Freie Fahrt für Radler auf eigene Verantwortung an roten Ampeln – mit diesem Vorschlag hat der grüne Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek im Sommer für Schlagzeilen gesorgt. Jetzt hat Janecek auf Einladung des Würzburger Kreisverbands der Grünen seine Idee im Felix-Fechenbach-Haus erklärt – im Streitgespräch mit der Landtagsabgeordneten Kerstin Celina, die überhaupt nichts davon hält.
„Stopp statt Rot“ – mit diesen drei Worten lässt sich zusammenfassen, was zum Beispiel in Paris gut funktioniert und bereits vor über 30 Jahren im Städtchen Boise im amerikanischen Bundesstadt Idaho zum ersten Mal eingeführt würde: Radfahrer dürfen jede rote Ampel wie ein Stoppschild betrachten. Sie müssen anhalten, sich ein Bild von der Lage machen und dürfen dann bei Rot weiterfahren, wenn der Verkehr es zulässt.
„Wer trotz Rot nicht anhält, begeht eine Verkehrswidrigkeit. Die Entscheidung weiterzufahren liegt in der Eigenverantwortung des Radfahrers“, erläuterte Janecek knapp 50 interessierten Zuhörern. Der 40-jährige Familienvater ist davon überzeugt, dass sich durch den Vorschlag der Radverkehr beschleunigen lässt.
Fakt ist laut Janecek, dass es schon jetzt nachts auf leeren Straßen viele Radler gibt, die an einer Ampelkreuzung nicht darauf warten, dass es grün wird. Für gefährlich hält er seinen Vorschlag nicht, ganz im Gegenteil: „Gerade im Stadtverkehr bilden sich an Ampeln immer wieder Radler-Schlangen. Durch abbiegende Autos können dann gefährliche Situationen entstehen.“
Das sieht Kerstin Celina ganz anders. Sie hat mit Janecek schon im sozialen Netzwerk Facebook über das Thema gestritten, so entstand die Idee zu der Podiumsdiskussion. 2015 sei die Zahl der Rad-Unfälle in Bayern um fast neun Prozent gestiegen: „Stopp statt Rot hilft nicht dabei, diese Situation zu verbessern. Knackpunkt dabei ist für mich, dass die vorgeschlagene Regelung für alle Verkehrsteilnehmer außer für Radfahrer eine zusätzliche Belastung wäre“, so Celina.
Der Landtagsabgeordneten aus Kürnach geht es nach eigenen Worten um einfache und klare Regeln im Straßenverkehr: „Dieser Vorschlag bedeutet aber eine komplizierte Regelung mehr. Und wie soll ich Kindern erklären, dass sie bei Rot stehen bleiben müssen, wenn ein Radfahrer eine rote Ampel überfahren darf?“ Auch Fußgänger könnten sich beim Überqueren der Straße nicht mehr darauf verlassen, dass Radfahrer stehen bleiben, so Celina weiter. Gerade in Großstädten gebe es zu viele unübersichtliche Kreuzungen, um eine allgemeine „Stopp statt Rot“-Regelung an allen Ampeln einzuführen.
Das ist auch der Standpunkt der Polizei: „Mir ist diese Regelung zu pauschal. Es gibt einen Vertrauensschutz für Verkehrsteilnehmer, die Grün haben“, betonte Polizeioberrat Markus Hack vom unterfränkischen Polizeipräsidium. Außerdem gebe es bereits Lösungen, mit denen der Radverkehr beschleunigt und gefährliche Situationen entschärft werden können – etwa die Aufstell-Spur für Radler an Ampeln vor den Kraftfahrzeugen oder eigene Radler-Ampeln, die ihnen einen Vorsprung geben.
Thilo Wagenhöfer vom ADFC ist dagegen ein Befürworter der Idee: „Es gibt nur deshalb so viele Ampeln, weil der Autoverkehr gefährlich ist und reguliert werden muss. Im Regelfall leider nicht zu Gunsten von Fußgängern und Radfahrern – das schafft Verdruss.“ Der ADFC würde die neue Regelung gerne in einem Pilotprojekt testen und hält dafür Zusatzschilder an den Ampeln für erforderlich.
Dieter Janecek blieb bei seinem Standpunkt - es gebe in europäischen Großstädten bereits erfolgreiche Pilotprojekte, und in Skandinavien werde das Überfahren roter Ampeln durch Radler stillschweigend geduldet und nicht geahndet. Das führt laut Janecek dazu, dass Autofahrer an Kreuzungen grundsätzlich aufmerksamer sind.