Wenn Museumsleiter Herbert May über das aktuelle Hauptprojekt des Fränkischen Freilandmuseums spricht, funkeln seine Augen. Worte wie Höhepunkt, Mammutvorhaben oder Riesenaufgabe sagt dann einer, dem Übertreibung als Stilmittel eher fremd ist. Das mittelalterliche Badhaus aus Wendelstein im Landkreis Roth aber ist eben genau das: ein neuer Höhepunkt im Häuserbestand des Bad Windsheimer Freilandmuseums, ein Mammutprojekt für Museumsrestaurator Dieter Gottschalk sowie eine Riesenaufgabe für die Handwerker. Denn: Das Badhaus soll nicht einfach wieder aufgebaut werden, es soll funktionsfähig sein, also mittelalterlichen Badebetrieb ermöglichen.
Badhäuser wurden von sogenannten Badern betrieben und stellten anno dazumal die hygienische und medizinische Versorgung der Bürger sicher: In diesen öffentlichen Badeanstalten konnte sich die Bevölkerung mit warmem Wasser waschen, Sitz- oder Wannenbäder nehmen, aber auch Behandlungen wie Schröpfen, Aderlass und chirurgische Eingriffe vornehmen lassen. Badhäuser spielten bis zum 16. Jahrhundert eine wichtige Rolle in der Alltagskultur. In Wendelstein fand noch bis 1818 Badebetrieb statt. Dieser endete abrupt mit dem Königlich bayerischen Badstubenerlass, der den Betrieb aller Badehäuser aus hygienischen Gründen verbot.

Das Wendelsteiner Badhaus werde das erste überhaupt in einem Freilandmuseum, sagt Museumschef Mey. Außerdem könne das Gebäude mit einer weitgehend vorhandenen spätmittelalterlichen Bausubstanz aufwarten, inklusive fast komplett erhaltener Badstube. Das Badhaus wurde 1450 errichtet, die Vorgängerbauten an selber Stelle waren noch älter, wie der Experte erläutert. Auf einem steinernen Parterre, in dem die Bad-stube mit Wasserkessel, Schwitzofen, Zisterne und Umkleideräumen untergebracht ist, befindet sich ein Fachwerkbau mit teils ausgebautem Dach. In diesem waren drei Wohnungen, in denen wohl die Familie des Baders und andere Mieter wohnten.
Die Technik für den Umzug des massiven steinernen Vollgeschosses mit seinen 80 Zentimeter dicken Wänden sei nichts Neues, erläutert Restaurator Gottschalk. Im Prinzip werden die Gebäude an ihrem Herkunftsort in Einzelteile zersägt, die Wandteile in Korsette aus Holzbalken eingespannt, umgezogen und schließlich im Museum wieder zusammengefügt.
Das Wendelsteiner Badhaus wurde 2012 abgebaut, seit vergangenem Jahr arbeiten die Experten im Freilandmuseum am Wiederaufbau. Man sei wirklich gut im Zeitplan, heißt es. Das Knifflige sei die mittelalterliche Badhaus-Technik, über die es kaum oder keine technischen Aufzeichnungen gebe, sagt Gottschalk: „Wir stellen uns Fragen wie: Wo ist das dreckige Wasser hingeflossen, wo waren die Toiletten?“

Im Herbst soll erstmals der Heizkessel angeschürt werden. „Wir können bisher nur erahnen, wie viel zeitlichen Vorlauf es braucht, um das Wasser auf diese Weise richtig heiß zu bekommen.“ Offiziell in Betrieb genommen werden soll das Haus im Herbst 2020. Eine wöchentliche Mittelalter-Sauna stellt das Freilandmuseum allerdings nicht in Aussicht: „Ich weiß auch nicht, ob die mittelalterlichen Badhausregeln so vielen Menschen heute gefallen würden“, sagt May. Wahrscheinlich wurde das Wendelsteiner Badhaus von Frauen und Männern gleichzeitig benutzt - nackt, versteht sich. Es gab keine wirklich getrennten Räumlichkeiten und im sogenannten Dunkelbad kam es wohl nicht selten zu handfesten Reibereien, weil mancher Besucher seine Finger nicht bei sich behalten konnte oder wollte. „Die Rechtsstreitigkeiten der damaligen Zeit sind gut dokumentiert“, sagt May.