Zeitpunkt der Ermittlungen von der dubiosen Herkunft des Geldes wissen konnten. Die Staatsanwältin hielt mit abgehörten Telefonaten dagegen. „Für mich ergibt sich der Eindruck, dass sich die Angeklagten der Herkunft bewusst waren“, sagte sie. Am Ende überzeugte sie das Gericht mehr als die Verteidiger. Wieder hieß es „schuldig“ für alle drei. Ein Argument der Verteidiger: Die deutsche Staatsanwaltschaft hat auf Geld auf Schweizer Konten keinen Zugriff. Doch im Fall Kiener hatten die Schweizer Behörden in der Überweisung auf das deutsche Konto der Anwälte keinen in der Schweiz strafbaren Tatbestand gesehen. „Ob deshalb die Verurteilung wegen Vereitelung der Sicherstellung (Geldwäsche) nach deutschem Recht angebracht ist, war die Frage,“ sagte Mulzer. Das Verfassungsgericht nahm 2015 den Fall nicht zur Verhandlung an. Doch es stärkte in einem Beschluss die Rechte von Strafverteidigern: Juristen machen sich bei Annahme von Honoraren aus illegalen Geschäften ihrer Mandanten nur dann strafbar, wenn sie die Herkunft des Geldes sicher kennen, hieß es in Karlsruhe. Zwar betonten die Verfassungsrichter: „Die Verurteilung durch das Landgericht wegen wissentlich begangener Geldwäsche ist im Ergebnis von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.“ Doch in der Praxis heißt das: Beim Strafmaß hätten die Würzburger Richter die Haltung des Verfassungsgerichts strafmildernd mit berücksichtigen müssen.