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WÜRZBURG: Musik mit Humor und Zufall

WÜRZBURG

Musik mit Humor und Zufall

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    Markus Bellheim wirft die Notenblätter auf den Boden. Der Pianist angelt sich einen x-beliebigen Papierbogen, der mit der bedruckten Seite nach unten neben dem Klavierhocker liegt. Der Hochschulprofessor fängt an, die Zahlen, Noten, und Grafiken auf dem Papier in Töne und Geräusche umzusetzen. Begleitet von einer Musikhochschul-Formation erklingt das „Concerto for Piano and Orchestra“ von John Cage an diesem Abend bereits zum zweiten Mal. Vor der Pause hat der Würzburger Dozent für Neue Klaviermusik, Armin Fuchs, mit einem teils anders besetzten Ensemble dasselbe Notenmaterial in Musik umgesetzt. Ebenfalls vor der Pause spielten Bellheim und Fuchs an zwei Flügeln „Two2“ von Cage.

    Mit den zwei sehr unterschiedlichen Aufführungen des Klavierkonzerts von Cage setzte die Musikhochschule den Auftakt zu der von zahlreichen Würzburger Kulturträgern auf die Beine gestellten ganzjährigen Veranstaltungsreihe rund um Leben und Werk des Komponisten, Zen-Buddhisten und Pilze-Experten John Cage, dessen Geburtstag sich heuer am 5. September zum 100. Mal jährt. Das Eröffnungskonzert in der Musikhochschule entführte in die Welt des US-Komponisten, der in der Musik ziemlich genau dieselbe Rolle spielte wie Joseph Beuys in der Bildenden Kunst: Für die Fachwelt war Cage in den 1960er Jahren – neben Karlheinz Stockhausen – das Maß aller Dinge.

    Das breite Publikum lief ihm davon. Nach seinem Tod 1992 gilt Cage als Vertreter einer Avantgarde, deren Modernität von Postmoderne und kompositorischen Neokonservatismus abgelöst wurde. Cage hebelte den traditionellen, von handwerklichem Können geprägten Musikbegriff aus, indem er in seinen Werken möglichst viel dem Zufall überließ. Seine wichtigsten Kompositionen stellen lediglich Regeln auf, nach denen Klang-Ereignisse passieren können – meist stark dissonant oder beruhend auf Verfremdungseffekten.

    So blies beim Würzburger Eröffnungskonzert der Posaunist mitunter auf dem Dämpfer, der Pianist beklopfte zart den Rahmen des Flügels mit einem Hartgummi-Schlägel oder der Klarinettist spielte auf seinem Instrument ohne Mundstück. Theatralische Einlagen fehlten nicht. Bellheim verließ mal kurzzeitig die Bühne, schraubte den Klavierhocker, auf dem er saß, runter und wieder hoch. Bei Armin Fuchs überwog das Zelebrieren der Zeiteinheiten, bei Bellheim das Eruptive und Komödiantische, das – neben dem Meditativen – für die Musik und die Geisteshaltung von John Cage kennzeichnend ist.

    Dass Cage mit seinem Humor von den Zwängen des Kulturbetriebs aus Star-Kult, Virtuosen-Casting und Unterhaltungsmassenware befreien wollte, machte das Eröffnungskonzert überdeutlich. Lebhafter Beifall war verdienter Lohn.

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