Bei der Aktion Rollentausch besuchte Landrat Eberhard Nuß die Familie Schill. Begleitet wurde er von AWO-Mitarbeiter Beppo Jaroschewski. Der Sozialpädagoge kennt Elke und Stefan Schill und ihre Kinder seit Juli 2007. Er unterstützt die Familie mit der Sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH), einem Hilfsangebot das vom Landkreis Würzburg finanziert wird. „Ich wollte die Lebenssituation einer Großfamilie kennen lernen“, erklärt Nuß seine Wahl für die Aktion Rollentausch.
An einem der wenigen sonnigen Nachmittage im Mai spielen Cecilia, 7 Jahre, Charleen, 6 Jahre, Chandra, 4 Jahre, im Garten. Der dreijährige Cedric schläft auf dem Sofa. „Osterküken“ Chelestin-Josephin ist gerade mal sieben Wochen alt und nuckelt zufrieden am Fläschchen. Die zwei Ältesten, Julia-Maria, 18, und Anja, 16, sind gerade mit dem kleinen Brüderchen, dem einjährigen Ceanu-Stefan, unterwegs.
Es geht zwar lebhaft, aber nicht laut zu an diesem Dienstagnachmittag im großen Wohnzimmer der Schills. Zuhören ist gefragt. Vater Stefan Schill berichtet Landrat Nuß von seinen Versuchen, Arbeit zu finden. Jetzt hat er gute Aussichten auf eine unbefristete Stelle als Hausmeister in Würzburg. Ein weiter Weg von Hopferstadt aus, aber er freut sich darauf. „Das ist genau die Arbeit, die ich gerne tue“, sagt er.
Hilfsbereitschaft
Mutter Elke erzählt von den anfänglichen Schwierigkeiten, sich als Großfamilie in einem kleinen Ort wie Hopferstadt niederzulassen. Inzwischen schwärmen die Eltern von der Hilfsbereitschaft der Hopferstädter. Als kurz vor der Geburt von Chelestin-Josephin plötzlich das Auto der Familie in Ochsenfurt ausbrannte, fand sich sofort eine Nachbarin, die die hochschwangere Frau nach Hause fuhr. Und die Kartoffeln für die Klöße an Ostern brachte eine andere Nachbarin vorbei. Der Kindergartenverein unterstützt die Familie, wo er kann, vor allem der Vorsitzende, Alois Metzger, sei unermüdlich hilfsbereit, erzählen die Schills.
Zuhören, beraten, behutsam neue Wege aufzeigen – das gehört zu Beppo Jaroschewskis Arbeit in der SPFH. „Wenn ich den Herrn Jaroschewski nicht immer wieder anrufen könnte, wüsste ich oft einfach nicht weiter“, meint Elke Schill. „Ich hab mir schon viel Kummer und Leid raustelefoniert in den Gesprächen mit ihm.“ Nur – die Maßnahme läuft im Juli aus. „Ich schiebe manchmal schon Panik, dass ohne seine Hilfe alles zusammenbricht“, fürchtet sie.
Einmal pro Woche kommt der Sozialpädagoge ins Haus, bespricht Erziehungsprobleme und versucht, den Eltern Handlungsweisen zu vermitteln, mit denen sie den Kindern klare Strukturen, Regeln und Grenzen geben können. Mehrmals wöchentlich ist er am Telefon Helfer in der Not.
Ähnliche Probleme
Die Familien, die von den AWO-Sozialpädagogen betreut werden, treffen sich regelmäßig zum Grillen, beim Frauenfrühstück, zum Adventskranzbasteln oder am Wasserspielplatz auf dem Landesgartenschaugelände. „Zu erleben, dass auch andere Familien ähnliche Probleme haben wie man selbst, ist ungeheuer entlastend. Man tauscht sich aus und jeder bringt sich mit dem ein, was er am besten kann“, erzählt Beppo Jaroschewski. Elke Schill nickt und bekräftigt: „Ich würde etwas vermissen, wenn Herr Jaroschewski nicht mehr zu uns käme“, sagt sie noch einmal deutlich zum Landrat.
Ein guter Zuhörer für die Nöte der Schills ist auch Mario Priever, Sachbearbeiter im Landratsamt, lobt Elke Schill. Er hilft, wo er kann. Schnell und freundlich. Neulich ist das Ceranglasfeld des Herdes gebrochen – Elke Schill wünschte sich einen neuen Herd mit versenkbaren Knöpfen – der ist sicherer für die Kinder. Auch hierfür fand Mario Priever eine Lösung.
Probleme gibt es immer in einer Familie mit so vielen Kindern. Ausbildungsplätze für die beiden älteren Mädchen, 16 und 18 Jahre alt, Kindergarten- und Schulthemen bei den jüngeren lässt sich Landrat Nuß erzählen und hört aufmerksam zu.
Jetzt wurde der Familie das Haus gekündigt. Von Hopferstadt wegziehen möchte die Familie aber nicht. Immerhin sind seit 2006 vier „echte Hopferstädter“ als Hausgeburten zur Welt gekommen. „Das verbindet uns doch mit dem Ort“, meinen die Eltern. Und hoffen, dass sie eine neue Bleibe am Ort finden.
Auf dem roten Sofa hält der Landrat derweil Baby Chelestin-Josephin im Arm und entlockt dem schwarzhaarigen kleinen Mädchen ein Lächeln. Die Kleine scheint zufrieden. Auch wenn der Landrat nicht viel mehr machen konnte, als zuhören.
Eva-Maria Schorno ist Pressesprecherin des Landratsamtes und hat den Landrat beim Rollentausch begleitet.
Familienhilfe
2009 wurden im Landkreis Würzburg insgesamt 93 Familien mit 219 Minderjährigen durch die Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) unterstützt. Hier sind die Arbeiterwohlfahrt und die Caritas für den Landkreis Würzburg pädagogisch tätig.
Im Jahr 2009 betrugen die Kosten für die SPFH 429 000 Euro. Derzeit stehen 20 Familien auf der Warteliste des Amtes für Jugend und Familie.