348 Stimmen dafür, 274 dagegen: Die Abgeordneten des Europaparlaments stimmten der umstrittenen Reform des Urheberrechts am Dienstag in Straßburg ohne Änderungen zu. Ziel der nationalen Umsetzung müsse es nun sein, die berechtigten Interessen von Künstlern, Autoren und Kreativen mit dem freien Internet in Einklang zu bringen, betont die bayerische Digitalministerin Judith Gerlach (Aschaffenburg) in einer ersten Stellungnahme. Auch das Netz brauche "demokratische Regeln", so die CSU-Politikerin.
"An dem Abstimmungsergebnis sieht man, wie verhärtet die Fronten sind", sagt Alexander Paravac, der Vorsitzende des Würzburger Vereins "Nerd2Nerd", der sich mit Netz- und Computerthemen beschäftigt. Er könne sich vorstellen, dass Institutionen wie Reporter ohne Grenzen oder Menschenrechtsorganisationen gegen die Richtlinie klagen. Der Verein "Nerd2Nerd" plant weitere Protestaktionen. "Bis das Gesetz in nationales Recht umgesetzt wird, kann es noch dauern", sagt Paravac.
Viele Nutzer haben sich an Gratis-Inhalte gewöhnt
Kilian Moritz, Professor für Urheber- und Medienrecht an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS), freut sich, dass der Entwurf im Parlament angenommen wurde. "Kreativität und Kultur benötigen einen wirkungsvollen Schutz", sagt er. Meinungs- und Informationsfreiheit seien hohe Güter, die es zu verteidigen gelte. "Allerdings seien auch die Eigentumsrechte von Autoren und Künstlern, "die von den Früchten ihres Schaffens ihren Lebensunterhalt bestreiten" ein Gut, das geschützt werden müsse. Dies sei in der aufgeregten Diskussion der vergangenen Wochen vielfach übersehen worden.
Moritz wählt einen drastischen Vergleich: "Eine Umfrage 'Wer ist für Freibier für alle?' würde vermutlich auf über 90 Prozent Mehrheit kommen", erklärt er. Niemand käme aber ernsthaft auf die Idee, so etwas zu fordern, da es eine Enteignung der Hersteller und Händler wäre. "Warum soll dann bei der Frage 'Content im Netz kostenlos für alle?' plötzlich die Eigentumsgarantie nicht mehr gelten, nur weil das lautstark gefordert wird?" Viele Nutzer hätten sich daran gewöhnt, dass es fast alles umsonst im Internet gibt – laut dem Professor sollen Urheber für ihre Leistung aber "das Geld bekommen, das ihnen zusteht".
Digitalministerin: Bezahlen statt Blocken
Die Reform soll das veraltete Urheberrecht in der EU an das digitale Zeitalter anpassen. Vor allem Artikel 13 der Reform, der im finalen Gesetzestext Artikel 17 heißt, ist umstritten. Unter anderem in Würzburg haben am vergangenen Wochenende
Kritiker wenden ein, dass Plattformen wie YouTube danach künftig schon beim Hochladen überprüfen sollen, ob Inhalte urheberrechtlich geschütztes Material enthalten. Das ist ihrer Meinung nach nur über sogenannte Uploadfilter möglich, bei denen die Gefahr bestehe, dass viel mehr als nötig aussortiert werde.Digitalministerin Gerlach bestreitet das. Ihrer Meinung nach kann der deutsche Gesetzgeber die Uploadfilter sehr wohl verhindern. Ein "pragmatischer Kompromiss" sei "Bezahlen statt Blocken". Die Plattformen könnten zu pauschalen Lizenzabgaben an die Urheber verpflichtet werden. Sie wolle "weder, dass die Nutzer zahlen, noch dass die Meinungsfreiheit im Netz durch Zensur eingeschränkt wird", sagt die CSU-Politikerin auf Nachfrage dieser Redaktion.
Knapp fällt die erste Reaktion von Dorothee Bär (Ebelsbach) aus. Die CSU-Staatsministerin und Beauftragte für Digitales im Bundeskanzleramt hatte sich im Vorfeld anders als ihre Kabinettskollegen klar gegen die nun beschlossene Urheberrechtsreform positioniert. Nun gehe es darum, "das Beste aus der Richtlinie zu machen und die Spielräume bei der Umsetzung in nationales Recht so zu nutzen, dass die Kollateralschäden für die Freiheit des Internets so klein wie möglich bleiben".