Ein junges Mädchen sitzt auf dem Gerichtsflur. In ihrem Gesicht steht ein schüchternes Lächeln, zu ihren Füßen hockt ein Baby und spielt mit seinem Schnuller. Das Mädchen ist 15. Das Baby ist ihr Sohn. Sein Vater ist ihr Stiefvater.
Der 49-jährige, arbeitslose Handwerker sitzt auf der Anklagebank. „Es tut mir leid, was das passiert ist“, sagt er, „das war sehr schlecht“. Er ist angeklagt, weil er die Tochter seiner Frau missbraucht hat.
Drei Jahre ist es her, dass der Mann zum zweiten Mal geheiratet hat. Eine zierliche, unauffällige Asiatin, heute 32 Jahre alt, kaum der englischen Sprache mächtig, der deutschen fast gar nicht. Anfang 2006 darf sie ihre Tochter nach Deutschland holen.
Das Mädel nennt den Stiefvater „Papa“, ihr Bett steht in seinem Büro. Irgendwann, als die Mutter nicht daheim ist, kommt er das erste Mal zu ihr. 14 ist sie damals und noch Jungfrau. „Ich habe immer Nein gesagt, aber er hat nicht auf mich gehört“, erzählt sie dem Gericht, „danach habe ich geweint“.
Im April 2007 fühlt sie sich schlecht, muss erbrechen. Die Mutter kauft einen Schwangerschaftstest, erfährt, dass sie mit 32 Jahren Oma wird. Im Dezember bringt ihre Tochter das Baby zur Welt.
Als klar ist, dass der Handwerker seine Stieftochter geschwängert hat, ziehen Mutter und Tochter aus, informieren die Polizei. Ihre Angaben sind teilweise widersprüchlich. Auch das Gericht erfährt nicht alles, was es wissen möchte. Sei es wegen der sprachlichen Probleme, sei es wegen der anderen Mentalität.
Anderer Kulturkreis
„Sie hat sich extrem an mich ran geschmissen“, sagt der 49-Jährige über seine Stieftochter. „Ich habe ihn geliebt, wie man einen Vater liebt“, sagt das Mädchen, „ich habe ihn so behandelt, wie ich denke, dass man einen Vater behandelt.“ Erfahrung hatte sie damit nicht. Sie ist das Ergebnis einer Vergewaltigung. Ihr leiblicher Vater ist der Stiefvater ihrer Mutter.
Das Gericht erkennt das Dilemma des Mädchens, das mit 13 in einen anderen Kulturkreis kam. „Sie hatte in ihrer Heimat nur ein Beispiel dafür, wie man mit älteren, europäischen Männern umgeht“, sagt der Vorsitzende Richter, „und das waren die Frauen, die mit den Sextouristen gehen.“
Mit dem Handwerker redet er Klartext. „Sie haben sich aufgeführt wie ein Schwein.“ Dass der 49-Jährige eine Bewährungsstrafe bekommt, habe er seinem Geständnis zu verdanken. Und der Tatsache, dass man hinter Gittern nicht für seine Familie sorgen kann. „Ich will, dass sie zahlen“, sagt der Richter zum Angeklagten, der einen schlecht bezahlten Job in Aussicht hat. Und zwar Alimente für seinen Sohn, Betreuungsunterhalt für seine Stieftochter und Unterhalt für seine Frau, die die Scheidung eingereicht hat.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.