An diesem Montag, 1. September, starten rund 1300 junge Menschen im Raum Würzburg in einen neuen Lebensabschnitt. Auch Elena Hupp (18 Jahre) aus Höchberg beginnt am Montag mit ihrer handwerklichen Ausbildung. Im Hutladen von Maria Helpster in der Augustinerstraße erlernt die Schulabgängerin den Beruf der Modistin. Modisten, früher als „Putzmacher“ bezeichnet, gestalten Kopfbedeckungen für Frauen.
Weil außer ihr voraussichtlich bayernweit nur vier weitere Auszubildende das Gleiche lernen, wird die junge Frau, die im August zu ihrem Freund nach Rimpar umgezogen ist, die Berufsschule in München besuchen. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen füllt sie die Klasse der Schneider auf.
Auf ihren eher ungewöhnlichen Ausbildungswunsch kam Elena Hupp wie viele andere Schulabgänger auch: durch ein Praktikum. „Bei uns an der Montessori-Fachoberschule war es Pflicht, in der elften Klasse mindestens vier Praktika zu absolvieren,“ erzählt sie. Da sie den künstlerischen Zweig gewählt hatte, bekam sie Vorschläge für Praktika im kreativen Bereich, darunter auch beim Hutsalon Fuchs.
„Ich hatte bis dahin so gar keine Idee, wo ich beruflich hin will. Aber als ich dort hinkam, hat es mir gleich großen Spaß gemacht“, erzählt Elena Hupp. Im Anschluss an das Praktikum habe sie sogar nachts von einer Ausbildung dort geträumt. „Ein schöner Traum . . .“
Weil die folgenden Praktika, darunter auch ein vierwöchiges in einer T-Shirt-Druckerei in Schottland sowie eines im Büro des Verbandes Textil und Modedesign, bei Elena Hupp keinerlei Begeisterung weckten, entschied sie sich, mit der Mittleren Reife in der Tasche, eine Ausbildung zu beginnen, statt das Fachabitur anzugehen.
Ihre Mutter Ute Hupp musste Elena von diesem Wunsch gar nicht erst überzeugen: „Sie war gleich begeistert von meinem Entschluss.“ „Natürlich hätte ich es schon gerne gesehen, dass sie erst das Abitur macht“, sagt hingegen Elenas Vater, Jürgen Hupp. „Aber ich habe Vertrauen in meine Tochter und bin sicher: Sie wird ihren Weg gehen.“
Ihm sei es vor allem wichtig, dass seine Tochter etwas tut, woran sie Spaß hat. Er, selbst Zahntechniker, wünscht sich für sie, „dass sie den Beruf auch als Berufung sehen kann.“ Das ist wohl so, denn Geld lässt sich auf dem Weg zur Modistin nicht viel verdienen. „Im ersten Jahr bekomme ich 375 Euro und im dritten Lehrjahr 410 Euro Ausbildungsvergütung“, weiß Elena Hupp.
Da der Hutsalon Fuchs selbst nicht ausbildet, hat die dortige Chefin Elena ihrer Kollegin Maria Helpster empfohlen. Diese hatte in den letzten Jahren bereits sechs Auszubildenden den Start ins Berufsleben ermöglicht. Und zeigte sich schnell bereit, auch der Höchbergerin das Einmaleins der Modistin beizubringen.
„Meinen ersten selbst gemachten Hut habe ich schon oft getragen.“
Elena Hupp Auszubildende
„Modisten“, sagt sie, „müssen etwas Besonderes, Spezielles haben.“ Und genau das, Individualität und eine Ader für Besonderes, habe sie bei ihrer künftigen Schülerin gefunden. „Sie hatte schon immer eine ganz individuelle Art, sich zu kleiden“, stimmt der Vater ihren Beobachtungen zu. Auch wenn Hüte bisher eher nicht unbedingt dazu gehörten. „Aber meinen ersten selbst gemachten, den habe ich schon oft getragen“, sagt die 18-Jährige stolz.
Einen einfachen Weg zum beruflichem Erfolg, da wiederum ist sich die Ausbilderin mit dem Vater einig, hat sich die 18-Jährige nicht ausgesucht: „Die meisten meiner Auszubildenden haben die Lehre bei mir eher als Sprungbrett genutzt.“ Eine studierte hinterher Design an der Fachhochschule, eine andere, Halbfranzösin, lebt und arbeitet heute als Sprachlehrerin in Paris und unterhält daneben einen Online-Shop unter anderem für Damenhüte, eine ist bei der gebürtigen Rheinland-Pfälzerin geblieben und arbeitet nach wie vor im Hutladen mit, alle anderen haben komplett das Tätigkeitsfeld gewechselt. Beruflich gut untergekommen aber seien sie alle.
Dass man sich durchbeißen kann und sich manchmal ungeahnte Möglichkeiten auftun, davon kann Maria Helpster selbst ein Lied singen. Nachdem sie schon mit 14 Jahren die Ausbildung im Verkauf begonnen hatte, bildete sie sich nach der Geschäftsauflösung als Modistin weiter und machte 1984 in Koblenz die Meisterprüfung. Auf der Suche nach einer Meisterstelle kam sie vor 20 Jahren nach Würzburg. „Einer echten Hutstadt“, wie sie sagt. In den 60er Jahren, weiß sie, gab es an die 20 Hutläden hier und noch heute sind es mehr als in vielen deutlich größeren Städten. „Viele Kunden aus Frankfurt oder dem Ruhrgebiet kommen deshalb immer wieder gerne hierher zu uns.“
Ab 1. September wird auch Elena diese bedienen. An ihrem kleinen Arbeitstisch im hintersten Raum wird sie Bänder, Putz und Krempe nach den Wünschen der Kundschaft gestalten – aber auch selbst kreativ sein und hoffen, dass ihre Hüte bei den Kunden Gefallen finden. „Was ich nach der Ausbildung mache, weiß ich noch nicht“, sagt die ehemalige Schülerin der Jenaplan- Schule. „Das lasse ich einfach auf mich zukommen.“ Und schließt selbstbewusst (fast mit den Worten ihres Vaters): „Bis dahin wird sich schon ein Weg in die Zukunft zeigen.“