Ob der Gast, der an Mariä Himmelfahrt vormittags in den Biergarten kam und Maria Ganz aus Theilheim scherzhaft mit den Worten begrüßte: „Maria, dich lieben, ist allzeit mein Sinn!“ um die Besonderheit des Tages wusste? Wahrscheinlich nicht. Jedenfalls beherzigte er das, was für andere nicht selbstverständlich ist: die dienstälteste Bedienung im Teufelskeller respektvoll zu behandeln.
Kein Benehmen
„Manchmal“, sagt die fitte 70-Jährige ehrlich und in typisch fränkischer Mundart, „könnt‘ ma die Wänd nauf.“ Etwa dann, wenn der Biergarten brummt, die Tische voll besetzt sind und sie, ihre Kollegin und der Chef beinahe nicht mehr hinterkommen. Dann gilt es in Rekordzeit Getränke und Essen aufzunehmen, auszutragen, benutztes Geschirr wegzuräumen, verlassene Tische für neue Gäste wieder herzurichten.
„Manche Menschen haben einfach kein Benehmen“, stellt die frühere Weinbergsarbeiterin fest. Neu aber, sagt sie, sei das nicht. „Es gab schon immer solche und solche.“
Immer am Wochenende
In 30 Jahren bis zum Marienfeiertag am 15. August 2016, immer am Wochenende und feiertags eingesetzt, hat sie so einiges erlebt. Die Respektlosigkeit mancher Gäste bleibt ihr aus all den Jahren als bitterste Erinnerung, sagt sie. Die Unfähigkeit Einzelner, ein Auge für die Gesamtsituation zu haben, zu sehen, unter welchem Arbeitsdruck eine Bedienung steht und dann eben nicht viermal nachzufragen, wenn schon die erste Antwort klar und eindeutig war: „Nein, dunkles Bier haben wir nicht.“ Als sie mit jeder Wiederholung der sinnlosen Fragerei immer ungehaltener wurde – überall warteten zig weitere Gäste auf sie – beschwerte sich der Gast auch noch bei ihrem Chef, dem Wirt Christian Krenig, über sie. „So etwas“, redet sie Klartext, „finde ich unmöglich.“ Unter erwachsenen Menschen, ist ihre Meinung, könne man das anders regeln.
Die schönste Erinnerung hat sie hingegen an ihren allerersten Arbeitstag im Teufelskeller, dem Gasthaus zwischen Würzburg und Randersacker. Ein Rosenmontag sei das gewesen. Und wie alle darauf folgenden Jahre auch, seien die Heidingsfelder Fasenachter „rüber gekommen, um bei uns zu feiern.“ Da sei ganz schön was los gewesen und die Stimmung der Gesellschaft entsprechend. „Ich hatte alle Hände voll zu tun und hab‘ immer wieder erklärt: Leute, ich bin neu hier, heute den ersten Tag da, habt Geduld.“ Die hatten die Heidingsfelder Faschingsnarren und so wurden sie und Maria Ganz Freunde - bis heute. „Ja, die kommen immer noch, aber leider nicht mehr alle.“
Das ist ein Thema, das die erfahrene Kellnerin schmerzt. „Es sind schon so viele unserer Stammgäste weggestorben“, bedauert sie. Und leider, fährt sie fort, kämen nicht so viele neue, junge Besucher nach, wie man sich wünschen würde.
Arbeit im Weinberg
Gelernt hat die gebürtige Theilheimerin das Kellnern als junges Mädchen bei Tanten in der Oberpfalz. „So ein bisschen liegt das schon in der Familie“, sagt sie voller Überzeugung. Später arbeitete sie dann beim Weingut Arnold in Randersacker in den Weinbergen. „Das kam mir als Kellnerin sehr zugute.“ Sie habe gewusst, wie ein Silvaner schmeckt, was eine Scheurebe auszeichnet oder wozu der Bacchus passt. „Die jungen Mädels haben davon heute meist keine Ahnung“, stellt sie fest.
Als sie 40 Jahre alt war, kam ihr die Annonce des Teufelskellers gerade recht. „Noch länger im Weinberg. Das hätte ich irgendwann nicht mehr geschafft. Das war schon sehr anstrengend.“ Und so bewarb sie sich auf die Zeitungsanzeige hin – damals noch bei den Eltern des jetzigen Wirtes – und wurde genommen. Dass sie fortan an den Wochenenden arbeitete, habe ihrem Ehemann nicht sonderlich gefallen. „Aber er hat es geschluckt - zwangläufig.“
Nicht im Stich gelassen
Dass sie im Teufelskeller bis heute, bis zu ihrem 70. Lebensjahr weiterarbeitete, lag weniger am Wollen oder gar Müssen, antwortet sie auf die entsprechende Frage. „Ich wollte halt den Chef nicht im Stich lassen.“ Als dessen Eltern starben, habe sie sich fast ein bisschen in der Mutterrolle gefühlt. „Was hätte er denn ohne mich machen sollen.“
Jetzt aber fühle sie das Gleiche wie vor 30 Jahren. „Den Winter hätte ich vielleicht noch machen können. Aber noch einen Sommer, das hätte ich nicht mehr gepackt. Irgendwann ist es mal gut.“ Wer künftig an den Samstagen und Sonntagen die Gäste bewirtet, das weiß sie nicht. Aber ihr ist bewusst, dass Christian Krenig es schwer haben wird, entsprechenden Ersatz zu finden. „An den Wochenenden will doch heute keiner mehr arbeiten.“ Kurzfristig fänden sich da sicher immer mal Studentinnen, aber eine dauerhafte Wochenendkraft müsse man sicher lange suchen.
Zeit für Taekwondo
Sie werde sich die Nachfolgerin natürlich mal ansehen, sagt sie. „Aber nicht zu bald.“ Erst mal müsse sie Abstand gewinnen und - nein, nicht etwa zu Hause die Füße hochlegen - sondern genießen, dass sie endlich mehr Zeit für ihr langjähriges Hobby habe. Mit ihren 70 Jahren nämlich ist sie stolz darauf, bei der Theilheimer Taekwondo-Schule von Winfried Fehrer die älteste Aktive zu sein. „Auch diesen Kampfsport“, berichtet sie mit einem Schmunzeln, betreibe sie seit 30 Jahren. Ein Ende aber, sei da noch lange nicht in Sicht. „Im Gegenteil: Das hält mich fit. Da lege ich jetzt erst so richtig los.“ Man glaubt es ihr uneingeschränkt.