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CREGLINGEN: Mundart-Theater greift das Juden-Pogrom auf

CREGLINGEN

Mundart-Theater greift das Juden-Pogrom auf

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    Bedrohlich: Der fanatische Nazi Fritz (Eberhard Meder), Zweiter von links, zielt auf seinen Kontrahenten Otto (Richard Beck), ganz rechts. Weiter im Bild (von links) Friedrich Meder als Wirts-Sohn Walter, Edgar Habel als Wirt Alfred und Jochen Heppel als Erwin.
    Bedrohlich: Der fanatische Nazi Fritz (Eberhard Meder), Zweiter von links, zielt auf seinen Kontrahenten Otto (Richard Beck), ganz rechts. Weiter im Bild (von links) Friedrich Meder als Wirts-Sohn Walter, Edgar Habel als Wirt Alfred und Jochen Heppel als Erwin. Foto: Foto: HERBERT SCHLERF

    Sein neues Werk sei keine Anklage, erläutert Autor und Regisseur Arno Boas. Vielmehr wollen er und sein Ensemble dem Publikum eine Frage stellen, die heute so aktuell ist wie 1933: Wie würde ich mich verhalten in einer solchen Extrem-Situation? Mitmachen? Wegschauen? Eingreifen und mich selbst in Gefahr bringen?

    Die Figuren des Stücks sind erfunden, und es besteht aus sechs Szenen, die sich an sechs Tagen von Anfang März bis Anfang April 1933 in einem Gasthaus in Creglingen zutragen. Ausgangspunkt ist die letzte halbwegs freie Reichstagswahl: Die NSDAP hat deutschlandweit die absolute Mehrheit verfehlt, im Städtchen aber haben 75 Prozent braun gewählt. Die Gäste der Wirtsleute Else (Susanne Stirmlinger) und Alfred (Edgar Habel) reagieren unterschiedlich: Fritz, ein fanatischer Nazi, gespielt von Eberhard Meder, grüßt bereits mit „Sieg Heil!“, trägt eine SA-Uniform und hetzt gegen „den Jud’“.

    Der arbeitslose Verdun-Veteran Otto (Richard Beck) bekennt sich als Gegner der neuen Machthaber. Erwin, dargestellt von Jochen Heppel, ist vorsichtiger: Auch er hält wenig von den Nazis, nimmt aber als Dirigent des Gesangvereins vorsichtshalber die von Fritz angeordneten Kampflieder ins Repertoire auf. Die Kellnerin Alwine (Rebecca Habel) freut sich dagegen über „die neue nationale Regierung“.

    Die Wirts-Familie ist gespalten. Else und Alfred erklären sich für „unpolitisch“, setzen aber die Gleichschaltung des Gasthauses um: Sie entfernen den „Juden-Krug“ des Stammgastes Hermann Stern, der nicht als Figur im Stück auftaucht. Sohn Walter (Friedrich Meder) lässt sich in kindlicher Naivität für die Hitler-Jugend begeistern.

    Anders die fast erwachsene Tochter Marie (Maria Czernijewski), die mit einem „Judenmädle“ befreundet ist: Mutig bietet sie dem pöbelnden Fritz die Stirn, wird aber, als er sie ohrfeigt, von ihren Eltern im Stich gelassen.

    Neben Marie treten weitere starke Frauen auf, wie häufig bei Boas. Emmy (Michaela Nörr), Elses Schwester, berichtet entsetzt, wie die braunen Horden in Stuttgart die Straßen terrorisieren.

    Zivilcourage zeigt auch Elses Freundin Katharina (Monika Kreiselmeier): Nicht nur die plumpen Annäherungsversuche von Fritz weist sie zurück, sondern widerspricht auch dessen Aufruf zu einem nächtlichen Fackelzug, dem Fanal des Pogroms. Mehrere besonders eindringliche Sequenzen verdichten die Atmosphäre: Im zweiten Akt intoniert ein schauerliches Männer-Quartett das Landser-Lied „Es braust unser Panzer im Sturmwind dahin“. Gegen Ende des dritten Aktes schließlich versucht Marie, ihren Bruder daran zu hindern, zum Mittäter zu werden. Vergeblich.

    Anschließend dröhnen aus dem Off die Stiefel-Tritte der aufmarschierenden Nazis, während das Mädchen resigniert auf die Knie sinkt, eingerahmt von ihren Eltern, die mit maskenhaft eingefrorenen Gesichtern langsam den Arm zum „Deutschen Gruß“ recken. Das Unheil nimmt seinen Lauf …

    Bühnenzinnober Reinsbronn

    Für Laientheater mit inhaltlichem Tiefgang in Hohenloher Mundart steht der Reinsbronner Bühnenzinnober. Gegründet wurde die Gruppe 1983, nun geht sie in ihre 30. Spielzeit. Sie ist bis heute fest in Reinsbronn verankert. Fast alle Darsteller wohnen in dem 200-Einwohner-Dorf oder in den Nachbarorten Niedersteinach und Sechselbach. Seit 1985 hat Arno Boas (52) alle Stücke des Bühnenzinnobers verfasst. Er arbeitet als Zeitungsredakteur in Bad Mergentheim und wohnt in Finsterlohr, das wie Reinsbronn zur Stadt Creglingen gehört. In trauter Runde spricht er denselben Dialekt, den er auf die Bühne bringt. Boas schrieb zunächst ländliche Komödien, sein Erstling hieß "Das Miststück". Doch schon bald wagte er sich an politische Inhalte. Zum zweiten Mal nach dem Kriegsdrama „Heimatfront“ (2007) hat er nun ein Stück geschrieben, das im „Dritten Reich“ angesiedelt ist. Erstmals seit 1997 führt Boas in diesem Jahr wieder selbst Regie Weitere Information stehen unter www.buehnenzinnober.de im Internet

    Die Vostellungen

    „An einem Tag im März“ hat Premiere am Samstag, 2. März, ab 20 Uhr im Reinsbronner Gemeindehaus. Weitere Vorstellungen sind geplant am 3., 8., 9., 10., 15. und 16. März, Beginn ist freitags und samstags um 20 Uhr, sonntags um 19 Uhr. Karten können bestellt werden unter Tel. (0 79 32) 37 10 17 (Familie Nörr), werktags von 18.30 bis 21 Uhr. Zudem wird das Stück voraussichtlich am Sonntag, 17. März, ab 19 Uhr in der Alten Turnhalle in Niederstetten aufgeführt. Tickets für diese Vorstellung gibt’s in der städtischen Mediothek, Tel. (0 79 32) 6 00 32.

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