Mitten im Altort von Waldbüttelbrunn stehen zwei frisch renovierte Doppelhaushälften. Von außen sehen sie aus wie zwei nagelneue Einfamilienhäuser. Außergewöhnlich ist hier auf den ersten Blick nichts. Erst am Nachmittag, wenn die Schule aus ist, kann man sehen: Hier lebt eine kleine Schar Kinder und Jugendlicher mit ihren Betreuern.
Es ist ein Kinderfamilienhaus des Vereins „Weltweite Kinderhilfe“. Die Jugendlichen stammen aus Familien, in denen ihr Wohlergehen oder ihre Sicherheit nicht mehr gewährleistet waren. Sie leben jetzt unter dem Dach des Vereins. Der hat das 1973 erworbene Doppelhaus komplett saniert.
Aus zwei mach eins: Weil die beiden einstigen Einfamilienhäuser nicht mehr den heutigen Anforderungen entsprachen, entschloss sich der Verein, etwas Zeitgemäßes für die Schützlinge zu schaffen. Es ging den Häusern an den Kragen. In der Umbauphase konnte die Kinderhilfe einen Teil ihrer Schützlinge in einem anderen Haus im Ort einquartieren, ebenfalls ein „Familienhaus“ für junge Menschen. In diesem Ausweichquartier hatte man das Dachgeschoss rechtzeitig erweitert, so dass zwei Heimgruppen, in der Regel je acht Kinder und Jugendliche, für ein halbes Jahr unter einem Dach wohnen konnten.
Schwerpunkt Franken
Außer den zwei Einrichtungen in Waldbüttelbrunn besitzt die „Weltweite Kinderhilfe“ noch ein Familienhaus in Laudenbach bei Karlstadt. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in Franken. Doch auch in Indien und Südafrika engagiert sich der Verein in Projekten. Und in Notfällen wird die Kinderhilfe auch in anderen Ländern für begrenzte Zeit aktiv.
Ein großes Thema, das bei der Kinderhilfe bereits angekommen ist, sind Kinder, die alleine aus Kriegs- und Krisengebieten geflüchtet sind, so Vorsitzender Gerhard Herderich. Drei Kinder aus Afghanistan, die in Unterfranken aufgegabelt wurden, landeten im Haus in Laudenbach. Ein Junge machte sich gleich wieder aus dem Staub – die anderen beiden blieben. Aus Verständigung mit Händen und Füßen wurde gegenseitiges Verständnis. Einer der Jungs geht noch zur Schule, der andere ist zurzeit in Ausbildung.
Der Umbau in Waldbüttelbrunn kostete rund 440 000 Euro, berichten Vorsitzender Gerhard Herderich und Architekt Edgar Appel (beide Würzburg). Das renovierte Gebäude ist voll unterkellert mit Waschküche sowie Lager- und Hauswirtschaftsräumen. Das Gebäude hat 118 Quadratmeter Grundfläche. Im Erdgeschoss sind Küche, Wohnraum, Hausaufgabenraum und das Büro der Hausleitung untergebracht. Im Obergeschoss gibt es ein Betreuerzimmer, vier Jugendzimmer und die sanitären Einrichtungen. Im Dachgeschoss ist Platz für vier weitere Kinderzimmer, ein Bad und ein WC. Statt zwei gibt es nur noch ein Treppenhaus. Das Dachgeschoss wurde durch großzügige Gauben voll nutzbar, die Raumhöhe beträgt bis zu 2,40 Meter.
Schlimme Erlebnisse
Kinder, die hier wohnen, haben oft schlimme Erlebnisse zu verarbeiten. In Gesprächen berichten sie, was im Elternhaus passiert ist und warum das Jugendamt sie hier untergebracht hat. Heimleiter Georg Breunig und sein Pädagogenteam versuchen aber – soweit möglich – die Eltern mit einzubinden.
Seit vier Jahrzehnten gibt es den Verein. Wie lange die Kinder bleiben ist sehr unterschiedlich. Mal reichen wenige Tage. Doch oft sind es Jahre – in einem Fall waren es 13 Jahre.
Die meisten müssen einfache, lebenspraktische Dinge lernen, wie zum Beispiel Ordnung halten. Oder pünktlich sein. Die Jugendlichen werden medizinisch versorgt. Sportvereine stehen ihnen offen, musische Begabung wird gefördert. Fünf Erzieher oder Kinderpfleger betreuen eine Gruppe – und das rund um die Uhr.
Die Wohngruppen setzen sich aus jungen Menschen unterschiedlichen Alters zusammen. Oft bleiben sie bis zur Volljährigkeit. Und wenn alles gut geht, können sie danach ein normales Leben führen. Der eine oder andere kommt später wieder zu Besuch in sein früheres Heim, oft auch mit eigenem Nachwuchs.
Lächelnd berichtet Vorsitzender Gerhard Herderich von einem Knirps, der sich den Bauch reibt und strahlt, wenn Herderich immer zu Weihnachten Honig vorbeibringt. Die Freude des Kleinen zeige, wie sehr sich die Arbeit für die Kinder lohne.
Der Verein bekommt Unterstützung von der Bayerischen Landesstiftung, muss aber immer noch den Löwenanteil der Finanzierung selbst aufbringen. Spenden sind deshalb willkommen.