Wer sich für eine Weiterbildung zum „Edelbrand-Sommelier“ entscheidet, muss schon was aushalten können. Anette Steinmann aus Sommerhausen hat im März die Abschlussprüfung bestanden, dafür aber auch ordentlich trainieren müssen. „An einem Tag haben wir an die 50 Brände probiert“, verrät sie. Obwohl die hochprozentigen Probeschlückchen wieder ausgespuckt werden, ist so eine Verkostung ein hartes Stück Arbeit.
Anette Steinmann ist kein Neuling in der Welt der Obstbrände. Ihre Familie betreibt in Sommerhausen einen Hofladen, in dem Spargel und Obst aus eigenem Anbau verkauft werden. Ehemann Günther nutzt das ererbte Brennrecht, um einen Teil des Obstes zu Bränden zu verarbeiten. Seine Frau hatte das Gefühl, dass sie diese Brände in ihrem Laden noch besser zur Geltung bringen könnte, wenn sie sie mit fundierten Kenntnissen treffender beschreiben und ihre jeweiligen Vorzüge herausheben könnte.
Sensorik kann man lernen wie eine Fremdsprache
Diese Fähigkeiten vermittelt der Lehrgang der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Vor allem Sensorik, Vermarktung und Präsentation stehen im Vordergrund. „Sensorik kann man lernen und trainieren wie eine Fremdsprache oder ein Musikinstrument“, sagt Anette Steinmann. In dem Kurs lernen die Teilnehmer von Spezialisten, die einzelnen Aromen herauszuschmecken und zu identifizieren. „Mirabelle zum Beispiel hat eine Bonbon-Note, Apfelbrand ein Aroma von Rosinen und der Williams-Brand seinen typischen Duft“, sagt die 47-Jährige. „Der Birnengeschmack entwickelt sich erst im Mund.“
Edelbrand-Sommelier – das klingt nicht nach die Kehle betäubendem hartem Schnaps, sondern irgendwie hochwertig, nach Genuss. Das ist auch das Ziel des Lehrgangs. Anette Steinmann will ihren Kunden zum Beispiel vermitteln, dass Obstbrände, genauso wie Weine, zu einem guten Essen genossen werden können und dessen Aromen unterstützen. „Schnaps machte man früher, als das zu Boden gefallene Obst auch noch irgendwie verwertet werden musste“, erklärt sie. „Und der Schnaps wurde gesoffen.“
Edelbrände sind nicht zum Besäufnis gedacht
Wer heutzutage Edelbrände macht, der nimmt gute Früchte, sagt die frisch gebackene Sommeliere. Dementsprechend ist der Edelbrand auch kein Produkt, das zum Besäufnis gedacht ist. „Ich möchte das Vorurteil aus den Köpfen bringen und zeigen, dass Brände Genussmittel sind“, sagt Anette Steinmann. Sie möchte die ruhigere Zeit im Winter nutzen, um für die Präsentation der Brände in ihrem Hofladen ein Konzept zu erstellen. So könnte sie sich etwa Spaziergänge mit anschließender Verkostung vorstellen. Auch Cocktails mit Edelbränden sind ein Thema, mit dem sie sich noch auseinandersetzen will.
Wer einmal angefangen hat, den Feinheiten der Edelbrände nachzuspüren, der muss dranbleiben. Nur stetiges Training verfestigt die Zugehörigkeit der Aromen zu bestimmten Bränden im Gehirn. Anette Steinmann kann sich deshalb auch gut vorstellen, als Prüferin bei Prämierungen von Edelbränden mitzuwirken. Mit ihrer neu erworbenen Qualifikation darf sie das. Bei solchen Prüfungen, erklärt sie, komme es nicht nur auf die guten Aromen an. Ein Prüfer und Edelbrand-Sommelier muss außerdem erkennen können, ob ein Brand unter einem Fehler leidet.
Fehler in der Produktion werden aufgespürt
Ist schlechtes Obst genommen worden? War das Behältnis nicht sauber, ist ein falscher Hefepilz in die Maische geraten? Ein Brand ist während seines gesamten Entstehungsprozesses vielfältigen Gefahren ausgesetzt. All das können Anette Hofmann und die 14 anderen Absolventen ihres Kurses jetzt feststellen. Eine Seminararbeit war abzuliefern, dazu kamen ein schriftlicher und ein mündlicher Prüfungsteil. Seit das Kursangebot im Jahr 2012 startete, hätten insgesamt mehr als 100 Teilnehmer die Weiterbildung absolviert, teilt das bayerische Landwirtschaftsministerium mit. In Sommerhausen, sagt Anette Steinmann stolz, sei sie aber bislang die einzige Edelbrand-Sommeliere.