„Ganz unerwartet anders“ lautete das Motto des Literarischen Abends, mit dem die Fasenachtsgilde Giemaul Heidingsfeld ihr dreitägiges Mühlenfest eröffnete. Im Rampenlicht stand dabei Marie-Luise Marjan, die „Mutter Beimer“ aus der Fernsehserie „Lindenstraße“. Sie erzählte nicht nur von der jahrzehntelangen Suche nach ihrem Vater, deren Spuren nach Würzburg führten, sondern berichtete auch über ihre sozialen und karitativen Aktivitäten.
Der Literarische Abend im Hof der Schulzenmühle bildete die Plattform für die Premieren-Lesung von Marie-Luise Marjan aus ihrem kürzlich erschienen Buch „Ganz unerwartet anders - Ich suchte meinen Vater und fand eine Großfamilie“. Die Schauspielerin zog das Publikum von der ersten Sekunde an in ihren Bann und freute sich besonders, dass in der ersten Reihe 14 Verwandte von ihr saßen. Immer wenn sie in Würzburg am Bahnhof ankommt, wird sie seit sieben Jahren von einem Mitglied ihrer Familie väterlicherseits abgeholt.
Dass die lange Suche nach ihrem Vater Anton Offner erfolgreich war, verdankt Marie-Luise Marjan der ARD-Reihe „Vorfahren gesucht“ von 2007. Mit Hilfe von Ahnenforschern, alten Unterlagen der Wehrmachtsauskunftsstelle sowie städtischen Meldebögen und Adressbüchern schaffte sie es, ihren Vater zu entdecken und Angehörige zu finden.
Die inzwischen oft als „Mutter der Nation“ bezeichnete Schauspielerin wurde am 9. August 1940 in Essen geboren. Ihre damals erst 19-jährige Mutter Hildegard Wienkötter ließ sie jedoch im Krankenhaus zurück und wanderte später nach Kanada aus. Nach Aufenthalten in vier Waisenhäusern kam sie zu den „sehr lieben Menschen Hanni und Emil“, die sie wie ein eigenes Kind annahmen und adoptierten. Dann tauchte plötzlich wieder ihre eigene Mutter auf und sorgte „für Verwirrung in der Seele eines Kindes“. Die Musik half ihr, viele „Bedrücktheiten“ zu überwinden, unter anderem auch den Tod ihrer Adoptivmutter Hanni.
Schwierig gestaltete sich anschließend das Verhältnis zu ihrem Adoptivvater, der Marie-Luise Marjans Wunsch Schauspielerin zu werden, vehement ablehnte.
Es kostete die junge Frau eine Menge Kraft, „um meinen eigenen Weg zu gehen“. Weil „jeder Mensch wissen will, wo seine Wurzeln sind“, nahm sie viele Versuche, ihren leiblichen Vater aufzuspüren, was ihr 2007 endlich gelang. Mit klopfendem Herzen rief sie ihren mutmaßlichen Cousin Erich Meyer an, der in der Büttnerstraße in Würzburg wohnt. Dieser begrüßte sie bei ihrer ersten Begegnung mit: „Welch eine Freude, heute kommt Besuch aus der Lindenstraße zu uns.“
Nachdem Erich Meyer einem Gentest zugestimmt hatte, stand fest: „Mit 91-prozentiger Wahrscheinlichkeit bin ich die Tochter von Anton Offner.“ Sie sei so aufgeregt gewesen, dass sie ihren Cousin Erich mit „Onkel“ ansprach.
Die Lesung und Erzählungen von Marjan nahm ein WDR-Filmteam auf und verwendet Szenen vom Literarischen Abend für ein Porträt der Schauspielerin, das am 6. Dezember von 16.30 bis 17.15 Uhr in der ARD gezeigt wird. Federführend bei diesem Projekt ist Gisbert Baltes, der sich den Auftritt von „Mutter Beimer“ in Heidingsfeld nicht entgehen ließ.
Benni Jensen, Präsident der Fasenachtsgilde Giemaul, freute sich über den Stargast des Literarischen Abends und bezeichnete diese Autorenlesung als „einmalig“.
Die fleißigen Helfer der Gilde boten den Besuchern nicht nur zur Eröffnung des Mühlenfestes ein tolles Programm, sondern auch an den beiden folgenden Tagen. Am Samstag sorgten die „Aschbachtaler Musikanten“ für beste Stimmung, am Sonntag heizte „Nashville“ beim Country-Frühschoppen ein.