Im Wein liegt die Wahrheit, heißt es. Eine bittere Wahrheit mussten kürzlich Jürgen Hupp und andere Weinliebhaber verkraften. Nämlich, dass ihnen die Winzergenossenschaft Divino Nordheim Thüngersheim die Patenschaft für ihre Rebstöcke am Thüngersheimer Johannisberg gekündigt hat.
Die bittere Kunde ereilte Jürgen Hupp im Dezember per Post. Das Schreiben liegt der Redaktion vor. Etwas umständlich führt die Winzergenossenschaft darin auf das eigentliche Thema hin – die Kündigung der Rebstock-Patenschaften.
Von Synergien ist da die Rede, die sich durch die im September 2012 beschlossene Verschmelzung der beiden Genossenschaften Divino Nordheim und Consilium Thüngersheim ergäben. Aufgrund diverser Umstrukturierungen in allen Bereichen „ist es uns nicht mehr möglich, die Rebstock-Patenschaft mit der gewohnten 'Manpower' fortzuführen“. Sie werde zum Jahreswechsel 2014 gekündigt. Jürgen Hupp kann das nicht verstehen. Für 60 Euro im Jahr konnten sich Paten aus ganz Deutschland in Thüngersheim einen Weinstock mieten. Rund 500 Menschen hätten das getan, sagt der Höchberger. Unter ihnen sei auch Bischof Friedhelm Hoffmann gewesen.
Mehrmals im Jahr konnten die Paten nach ihren Rebstöcken schauen: Zum Schnitt im Frühjahr, zum Weinfest im Sommer und im Herbst, wenn die Trauben geerntet wurden. Im Folgejahre erhielten die Paten Bocksbeutel mit ihrem Wein.
„Das war ein Schnellschuss. Da hat jemand nicht bedacht, was das bedeutet.“
Jürgen Hupp Obst- und Gartenbauverein
Wer bei den Aktionen helfen wollte – fein. Ansonsten übernahmen Fachkräfte der Winzergenossenschaft die Pflege der Pflanzen.
Immer aber gab es nach den einzelnen Aktionen eine Brotzeit; es war ein „lustiges Beisammensein“.
Jürgen Hupp, stellvertretender Vorsitzender des Höchberger Obst- und Gartenbauvereins, packte gern mit an. Und er brachte „mindestens zehn Leute“ mit, alles potenzielle Kunden für die Winzergenossenschaft. Und genau das ist, was Hupp stört: Durch die Kündigung werden nicht nur die Paten vergrätzt, sondern auch deren Bekannte und Verwandte. Wer von denen, so fragt er, kaufe jetzt noch Thüngersheimer Wein? Hupp vermutet hinter der Kündigung einen „Schnellschuss“. Da habe jemand „nicht bedacht, was das bedeutet“.
„Wir wollen Weinqualität und -image nach vorne bringen.“
Wendelin Grass Divino Nordheim Thüngersheim
Diesen Eindruck vermittelt Wendelin Grass, Geschäftsführender Vorstand der Divino Nordheim Thüngersheim, nicht. Er spricht er nur von „200 Patenschaften“. Die beiden Genossenschaften hätten ja fusioniert, weil die eG in Thüngersheim große wirtschaftliche Schwierigkeiten gehabt habe. Um Synergien zu erzielen, sei unter anderem die Verwaltung in Nordheim (Landkreis Kitzingen) gebündelt worden.
Laut Kündigungsschreiben wird auch der Keller schrittweise dorthin verlagert. Vinothek und Traubenannahme verbleiben in Thüngersheim. Im Sinne der Bündelung muss man nach Grass' Worten „überlegen, auf welche Dinge man verzichtet“. Für ihn gehören die Rebstock-Patenschaften dazu. Der Aufwand stelle sich im Vergleich zum Ertrag unverhältnismäßig dar.
Um den Standort Thüngersheim zu stärken, setzt Grass auf „andere Maßnahmen als die Rebstöcke. Wirksamer erscheinen ihm der Ausbau der Direktvermarktung und der Vinothek in Thüngersheim. „Wir wollen die Weinqualität und das -image nach vorne bringen.“
Übrigens: Auch andere Veranstaltungen mussten laut dem Vorstand über die Klinge springen, so die Weinfeste in Nordheim selbst und in Bamberg. Das Technikteam sei durch Auf- und Abbau einfach zu sehr beansprucht worden.
Dass er mit der Kündigung der Patenschaften deren Inhaber verschreckt, sieht Wendelin Grass nicht: „Bisher hatten wir nur drei negative Reaktionen.“ Jeder entscheide selbst, wo er seinen Wein kauft. Nichtsdestotrotz: Grass kündigt in Thüngersheim „Ersatzaktivitäten“ an: „Es wird ein Weinfest geben, nicht nur für die Paten, sondern für alle.“ Die Rebstockpaten sollen Patenschaftsschilder bekommen. Zumindest für Jürgen Hupp dürfte das kein Trost sein.