Mit einer äußerst guten Nachricht schickte Ochsenfurts Kämmerer Gerhard Englert den Stadtrat in seine sommerliche Sitzungspause. Nach Abschluss der Jahresrechnung blieben der Stadt 2019 über zwei Millionen Euro mehr übrig als geplant. Statt der beabsichtigten Kreditaufnahme gibt es eine ordentliche Zuführung in die Rücklagen. Angesichts der möglichen Spätfolgen der Corona-Pandemie wird die Stadt dieses Polster gut gebrauchen können.
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Gemäßigter Pessimismus zählt zu den Tugenden eines Stadtkämmerers. Lieber den ungünstigen Fall planen und sich positiv überraschen lassen, als umgekehrt, lautet hier die Devise. In diesem Fall ist es ein großer Gewerbesteuerzahler, der mit einer kräftigen Nachzahlung aus den Vorjahren für die Überraschung sorgte, so Englert.
In der Summe auf insgesamt 5,2 Millionen Euro schnellten die Gewerbesteuereinnahmen deshalb nach oben - 1,4 Millionen Euro mehr als 2018 und 1,2 Millionen Euro über den Planansatz. Für den Kämmerer Anlass, seine Strategie zu verteidigen, wonach die Stadt auf Steuervorauszahlungen verzichtet. Die hätten nämlich häufig zur Folge, dass die Stadt später den Firmen zu viel gezahlte Steuern zurückerstatten muss, weil sich deren Geschäfte nicht wie erwartet entwickelt haben, und dadurch selbst in die Bredouille kommt. "Deshalb planen wir nur ein, was wir sicher kriegen, und freuen uns, wenn es am Ende mehr wird", so Englert.
Wankelmütige Gewerbesteuer
Im Gegensatz zur wankelmütigen, weil stark konjunkturabhängigen Gewerbesteuer hat sich der kommunale Anteil an der Einkommensteuer über die Jahre zur stabilsten und ertragreichsten Steuerquelle entwickelt. Seit dem Höhepunkt der Finanzkrise vor zehn Jahren stiegen die Einnahmen der Stadt kontinuierlich von 3,9 auf zuletzt 6,4 Millionen Euro, genau so viel, wie Englert eingeplant hatte.
Bei der Umsatzsteuer-Beteiligung war der Kämmerer zu Jahresbeginn 2019 vor dem Hintergrund einer sich eintrübenden Konjunktur noch von einem leichten Minus auf 915 000 Euro ausgegangen. Tatsächlich überwies das Finanzamt 120 000 Euro mehr ans städtische Konto, ein Zeichen, dass der Konsum zumindest vor Ausbruch der Corona-Pandemie innerhalb der Stadtgrenzen intakt war.
Zusammen mit den um 400 000 Euro höheren staatlichen Zuweisungen steht am Ende des Rechnungsjahres 2019 ein Einnahmeplus von 1,7 Millionen Euro. Zählt man Minderausgaben bei den Personalkosten von rund 200 000 Euro hinzu, kommt unter dem Strich ein außerplanmäßiger Überschuss von etwa Millionen Euro zusammen.
Höhere Rücklagen statt neue Schulden
Statt der geplanten Kreditaufnahme von 900 000 Euro konnte die Stadt deshalb 1,4 Millionen Euro ihrer Rücklage zuführen. Es sei damit das dritte Jahr in Folge, in dem die Stadt ohne Neuverschuldung ausgekommen ist und laufende Darlehen tilgen konnte, so Kämmerer Gerhard Englert. Der Schuldenstand der Stadt verringerte sich dadurch von 9,5 Millionen Euro im Jahr 2016 auf 8,2 Millionen Euro.
Rechnet man die nicht über Gebühren finanzierten Schulden des städtischen Kommunalunternehmens KSO von 3,3 Millionen Euro und den Anteil an den Verbindlichkeiten des Abwasserzweckverbands AVO von 300 000 Euro hinzu, so stand die Stadt Ende 2019 insgesamt mit 11,8 Millionen Euro bei den Banken in der Kreide. Im Gegenzug stieg die allgemeine Rücklage auf 4,7 Millionen Euro, doppelt so viel wie drei Jahre zuvor.
Die Freude darüber hat einen bitteren Beigeschmack. Über die Auswirkungen der Coronakrise auf die städtischen Finanzen könne man bislang nur spekulierten, sagt Kämmerer Englert. So seien die Einnahmen aus der Einkommensteuerbeteiligung nach der vorläufigen Mitteilung der Finanzbehörden von 1,7 Millionen Euro im ersten Quartal auf 1,3 Millionen Euro im zweiten Quartal zurückgegangen. Im Gesamtjahr geht Englert von Mindereinnahmen in Höhe von 800 000 Euro aus.
Unabsehbare Folgen der Corona-Krise
Für die diesjährigen Gewerbesteuerausfälle hat der Freistaat einen Ausgleich bis zum Durchschnitt der vorangegangenen drei Jahre in Aussicht gestellt, das wären für die Stadt Ochsenfurt 4,7 Millionen Euro. "Wenn wir das kriegen, wären die Verluste gering", sagt Englert. Fraglich bleibt, wie es 2021 weitergeht.
"Der große Einbruch kommt nächstes Jahr", ist sich der Kämmerer sicher. Dann sei nämlich einerseits zu befürchten, dass die Steuereinnahmen zunächst auf ihrem niedrigeren Niveau verharren. Andererseits rächen sich dann aufgrund der Berechnungsweise die hohen Steuereinnahmen aus 2019 in Form einer höheren Kreisumlage und einer geringeren Schlüsselzuweisung des Freistaats.
Auf laufende Projekte, wie die Umsiedlung des Pflanzenschutzmittelherstellers SFM Chemicals von der Floßhafenstraße an den Wolfgang, an der sich die Stadt mit rund 1,2 Millionen Euro beteiligt, habe die Coronakrise jedenfalls keinen Einfluss. Und über längerfristige Auswirkungen könne man derzeit nur spekulieren. "Durch den Aufbau der Rücklagen haben wir jetzt ein gewisses Polster", sagt Gerhard Englert, "dadurch kann ich die Zukunft etwas beruhigter sehen."
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