Diesen Pilz haben schon viele vergebens gesucht. In Deutschland kommt er nur sehr vereinzelt vor, für Bayern wurde bisher kein Fund gemeldet: die Trollhand oder auch Weiden-Scheinflechtenpilz. Seinen Namen verdankt der Totholzbewohner seinem skurrilen Äußeren. In Schweden, dem Land der Trolle, kommt er häufiger vor. Sein volkstümlicher Name wurde laut Internet-Lexikon Wikipedia direkt aus dem Schwedischen übernommen. Jetzt hat Rudolf Markones aus Kist eine Trollhand auf Weidenästen bei Lohr (Lkr. Main-Spessart) entdeckt.
Seinen Fund wird Markones jetzt bei der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGFM) anmelden. Der ganzjährig vorkommende Pilz gelte als gefährdet. Er lebe in Symbiose mit der Tabakbraunen Borstenscheibe, einem anderen holzzersetzenden Pilz. Die Trollhand ist fünf bis acht Zentimeter groß und gelb- bis rotbraun.
Markones, Facharzt für Allgemeinmedizin mit Praxis in Kist, ist Vorsitzender der Pilzfreunde Mainfranken. Die noch sehr kleine Gruppe hat 2015 eine Eintragung im Vereinsregister beim Amtsgericht Würzburg beantragt. Ihr Ziel: Wissenszuwachs im Bereich der Pilzkunde in Mainfranken. Beim Mikroskopierabend der Pilzfreunde Mainfranken in Reichenberg (Lkr. Würzburg) wird Kleines ganz groß.
Konzentriert beugen sich die Köpfe über die Mikroskope. Wie Gewürm, so sieht die Substanz auf dem Objektträger in 400-facher Vergrößerung aus. Tatsächlich handelt es sich um ein Stück von der Huthaut des Heimtückischen Täublings, bekannt auch als Zedernholz-Täubling. „Nicht jeder Pilz ist so einfach zu identifizieren wie der Steinpilz oder der Pfifferling“, sagt Markones. „Manchmal ist eine Bestimmung nur mit Mikroskop möglich.“
Alle 14 Tage treffen sich die Pilzliebhaber im Galeriehaus in Reichenberg. Für sie geht es nicht in erster Linie darum, essbare Schwammerl für die Pfanne zu finden. Markones, gewandet in ein mit Pilzen und Schnecken bedrucktes Hemd, hat in einer Schraubenbox verschiedene Herbstpilze mitgebracht. Der Grünblättrige Schwefelkopf ist darunter, einige Stockschwämmchen, ein Tannenreizker, ein Terpentinschneckling, ein Papageigrüner Saftling und ein tödlich giftiger Geselle: der Orangefuchsige Raukopf, gefährlicher Doppelgänger des essbaren Stockschwämmchens.
Die Pilzfreunde begutachten die Funde, beschnuppern und betasten sie. Riecht der Pilz nach Rettich? Oder nach Gummistiefeln, nach Gurken, Terpentin, Knoblauch oder Kokosnuss? Die Nase spielt neben dem äußerlichen Aspekt eine entscheidende Rolle bei der Pilzbestimmung. Aber eben auch der Blick durchs Mikroskop.
Fachkundig angeleitet werden die Pilzfreunde beim Mikroskopieren von Maria Grünsfelder aus Reichenberg. Die 82-jährige promovierte Botanikerin, ehemals Professorin am Lehrstuhl für pharmazeutische Biologie der Universität Würzburg, erklärt, wie man die Huthaut des Heimtückischen Täublings in geschmolzener Glyzeringelatine auf den Objektträger bannt. Wie man die Ränder des Deckglases zwecks Haltbarmachung des Präparats mit farblosem Nagellack oder einem speziellen Kitt abdichtet. Sie hat zu Hause auch Sporen des Zedernholztäublings gewonnen, eine kitzlige Geschichte, denn die Sporen sind nur wenig Mikrometer groß. „Wie kleine Igel“, findet Markones, sehen sie aus unter dem Mikroskop.
Für Pilzfreunde und die Objekte ihrer Begierde war der Supersommer 2015 in Mainfranken überwiegend eine lange Durststrecke. Denn Pilze zeigen sich nur bei ausreichender Feuchtigkeit. „Am ehesten gab es noch Pilze, die von der Feuchtigkeit des Holzes leben“, sagt Markones. Steinpilze habe man eigentlich nur in einer kurzen Zeitspanne Ende September finden können.
Entsprechend wenig Vergiftungsfälle sind Markones, der bei Notfällen auch als Pilzsachverständiger zurate gezogen wird, aus der Region bekannt geworden. Als Verursacher für schweres Bauchgrimmen käme beispielsweise der Satansröhrling in Frage, ein kalkliebender Steinpilzverwandter, der besonders häufig in der Region um Würzburg vorkommt.
Markones hat sich in den letzten 20 Jahren vom Mykophagen, einem Menschen, der Pilze ausschließlich für den Kochtopf sammelt, zum ausgewiesenen Pilzexperten weitergebildet. Er kann unzählige Arten sicher bestimmen und nimmt auch an Kartierungen der Pilzflora für Naturschutzverbände oder Behörden teil.
Experimentierfreudig ist er bei alldem trotzdem geblieben. „Der Tannenreizker gilt als nicht sehr schmackhaft, ich hab ihn neulich probiert, schmeckt nicht schlecht“, erzählt er beispielsweise. Oder der Terpentinschneckling: Der habe einen „etwas eigenartigen Geschmack, aber man kann ihn essen“. Und seinen Schnupftabak versetzt er auch schon mal mit getrocknetem und pulverisiertem Fliegenpilz. Sensationelle Halluzinationen habe er dabei aber nicht erlebt, erzählt er – und grinst spitzbübisch.
Markones zeigt seinen Mitstreitern Fotos von diesjährigen Funden: Von Spitzschuppigen Wulstlingen, die heuer bei Karlstadt-Mühlbach vorkamen. Von einem Doppelring-Trichterling, gefunden in Österreich. Von einer Gruppe Beschleierter Tintlinge Anfang November am Volkersberg. Vom überaus seltenen Schwefelgelben Schuppenritterling, der nur an einer bestimmten geheimgehaltenen Stelle im Spessart vorkommt. Von Gallertträne, Eichhase, Zipfellorchel und Bischofsmütze. Markones beherrscht neben den volkstümlichen auch die wissenschaftlichen Namen der Pilze. Da wird dann schon mal diskutiert, ob es sich bei dem abgebildeten Hallimasch um einen Armillaria gallica (den Fleischfarbenen) oder einen Armillaria mellea (den Honiggelben) handelt.
Die Pilzfreunde sind fasziniert von der Vielfalt der Pilzflora, von diesem Organismenreich zwischen der Tier- und Pflanzenwelt. Einen Einblick in ihr Wissen und Welt der Pilze wollen sie dieses Jahr wieder bei einer großen Pilzausstellung im Botanischen Garten in Würzburg geben. Geplant sind außerdem der Besuch von Pilzkongressen und natürlich gemeinsame Exkursionen.
Kontakt: Pilzfreunde Mainfranken, Am Rosengarten 14, 97270 Kist, Tel. (01 76) 47 70 15 28, E-Mail: info@pilzfreunde-mainfranken.de