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UNTERWITTIGHAUSEN: Naturtalent auf Federbeinen

UNTERWITTIGHAUSEN

Naturtalent auf Federbeinen

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    Ein freundlicher junger Mann öffnet die Tür und geht voraus, die Treppe hinauf in sein Zimmer. Dass er auf Prothesen geht, ist erst auf den zweiten Blick erkennbar und nur, weil Michael Seethaler kurze Hosen trägt. Dafür, dass sein Unfall erst ein Jahr her ist, bewegt er sich auf seinen neuen „Füßen“ ausgesprochen elegant. Offen und sachlich spricht der 21-Jährige über den 14. Juli 2008, den Tag des fürchterlichen Unfalls.

    Es ist Nachmittag, als Michael Seethaler daheim in Unterwittighausen sein Motorrad anwirft, eine Suzuki GS 500 E.   Er will zum Volleyballtraining nach Lauda. Bei Zimmern dann eine Rechtskurve, die er schon unzählige Male gefahren ist. An diesem Tag aber ist etwas anders. Ob Sand auf der Fahrbahn liegt oder sonst ein Hindernis – Michael Seethaler weiß es nicht. Sein Motorrad gerät ins Rutschen. Letzter Gedanke: „Jetzt muss ich mir schon wieder neue Spiegel kaufen.“

    Aber es trifft ihn viel schlimmer. Er rutscht unter die Leitplanke – Albtraum der meisten Motorradfahrer. Das Metall reißt ihm beide Füße ab. Einer bleibt oben an der Leitplanke liegen, den zweiten findet die Feuerwehr erst später im Gebüsch. Michael Seethaler selbst wird ebenfalls ins Buschwerk geschleudert, sein Motorrad rutscht die Böschung hinab. Von der Straße aus ist von der Tragödie nichts zu sehen. Bis auf eine Staubwolke.

    Die wird von Jörg Weiß und Katharina Wagner aus Rottendorf bemerkt, die kurz nach dem Unfall dort vorbei kommen. „Sie haben auf gut Glück nachgeschaut“, sagt Seethaler. Dieser Umstand rettet dem Studenten das Leben. Und die Tatsache, dass sich der Rettungshubschrauber gerade in der Luft befindet und innerhalb kürzester Zeit vor Ort ist.   Denn Michael Seethaler verliert viel Blut. Er kann sich an das Geschehen nach dem Unfall nicht erinnern. Aber später ihm wird erzählt, dass er sich gegen seinen Retter Jörg Weiß zur Wehr gesetzt habe, der die Blutung stoppen wollte.

    In der Uniklinik Würzburg wird Michael Seethaler erst notoperiert, dann folgen sechs weitere Operationen. Er steht unter dem Einfluss starker Medikamente, als er zwei Tage später vom Verlust seiner Füße erfährt. Da realisiert er das Ganze noch nicht richtig. „Ich dachte: Naja, es gibt ja Prothesen“, erzählt der 21-Jährige heute. Erst später wird ihm klar, was passiert ist und dass es endgültig ist. Er quält sich durch schlimme Tage. Auch seine Familie leidet sehr unter dem Geschehenen.

    Und doch lässt sich der begeisterte Sportler nicht unterkriegen. Nach vier Wochen Krankenhaus werden ihm in der Reha seine neuen „Füße“ angepasst. Schon nach einer Woche kann er damit frei gehen. „Ich bin wohl ein Naturtalent“, meint er bescheiden.   Im Fernsehen laufen gerade die Paralympics in Peking. Seethaler sieht, was mit amputierten Beinen alles möglich ist. Vor allem der südafrikanische Läufer Oscar Pistorius beeindruckt ihn. Der Physikstudent beschließt: Leichtathletik soll künftig sein Sport sein. Doch dazu braucht er spezielle, federnde Prothesen. Die sind sehr teuer. Rund 12 000 Euro kosten sie.

    Aber mit Unterstützung seines Technikers Markus Vogel kann er den Hersteller der Spezialprothesen von seinem läuferischen Potenzial überzeugen. Die Firma sponsert die Prothesen.   „Ich bin weltweit der einzige außerhalb des Teams, der die Füße gesponsert bekommt“, sagt Michael Seethaler. „Das Team“ – das sind die Sportler, die an den Paralympics teilnehmen dürfen. Michael Seethaler möchte bald dazu gehören. Der Sprint über 100, 200 und 400 Meter soll seine Disziplin werden.

    Neben den sportlichen Ambitionen verfolgt er aber auch sein Physikstudium in Würzburg weiter. Wenn er damit fertig ist, hat er einen beruflichen Wunsch: Er möchte Prothesen entwerfen. Seine beiden Retter, die Ministerpräsident Günther Oettinger schon für ihr Eingreifen auszeichnete – hat er übrigens noch einige Male gesehen. Zuletzt in einer SWR-Sendung, in der es um Retter und Gerettete ging. Hat er jemals darüber nachgedacht, was ohne sie aus ihm geworden wäre? Michael Seethaler antwortet prompt: „Dann gäb's mich nicht mehr.“

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