Fast kein Stein ist auf dem anderen geblieben, wenn die Stiftung Hör- Sprachförderung Ende Oktober ihren kompletten Neubau in der Berner Straße auf dem Heuchelhof einweiht. Sie feiert dann die Fertigstellung des mehr als sechseinhalb Jahre dauernden Projekts mit Kosten von rund 16 Millionen Euro. Es gibt zahlreiche Gründe dafür, warum die erst im Jahr 1976 in Betrieb genommenen Räume der damaligen Taubstummeninstituts-Stiftung von Grund auf neu errichtet wurden.
„Weder die Raumstruktur noch der Bauzustand entsprachen den spezifischen Bedürfnissen der hörgeschädigten Kinder und Jugendlichen“, betonte Stiftungsdirektor Herbert Dössinger. In den alten Gebäuden gab es viele lange, enge und dunkle Verkehrsflächen, die für die Verständigung sehr schlecht geeignet waren. Es kam kaum Licht in die Flure und wegen zu kleiner Fenster auch in die Zimmer. Das Tageslicht ist aber besonders wichtig, damit die Kinder und Jugendlichen von den Lippen ihres Gegenübers ablesen können.
Die früher vorhandene Akustik bezeichnete Dössinger etwas überspitzt ausgedrückt sogar als „Katastrophe“. Es herrschten lange Nachhallzeiten vor, sodass auch normal Hörende Verständigungsprobleme hatten. Beim Neubau wurde nun jeder Raum entsprechend seiner Nutzung nach den notwendigen akustischen Anforderungen errichtet.
Internatsgruppen abgebaut
Zu den Gründen für die umfassende Erneuerung gehören aber ebenfalls Veränderungen der allgemeinen, gesellschaftlichen Bedingungen und hinsichtlich der Entwicklung und Förderung hör- und sprachgeschädigter Kinder und Jugendlicher. Der Wunsch einer wachsenden Zahl von Eltern nach einer Ganztagsbetreuung ihrer Sprösslinge mit täglicher Heimkehr führte zum Abbau der Internatsgruppen und zum Aufbau einer Heilpädagogischen Tagesstätte (HPT). „Ursprünglich lebten in unserem Internat bis zu 180 Kinder, jetzt sind es nur noch 40“, erklärte der Stiftungsdirektor. Früher existierten Zimmer mit vier bis fünf Betten, nun gibt es nur noch Einzel- und Doppelzimmer. Eine Erhöhung von null auf inzwischen 140 verzeichnete die HPT. Der Einzugsbereich umfasst den gesamten Regierungsbezirk Unterfranken.
1996 eröffnete die Stiftung das Cochlea Implantat Centrum Süd (CIC) - in beengten Räumen, zwei damals schon aufgelösten Internatsgruppen. Die Rehabilitation begann mit vier Kindern, aktuell erhalten 170 mit dieser Hörhilfe versorgte Kinder eine stationäre oder teilstationäre Förderung, wobei die Zahl der Kleinstkinder mit ihren ganz besonderen Bedürfnissen ständig wächst. Aufgrund des Neubaus ist das CIC nun eine eigene Abteilung mit Therapie-, Elternaufenthalts- und Familienübernachtungsräumen. „Das ist eine wesentliche Verbesserung für diese Abteilung, die viele Jahre in einem Provisorium untergebracht war.“
Probleme mit Rohren und Dächern
Mario Steinert, Geschäftsführer der Stiftung Hör- Sprachförderung, machte aufmerksam, dass „die terrassenförmige Bauweise der Altbauten zu sehr großen Problemen bei der Trink- und Abwasserversorgung führte“. Die verwinkelten Rohre verursachten häufig Verstopfungen und Leckagen. Wegen Rohrbrüchen entstanden oft Schäden an der Einrichtung und den Mauern. Und: „Die Flachdächer waren undicht.“
Die entscheidende Frage vor etwa zehn Jahren lautete: Generalsanierung oder Neubau? Die Kostenschätzung ergab, dass der finanzielle Aufwand für Abriss und Neubau nicht wesentlich höher ausfallen würde. „Niemand konnte sagen, welche unvorhergesehenen Kosten im Lauf der Sanierung noch entstehen würden“, deshalb entschied man sich im Einvernehmen mit den Zuschussgebern für den Neubau.
Das gesamte Projekt schlägt mit rund 16 Millionen Euro zu Buche. Bund und Land übernehmen davon circa 6,5 Millionen, die Aktion Mensch steuert 350000 Euro bei. Den Rest trägt die Stiftung durch Eigenmittel.
„Alle 80 Mitarbeiter sowie die von uns betreuten Kinder und Jugendlichen sind glücklich über die wirklich schönen Räume“, zog Herbert Dössinger ein Fazit. Man sei froh, dass sechseinhalb Jahre Lärm und Umzugsstress vorbei sind. Als letzter Teil der Maßnahme wird zurzeit der Spielplatz gebaut. Er beinhaltet unter anderem Klettermöglichkeiten in ein paar stehengelassenen Mauern des ehemaligen Internats sowie eine Wasserfläche.