In jeder Hinsicht ist die „Pfarrei des Bischöflichen Klerikalseminars Sankt Michael Würzburg“ die kleinste Pfarrei im Bistum Würzburg. Sie misst zum einen laut Zentraler Datenbank des Bistums Würzburg gerade mal 18 000 Quadratmeter Grundfläche. Zum anderen besteht die Gemeinde nur aus Männern, die Priester werden wollen. Zwölf Seminaristen wohnten hier zum Abschluss des Sommersemesters 2015. Leiter des Priesterseminars ist seit 2008 Regens Herbert Baumann. Er wird unterstützt von Subregens Stefan Fleischmann und Spiritual Domvikar Paul Weismantel.
Hinter der schmucken Fassade des Hauptportals in der Domerschulstraße ist alles vorhanden, was man für das tägliche Leben braucht, von der Küche und Waschküche über eine Bibliothek mit rund 40000 Bänden bis hin zum Fitnessraum oder dem gemütlichen Bierkeller, berichtet der Pressedienst des Bischöflichen Ordinariats. „Wir sind ja hier irgendwie privilegiert“, diesen Satz hat Regens Herbert Baumann schon öfter gehört. Es kann zwar manchmal nerven, jeden Tag mit den gleichen Menschen zusammen zu leben – aber zugleich ein großer Vorteil sein, findet Baumann. „Wir legen viel Wert darauf, dass unsere Studenten gemeinschaftsfähig sind.
Das Priesterseminar bietet hier eine große Chance. Man muss miteinander leben, sich miteinander arrangieren.“ So wie die künftigen Priester später in der Pfarrei mit unterschiedlichen Menschen zusammenarbeiten müssen.
Viel Wert wird in der Ausbildung darauf gelegt, dass die Seminaristen mit der Welt „draußen“ in Kontakt sind und praktische Erfahrungen sammeln. Zum Beispiel bei der heiligen Messe, die während des Semesters jeweils montags um 19 Uhr in der Seminarkirche Sankt Michael gefeiert wird. Zwar wird der Gottesdienst von Priestern zelebriert, aber die Seminaristen werden mit einbezogen. „Die Studenten sollen lernen, in einer solch großen Kirche zu sprechen und selbst einen Gottesdienst zu gestalten. Sie machen zum Beispiel die Einführung in den Gottesdienst, suchen die Lieder und Fürbitten aus.“ Ab dem siebten Semester spenden die Seminaristen in Zusammenarbeit mit den Seelsorgern vor Ort die Krankenkommunion in Altersheimen oder im Juliusspital.
Bereits seit Januar werden im Priesterseminar auch Deutschkurse für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge veranstaltet. „Die Studenten gehen auf die Flüchtlinge zu“, hat Baumann beobachtet. Ab dem Wintersemester 2015/2016 wird das Priesterseminar noch mehr Gäste beherbergen. „Wir werden Studenten im Borgiasbau unterbringen“, erklärt Baumann. „Das ist ein anderer Gebäudetrakt als der, in dem die Seminaristen wohnen. Aber die Studenten sind eingeladen, die Gottesdienste mitzufeiern.“
„Wir sind ja hier irgendwie privilegiert.“
Herbert Baumann Regens des Priesterseminars
Ein großes Ereignis ist das jährliche Sommerfest mit Familien und Freunden der Studenten, Nachbarn, Theologiestudenten und Professoren. „In der Regel haben wir ein großes Programm“, erzählt Baumann. Das Unterhaltungsprogramm wird von den Seminaristen selbst erarbeitet. In diesem Jahr stand es etwa unter dem Motto „Chanson meets Klassik“.
Ein wichtiger Teil der Ausbildung sind die beiden „Auswärtssemester“. Dabei sollen die Seminaristen neue Erfahrungen sammeln, aber auch ihre Berufung prüfen, erklärt Baumann. „Sie können ausprobieren, ob die Entscheidung für diesen Beruf auch außerhalb des Schutzraums ,Seminar‘ gelebt werden kann. Wenn ich mir die Zeit frei einteilen kann, wie gehe ich dann mit dem Gebetsleben, dem Gottesdienstbesuch, dem zölibatären Leben um?“ Wer damit klarkommt, hat eine große Hürde genommen. Ein Problem teilen die Seminaristen beim Studium an einer anderen Universität jedoch mit allen Studenten, gleich welcher Fachrichtung: „Selbst wenn die gleiche Überschrift über dem Modul steht, ist nicht gesagt, dass der gleiche Inhalt drinsteckt. Es ist ein großes Problem, die Studienleistungen anerkannt zu bekommen.“
Mehr als drei Viertel der Seminaristen schließen die insgesamt achtjährige Ausbildung mit der Priesterweihe ab, schätzt Baumann. „Doch die Zahl derer, die sich für den Priesterberuf entscheiden, sinkt.“ In diesem Jahr zum Beispiel wurde ein Kandidat zum Priester geweiht. Sorgen um die Zukunft des Hauses macht er sich aber nicht. Sein Ziel sei es, das Priesterseminar zu einem Haus der pastoralen Ausbildung zu entwickeln. Dann soll die Ausbildung von Gemeinde- und Pastoralreferenten, Diakonen und angehenden Priestern ein gemeinsames Dach bekommen. „Wir wollen dadurch die Möglichkeiten zur Vernetzung besser wahrnehmen und auch die Logistik des Hauses besser nutzen.“
Priesterseminar
Seit 426 Jahren besteht das Bischöfliche Priesterseminar in Würzburg. Am 2. Januar 1589 hatte Fürstbischof Julius Echter in Folge des Konzils von Trient die Errichtung eines Priesterseminars in Würzburg zum Abschluss gebracht. Die Vorarbeiten zur Priesterausbildung hatte zuvor Fürstbischof Friedrich von Wirsberg auf Drängen von Petrus Canisius gelegt. Seit 9. Juni 1789 hat die Ausbildungsstätte ihren Sitz im ehemaligen Jesuitenkolleg. Die Figur über dem prächtig gestalteten Portal des Seminars weist noch versteckt auf die Jesuiteneinrichtung hin.
Denn die heute zu sehende Figur des guten Hirten zeigte bis 1789 den heiligen Ignatius von Loyola, der damals zur Jesus-Darstellung umgeändert wurde. Das Würzburger Priesterseminar ist eine eigene Pfarrei. Zum Gebäudekomplex der Einrichtung gehören die Michaelskirche, der Hauptbau, der Regentenbau und der Borgiasbau. Geleitet wird das Haus vom Regens, dem ein Subregens und ein Spiritual zur Seite stehen.
Die Ausbildung beginnt mit dem Propädeutikum. Dieses Vorbereitungsjahr vor dem Theologiestudium beinhaltet eine Glaubens-, Lebens- und Sprachenschule. Ausbildungsstandorte sind Bamberg und Passau. Dann folgen das Studium an der katholisch-theologischen Fakultät der Uni Würzburg und die Ausbildung im Priesterseminar. Nach dem Studienabschluss beginnt ein zweijähriger Pastoralkurs. Dabei lebt der Priesterkandidat in einer Pfarrei. Der Pastoralkurs schließt mit der Priesterweihe.