Lengfeld
Holger Schubert, Sozialpädagoge in der Würzburger JVA, ist spürbar begeistert von dem Experiment. Weil es eigentlich nur mehrfachen Nutzen bringen kann, sollte es gelingen. Ähnlich wie in der Innenstadt hatte man alles versucht, die teils mehr als 100 Tauben los zu werden. Schutznetze halfen ebenso wenig wie ein Taubenhaus, wo man nach dem Stadtmodell die neue Brut durch Wegnahme von Eiern verhindern wollte. Das Taubenhaus wurde nicht angenommen.
Als ein in Lengfeld beheimateter Wanderfalke auf dem JVA-Gelände eine Taube schlug und Unruhe in die Taubenkolonie kam, gab es die Idee, auf eigenem Gelände Falken anzusiedeln. Die örtlichen Vertreter vom Landesbund für Vogelschutz wurden konsultiert. Sie prognostizierten durchaus große Erfolgsaussichten, weil im Raum Würzburg sechs und mehr Brutpaare registriert sind. Die Chancen für „eigene“ Knast-Falken werden von den Experten als nicht gering eingeschätzt. Zumal es hier um ein ziemlich sicheres Revier mit relativ viel Ruhe handlet.
„Das sollten sie mal sehen, wenn dann die kleinen Entenküken sich um den Weiher tummeln, da werden viele wachsweich“
Holger Schubert Sozialpädagoge in der Justizvollzugsanstalt
Jetzt sind in der Gefängnis-Schreinerei sechs Nistkästen gebaut worden. Ein kleines Ereignis, an dem sich auch mehrere Gefängnis-Insassen begeistern konnten. Vielleicht kann man ja, und wenn es nur aus dem vergitterten Fenster der Zelle ist, irgendwann einmal sogar den Erfolg beobachten. Hier ist fast jede Abwechslung im Alltag interessant und willkommen, egal was es ist.
Die Chance jedenfalls, dass das Projekt gelingt, ist nicht gering. Zumal Wanderfalken hier schon jagen. Das insgesamt 14 Hektar große Gelände ist auch ein ruhiges Revier für die Falken und gut von Störenfrieden jeder Art geschützt. Neben den Tauben gibt es innerhalb und außerhalb der Gefängnismauern auch jede Menge Beute. Kein Unberechtigter kommt an die Gelege der Falken ran. Ein großer Vorteil, so Holger Schubert. Andernorts versuchen Taubenzüchter, die Brut zu verhindern, außerdem sind die Eier ein begehrtes und wertvolles Objekt für arabische Länder, wo die Falknerei sehr heimisch ist.
Auch Eulen willkommen
Natürlich wird nicht erwartet, dass alle Kästen belegt werden. „Wir freuen uns auch auf Eulen“, so Schubert. Denn Mäuse und Ratten gibt es in diesem Revier auch genug. Das hat seinen Grund. Nicht wenige der Insassen genießen es, Brot oder andere Speisereste nach den Mahlzeiten durch ihre Zellenfenster nach draußen zu schieben, um dann das Treiben der hungrigen Tiere wenigstens für eine kurze Zeit beobachten zu können. Natürlich wurde baulich einiges unternommen, dass solche Fütterungen nicht überhand nehmen. Schließlich wird damit auch Ungeziefer wie Mäuse und Ratten angezogen. Die Gefängnis-Leitung wird es aber wohl auch nicht ganz verhindern.
Für Tiere kann man offenbar das Herz sehr vieler der rund 700 Inhaftierten erwärmen. Deshalb ist auch dieses Experiment für die Insassen, die bis zu vier Jahren verurteilt sind, eine interessante Abwechslung. Zu früherer Zeit wurden auch schon Nistkästen für Singvögel angebracht. Die Außen- und Innenmauern mit Stacheldraht lassen es natürlich nicht zu, dass Vierbeiner wie Mäuse und Ratten im Innenbereich des Gefängnisses Fuß fassen.
„Wer fliegen kann, wird aber schnell bei uns heimisch“, meint Holger Schubert schmunzelnd. Da verweist er auf die rund 40 bis 50 Enten, die sich in der wärmeren Jahreszeit im JVA-Löschteich tummeln und auch im Gefängnis brüten. „Das sollten sie mal sehen, wenn dann die kleinen Entenküken sich um den Weiher tummeln, da werden viele wachsweich“.
Wenig Natur für die Häftlinge
Die ganz harten Straffälligen sind in Würzburg ohnehin nicht inhaftiert. Es sind viele Untersuchungshäftlinge hier, darunter etwa 80 Frauen. Das Gefängnis ist im Moment überbelegt wie alle Haftanstalten in Bayern. Und es sollte niemand auf die Idee kommen, dass es allzu viele Möglichkeiten für die Häftlinge gibt, das bisschen Natur ausgiebig zu genießen. Die Zeiten draußen im Freien sind streng geregelt und knapp bemessen.