Ein Kreuz, Kerzen und ein paar rote Tücher – Björn Engel und Benjamin Tremmel brauchen nicht viel: Die Ruhe ist schon da. Die beiden rücken noch Stuhlreihen zurecht, da breitet sie sich schon aus. Und nachdem zwei junge Frauen die letzten der aufgestellten Teelichter angezündet und Platz genommen haben, senkt sie sich leise über alle Anwesenden.
Knapp 50 Teilnehmer erwarten Engel und Tremmel einmal im Monat sonntagabends im „Haus der Kirche“ der Pfarreiengemeinschaft Sanderau. Sie halten jeweils eine Kerze und ein schmales Liederheft in den Händen. Nach einer kurzen Begrüßung stimmen sie das erste Lied an: „Meine Hoffnung, meine Freude“ heißt es und gehört zu den bekanntesten Liedern der ökumenischen Communauté de Taizé, benannt nach dem französischen Ort nördlich von Cluny, der tausende Menschen aus aller Welt begeistert. Nicht, weil er so malerisch zwischen den Feldern liegt, sondern weil sie dort in der „Versöhnungskirche“ der Gemeinschaft etwas finden, das ihnen nirgendwo sonst begegnet ist.
Björn Engel gehört zu diesen Menschen. Der 22-Jährige, der eine Ausbildung zum Fachinformatiker macht, war schon viele Male in Taizé. „Ich weiß nicht was, aber irgendwas hat mich innerlich so gepackt, dass ich in manchem Jahr sogar zweimal nach Taizé gefahren bin“, sagt er. „Diese Zeit hat mich sehr gestärkt und geprägt.“ Mit den Liedern von dort könne er gut zur Ruhe kommen. „Und manchmal habe ich dabei auch das Gefühl einer Gelassenheit, dass Gott da ist.“
In Taizé gibt es keinen Krieg zwischen Konfessionen oder Ländern
In Taizé gebe es keinen Krieg zwischen Konfessionen oder Ländern. „Jeder wird dort so angenommen, wie er ist.“ Diesen Frieden wollte Björn nach Würzburg bringen. Zusammen mit der damaligen Gemeindereferentin organisierte er im Frühjahr 2014 zum ersten Mal das Taizé-Gebet in der Sanderau. Wenig später stieß auch der 32-jährige Benjamin Tremmel dazu, der im Missionsprokurat der Klaretiner arbeitet.
Die kleine Gruppe gab sich viel Mühe. Sie bestellten Liederhefte, druckten Textblätter und bereiteten in ihrer Freizeit die Gebete vor. Es kamen aber immer nur etwa zehn, höchstens 20 Leute. Als die Gemeindereferentin Ende 2016 in die Gefängnisseelsorge wechselte, stand das Taizé-Gebet auf der Kippe. Lohnte sich die Arbeit überhaupt? Engel und Tremmel entschieden sich, weiterzumachen. Außerdem bestellten
„Hier spüre ich eine Gemeinschaft, ohne reden zu müssen.“
Daniela, Besucherin des Taizé-Gebets in St. Adalbero
sie zwei große Banner. „Sonntag Taizé-Gebet“ steht darauf. Vor der Kirche aufgespannt kündigen sie den Abend schon einige Tage vorher an. Seither ist der Saal jeden Monat voll.
„Uns sind die Liederbücher ausgegangen“, sagt Engel „Damit hätten wir nie im Leben gerechnet.“ Hierzulande herrsche häufig die Meinung, dass junge Menschen mit dem Thema Glauben nichts mehr anfangen können, erklärt Tremmel „Das stimmt nicht, meine ich. Die jungen Menschen sind auf der Suche“, sagt er. „Und das Taizé-Gebet bietet die Möglichkeit, Gott unverstellt kennenzulernen: als einen der Liebe.“
Die Anwesenden sind vertieft in die Gesänge. „Hier kann ich mich fallen lassen“, erzählt Daniela später. Sie ist über Freunde zum Taizé-Gebet gestoßen. „Hier spüre ich eine Gemeinschaft, ohne reden zu müssen“, sagt sie. Genauso geht es Anna: „In der Kirche fühle ich mich als junger Mensch oft einsam“, sagt sie, „hier aber nicht.“
Tremmel lächelt, als er das hört. „Diejenigen, die sich sonntagabends um 19 Uhr dazu aufraffen zum Taizé-Gebet zu kommen, gehen da nicht aus Pflichtgefühl hin“, sagt er. Sie suchten die Stille, die meditativen Gesänge, die Möglichkeit für die freien Fürbitten: „Das Modell Taizé trifft da offensichtlich einen Nerv der Zeit.“
Stichwort: Taizé Die ökumenische Gemeinschaft von Taizé erlangte internationale Berühmtheit, als dort seit den 60er Jahren Woche für Woche immer mehr junge, auch nicht-gläubige Menschen zusammenkamen, um zu beten. Gemeinsam mit den Brüdern der Gemeinschaft sangen sie die charakteristischen Gesänge, die inzwischen auch in kirchlichen Gesangbüchern zu finden sind. Im August 2005 wurde Frere Roger Schutz, der Gründer der Gemeinschaft, von einer psychisch kranken Frau mit einem Messer tödlich verletzt. Sein Nachfolger Frere Alois Löser führt das Grundprinzip von Taizé fort: „Wir wollen vor allem Menschen sein, die anderen zuhören. Wir sind keine Lehrmeister.“ Die nächsten Taizé-Abende finden in Würzburg statt an den Sonntagen, 30. April, 21. Mai, 25. Juni und am 17. September im „Haus der Kirche“ bei St. Adalbero statt. Taizé-Gebet: Außerdem gibt es jeden Dienstag während des Semesters ein Taizé-Gebet in der Kapelle der Würzburger Katholischen Hochschulgemeinde (KHG).