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Würzburg: Theaterstück "Heimat? Straße!": Einblicke in den Alltag von Obdachlosen

Würzburg

Theaterstück "Heimat? Straße!": Einblicke in den Alltag von Obdachlosen

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    Boris Ben Siegel und Julia Stephanie Schmitt recherchierten für ihre Würzburger Theaterperformance unter anderem in der Wärmestube und der Kurzzeitübernachtung der Christophorus-Gesellschaft.
    Boris Ben Siegel und Julia Stephanie Schmitt recherchierten für ihre Würzburger Theaterperformance unter anderem in der Wärmestube und der Kurzzeitübernachtung der Christophorus-Gesellschaft. Foto: Nadia Fiedler, Christophorus-Gesellschaft

    Mit welcher Oberflächlichkeit wir oft über "andere" sprechen. Über Flüchtlinge. Arme. Obdachlose. Was wissen wir über diese "anderen"? Im Grunde - fast nichts. Die meisten wollen auch gar nicht erfahren, dass das, was sie sich so denken, gar nicht wahr ist. So bleibt die Meinung oberflächlich. Bis man sich irgendwann vielleicht doch einlässt. Dazu lud in Würzburg die Performance "Heimat? Straße!" ein, an der auch Klienten der Christophorus-Gesellschaft mitwirkten. Das teilt die Gesellschaft in einem Schreiben mit, dem diese und nachfolgende Informationen entnommen sind. 

    Drei Tage lang war das Stück von Boris Ben Siegel und Julia Stephanie Schmitt im Würzburger Hahnenhof zu sehen. Dabei gaben die beiden Schauspieler auch Einblicke in den Entstehungsprozess. In "Heimat? Straße!" stellen sich die beiden nicht belehrend über das Publikum, das um sie herum auf Pappkartons am Boden hockt. Ihr Stück, das sie in Würzburg bei Einrichtungen der Christophorus-Gesellschaft weiter recherchierten und anlässlich der Armutswochen der Caritas aufführten, verhehlt nicht: Auch sie hatten Vorbehalte und Ängste. Doch sie sprachen mit Obdachlosen. Und begannen, über die ihnen bis dato fremde Welt zu staunen.

    Jeder muss als Mensch gesehen werden

    Obdachlos zu sein, bedeutet, Freiheit zu genießen, es bedeutet, tausend Qualen leiden zu müssen, es bedeutet permanentes Arrangement, es bedeutet Sucht, Streit und die Erleichterung darüber, Hilfe zu erfahren. In ihrer Performance zeichnen die Schauspieler auf Basis ihrer Gespräche mit etlichen "Pennern", Sozialarbeitern und Polizisten ein schillerndes Bild vom "Berbertum". Da begegnen dem Publikum Menschen, deren Schicksal einem schier das Herz zerreißt. Doch keineswegs jeder Obdachlose ist sympathisch.

    Dass bei dem einen ein Rad locker ist und der andere nur noch als Wrack angesehen werden kann, immer ist der auf Drogen – auch das ist Lebensrealität. Jeder Obdachlose ist anders. Jeder landete aufgrund höchst individueller Umstände auf der Straße. Wobei es durchaus Konstanten gibt. Eine schmerzhafte Trennung, das gesellen sich Sucht sowie Job- und Wohnungsverlust. Daneben lassen Siegel und Schmitt Fakten einfließen.

    Sie erzählen unter "Wussten Sie…?" davon, dass es Ärzte in Würzburg gibt, die sich ehrenamtlich in der Sprechstunde der Wärmestube engagieren. So etwas zu wissen, ist interessant, aber es packt nicht. Es löst nicht jenen Gedanken aus, um den es den beiden Schauspielern im Kern geht: Jeder muss erst mal als Mensch gesehen werden. Egal, wie er lebt.

    Interviewte kommen im Stück zu Wort

    Es ist schwer, sich in Menschen hineinzuversetzen, die auf der Straße hocken, manchmal ziemlich schmutzig, vor sich einen Pappbecher und betteln. Die sich am helllichten Tag auf eine Parkbank lümmeln und Bier saufen. Weil man das selbst nie tun würde. Durch die Performance der Schauspieler wird das Verständnis leichter. Aktuell wächst die Not, immer häufiger kommt es zur Überbelastung sozialer Einrichtungen. Tafelläden haben Aufnahmestopp. Die Wartelisten bei Beratungsstellen werden länger.

    Auch wenn das nicht der Hauptfokus ist, macht die Performance doch auch darauf aufmerksam, dass die Probleme nicht zuletzt politisch bedingt sind. Die Wohnungskrise zum Beispiel ist politisch hausgemacht, das bekommen vor allem Menschen am Rand der Gesellschaft zu spüren. Dass die alles andere als gut auf den Staat zu sprechen sind, auch das wird herausgearbeitet.

    Durch ihre Performance wird klar, dass man ein noch so menschenfreundliches Recht in der Verfassung verankern kann – es nützt nichts, wird dieses Recht nicht von den Bürgerinnen und Bürgern gelebt. Siegel und Schmitt lassen von ihnen Interviewte zu Wort kommen, die unter unglaublich würdelosen Bedingungen hausen. In Wohnungen ohne Heizung. In Wohnungen mit Türen, die nicht abgeschlossen werden können. In absolut schlimmen Bruchbuden. Die fast kein bisschen besser sind als die Platte im Park.

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