Schon zum dritten Mal muss sich eine 48-jährige Arzthelferin aus dem Raum Lohr in Würzburg vor Gericht verantworten. Und wie bei den vorhergehenden Prozessen ist die Angeklagte ein Nervenbündel. Diesmal muss die Verhandlung sogar ausgesetzt werden, weil der Landgerichtsarzt der dreifachen Mutter Verhandlungsunfähigkeit attestiert.
Beim ersten Prozess im März 2008 wurde die Ehefrau eines Arztes vom Amtsgericht zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt, weil sie im Mai 2006 auf der schnurgeraden Bundesstraße zwischen Thüngersheim und Veitshöchheim mit ihrem Geländewagen auf die Gegenfahrbahn geraten war. Ihr Auto erfasste einen Wagen, in dem eine 36-Jährige und deren elfjährige Tochter saßen. Das Kind starb am Unfallort, die Mutter in einer Klinik.
Erst ein Dreivierteljahr später nahm die Arzthelferin über einen Seelsorger Kontakt mit dem Ex-Mann und Vater der Opfer auf. Der Pastoralreferent habe ihm erzählt, dass „der Anwalt und ihr Mann“ der 48-Jährigen „untersagt“ hätten, sich früher bei ihm zu melden, so der trauernde Vater damals im Zeugenstand. Er war überzeugt, dass die Angeklagte „weiß, wie alles passiert ist und dass ihr ihre Aussagen diktiert wurden“.
Freispruch aufgehoben
Die Unfallverursacherin legte Berufung gegen das Urteil ein. Im Prozess hatte sie sich auf Erinnerungslücken berufen. Ihr Verteidiger hatte eine Synkope, eine seltene, kurze Ohnmacht, als Unfallursache ins Spiel gebracht. Eine Darstellung, die laut Staatsanwalt Volker Büchs „durch den Ehemann veranlasst“ und erst „acht Monate nach dem Unfall“ vorgetragen wurde. Büchs hielt es für wahrscheinlich, dass die Frau während der Fahrt telefonierte und deshalb abgelenkt war.
Die Berufungsverhandlung vor dem Würzburger Landgericht im Juli 2009 endete mit einem Freispruch nach dem Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“, weil die genaue Unfallursache für das Gericht nicht aufzuklären war. Gegen diese Entscheidung legte der Vater des getöteten Kindes erfolgreich Revision zum Oberlandesgericht (OLG) ein, das das Urteil wegen „lücken- und fehlerhafter Beweiswürdigung“ aufhob.
Nun, fast viereinhalb Jahre nach dem Unfall, steht die 48-Jährige wieder vor Gericht. Schon vor Prozessbeginn zittert sie, Tränen laufen über ihr Gesicht. Hinter ihr im Zuhörerraum sitzen Angehörige - und ihr Ehemann. Dessen Anwesenheit, so Staatsanwalt Volker Büchs sei der Sache „nicht förderlich“. Schon im letzten Prozess habe der Arzt „eine unrühmliche Figur gemacht“. Damals hatten Zeugen berichtet, dass der Ehemann, der telefonisch von dem Unfall informiert worden war, den Wagen seiner Frau noch am Unfallort durchsucht habe.
Angeklagte mit Weinkrampf
Dann spricht Büchs die Angeklagte an. „Sie haben den Unfall nicht verarbeitet“, sagt er, „Sie werden an der Aufarbeitung von Ihrem Mann gehindert“. Der Mediziner könne „wohl nicht einsehen“, dass seiner Frau „etwas Schreckliches passiert ist, was jedem passieren kann“. Büchs' Appell an die Angeklagte: „Emanzipieren Sie sich, lassen Sie sich nicht vorschreiben, wie der Prozess laufen soll. Sie können die Sache nur aufarbeiten, wenn Sie zu ihrer Schuld stehen.“
Nach diesen Worten muss die Verhandlung unterbrochen werden, weil die Angeklagte einen Weinkrampf bekommt. Mit dem Argument, er müsse ihr „ärztliche Notfallhilfe“ leisten, begleitet der Ehemann seine Frau aufs Damen-WC. Wenig später untersucht sie der Landgerichtsarzt und erklärt sie für nicht verhandlungsfähig. Wahrscheinlich am 20. Oktober soll eine neue Verhandlung stattfinden.
Der Vater des getöteten Mädchens wird von Herbert Heizenröther vertreten. Sein Mandant leide sehr, so der Anwalt zur Main-Post. Dennoch reiche es ihm, wenn die Angeklagte „endlich ihre Schuld eingesteht“. Wie diese dann geahndet wird, sei für den trauernden Mann „zweitrangig.“
Die Angeklagte hat auch jetzt noch die Möglichkeit, ihre Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung zu akzeptieren. Sollte sie das tun, müsste das Gericht nur noch darüber entscheiden, ob sie zu einer Geld- oder einer Freiheitsstrafe verurteilt wird.