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WÜRZBURG: Odyssee von Arzt zu Arzt: Borreliose

WÜRZBURG

Odyssee von Arzt zu Arzt: Borreliose

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    Klein und gefährlich: Zecken bohren sich mit ihrem Mundwerkzeug in die Haut des Menschen und saugen Blut. Oft fallen sie erst nach Tagen wieder ab.
    Klein und gefährlich: Zecken bohren sich mit ihrem Mundwerkzeug in die Haut des Menschen und saugen Blut. Oft fallen sie erst nach Tagen wieder ab. Foto: FOTO dpa

    Klaus Gesell fühlte sich abgeschlagen, kämpfte mit Konzentrationsmängeln und wurde beim Sport, den er sonst so gerne ausübte, schnell müde. Unerträgliche Schmerzen suchten sein rechtes Bein heim, eine Odyssee zu verschiedenen Ärzten begann. Monate vergingen, bis die Diagnose feststand: Lyme-Borreliose. Das war im Februar 1988. Die so genannte Wanderröte, die im Frühstadium einer Borreliose ein typisches Symptom ist, war bei ihm nie aufgetreten.

    Damals, vor 20 Jahren, so der heute 70-jährige gebürtige Würzburger, habe noch kaum jemand über die Krankheit Bescheid gewusst, die durch einen Zeckenstich ausgelöst werden kann. Er habe ein aus Amerika importiertes Medikament bekommen, „aber es hat mich nie wieder ganz auf die Beine gebracht“. Der Albtraum ging weiter, die Krankheit löste Sprachstörungen und Gedächtnisverluste aus. „Mehr als vier Ziffern einer Telefonnummer konnte ich mir nicht merken.“ Seinem Beruf als Selbstständiger konnte er nur noch geringfügig nachkommen, verschiedene Therapien und Klinikaufenthalte – eineinhalb Jahre stationär – standen auf dem Plan. „Eine Zeit lang saß ich sogar im Rollstuhl, die Krankheit hatte Lähmungen ausgelöst“, erzählt er.

    Gesund, so Gesell, der aktives Mitglied beim Deutschen Borreliose-Bund ist und diesen sogar mitbegründet hat, sei er auch heute nicht hundertprozentig, aber: „Ich kann zum Beispiel wieder Fahrrad fahren, das ist ein toller Erfolg.“ Auch heute, so weiß der 70-Jährige durch seinen Austausch mit Erkrankten und Selbsthilfegruppen, wüssten viele Ärzte noch zu wenig über Borreliose, was zu falschen Behandlungen führe. „Schnell werden Patienten von den Ärzten als Hypochonder oder Simulant abgestempelt“, so Gesell, der seit einiger Zeit in Augsburg lebt. Und: Leider würden die Gefahren von Borreliose angesichts der ebenfalls von Zecken ausgelösten Krankheit FSME oft heruntergespielt.

    Keine zuverlässigen Ergebnisse

    Das Fatale: Es gibt laut Professor Friedrich Schardt, Leiter des Betriebsärztlichen Dienstes der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und anerkannter Fachmann für Borreliose, zwar Labortests, die Borreliose nachweisen können, doch sind die Tests nicht standardisiert und ihre Ergebnisse daher nicht hundertprozentig zuverlässig. Eine klare Aussage brächte nur das Zusammenspiel der Tests Elisa und Westernblot. Noch wichtiger aber sei: „Die Symptomatik muss beachtet werden, das ist wichtiger als ein Labortest, der auf eine längst beendete Borreliose hinweist.“ Oftmals, erklärt der Experte, der selbst an Borreliose erkrankt war, mache sich die Krankheit durch Schmerzen in Gelenken, Sehnen und Muskulatur bemerkbar. Typisch sei der wandernde Schmerz: „An einem Tag tut das rechte Knie weh, am nächsten der linke Arm.“ Im Gegensatz zu Rheuma würden die Gelenke bei Borreliose kaum anschwellen. In schlimmeren Fällen, so der Mediziner, der mit verschiedenen Selbsthilfegruppen zusammenarbeitet, könne die Krankheit zu Invalidität und Arbeitsunfähigkeit führen. Aber: Einmal erkannt ließe sie sich mit einer Kombination von verschiedenen Antibiotika gut behandeln, „allerdings ist das ein längerer Prozess, der Geduld erfordert“. Ob man mit der Krankheit gut leben kann, hängt natürlich auch von anderen Faktoren ab, die das Immunsystem stärken: Frische Luft, viel Bewegung, gesunde Ernährung.

    Auch Konrad Kläß, Leiter des Gesundheitsamtes Würzburg, sieht Probleme und Lücken in der Diagnose der von Zecken übertragenen Infektionskrankheit. Fälle, in denen zunächst eine Falschdiagnose erfolgte, sind ihm bekannt. „Oftmals ist das Erkennen dieser Krankheit wie das Zusammenbauen eines Puzzles und erfordert viel Geduld.“ Dabei spiele leider das Zeitlimit pro Patient, dem viele Ärzte ausgesetzt sind, eine Rolle. Bewusst ist Kläß, dass Borreliose viele Gefahren birgt, sein Ziel im Sinne des Patienten natürlich die Früherkennung. „Wir versuchen mit Fortbildungen Ärzte darauf aufmerksam zu machen.“ Aber: Schlecht sei es nicht, wenn auch die Patienten sensibilisiert würden und ihren Arzt auf die Möglichkeit einer bestehenden Borreliose hinwiesen. Erstes Signal: Die Wanderröte (Erythema migrans), ein roter Ring, der sich um die Einstichstelle bildet. Sie kann schon einige Tage nach der Infektion auftauchen, auch zusammen mit Symptomen wie Fieber, Kopfschmerz oder Magen-Darm-Beschwerden. Aber Vorsicht: Nur etwa 50 Prozent aller Infizierten entwickeln diese Wanderröte, die nicht immer kreisrund sein muss.

    Borreliose

    Borreliose ist eine Infektionskrankheit, die durch einen Zeckenstich übertragen werden kann. Wegen des wachsenden Kenntnisstandes der Ärzte über diese Erkrankung, wird laut Borreliose- und FSME-Bund Deutschland bei immer mehr Menschen (etwa 240 000 Neuinfektionen pro Jahr, laut Robert-Koch-Institut etwa 100 000) „Lyme-Borreliose“ diagnostiziert. 20 Prozent der Borrelien-Infektionen entwickeln sich zu Erkrankungen, de- ren Symptomatik und Schweregrad höchst unterschiedlich ist. Wichtig ist, dass die Borreliose schnell erkannt wird, eine ausreichend antibiotische Behandlung verspricht hohe Heilungsquoten. Erstes Anzeichen ist die Wanderröte. (Quelle: Borreliose und FSME-Bund). Beratung bei Klaus Gesell: Tel. (08 21) 9 07 56 65; www.borreliose-bund.de

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