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WÜRZBURG: Tolle Kora, kämpferische Fatoumata - und ein Karrieresprung

WÜRZBURG

Tolle Kora, kämpferische Fatoumata - und ein Karrieresprung

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    Würzburg-Legende, mit unglaublicher Präsenz: Fatoumata Diawara aus Mali am Samstagabend im großen Zelt.
    Würzburg-Legende, mit unglaublicher Präsenz: Fatoumata Diawara aus Mali am Samstagabend im großen Zelt. Foto: Foto: Patty Varasano

    Wie viel Kraft, Zorn, Kampf, Leid, Schmerz, Freude, Leidenschaft kann in einer einzigen zierlich-zarten Person stecken? Wie viel Aufbegehren und Mission, Anklage und Motivation? Wie viel Überzeugung, Ausdruck, Bühnenpräsenz, Musikalität?

    Die Antwort später. Beginnen wir chronologisch mit dem Freitagabend. Seit jeher zeichnet es das Würzburger Africa Festival aus, dass es jungen, (in Europa, in Deutschland) noch unbekannte(re)n Künstlern des schwarzen Kontinents eine Bühne bietet: die offene unter freiem Himmel. Bewährt sich ein Musiker da, entwickelt er sich weiter, dann wird er, vielleicht ein paar Jahre später, wieder gebucht: für das Abendprogramm, für das große Zelt. Für Elida Ameida, 24-jährige Sängerin von den Kapverden, ging dieser Sprung auf die große Bühne ganz schnell.

    Eingesprungen für die erkrankte Sara Tavares

    Statt am Freitagnachmittag im Sonnenschein zu spielen, stand sie am Freitagabend im Zelt im Scheinwerferlicht: mit rotem Kleid, barfuß, einem glücklichen Lachen und so zarter wie zugleich kräftiger Stimme.

    Sara Tavares, die große kapverdisch-portugiesische Liedermacherin, die als Newcomer vor 16 Jahren beim Africa Festival – auf der offenen Bühne – ihren ersten großen Auftritt hatte, war krank geworden und hatte ärztlich verordnetes Flugverbot. Sie bat darum, schlug vor, Elida Ameida auftreten zu lassen. Und so reihte sich die Sängerin der neuen, jungen Generation gleich bei ihrer Würzburg-Premiere ein in die Tradition toller, starker Sängerinnen aus den Kapverden im großen Zelt.

    Der Gesang: Süß und bitter

    Elida Ameida nimmt die traditionellen Klänge und Rhythmen ihrer Heimat, der Insel Santiago, und gibt ihr eine persönliche, moderne Note. „Ora Doci Ora Margos“ heißt ihr erstes Album, süße Zeiten, bittere Zeiten. Und so singt sie: Mal traurigernst über Diskriminierung und Teenagerschwangerschaften, mal innig über die Stärke afrikanischer Frauen, mal überschwänglich und fröhlich strahlend. Und wenn der Keyboarder zum Akkordeon greift, wird getänzelt und getanzt. Gute Musik mit Botschaft. Als Referenz an die Sängerin, die sie vertreten darf, singt sie Tavares' „Good Vibes“. Und gute Schwingungen gibt's auch im ausverkauften Zeltrund. Ein Name also zum Merken: Elida Ameida.

    Einen Namen, den man sich nicht mehr merken muss, weil er Bemerkenswertes geleistet hat und längst Africa-Festival-Legende ist: Salif Keita. Zum x-ten Male Gast in Würzburg, schon vor 20 Jahren beim neunten Festival begeisterte der Weltmusiker das Publikum. 67 Jahre alt ist er inzwischen, eine Autorität der afrikanischen Musikwelt, und immer noch einer, der experimentiert und entwickelt. Als Albino in Mali half er sich mit der Musik, sich über Vorbehalte, Aberglauben, Fremdsein und Ausgrenzung hinwegzusetzen. In diesem Jahr ist er ohne Djembe und Kalabash, ohne Balaphon und N'goni nach Würzburg gekommen. Dafür gibt es Sounds und Loops aus dem Laptop. Und als traditionelles, westafrikanisches Instrument die Kora! Das Ausrufezeichen tut an dieser Stelle Not, denn Mamadou Diabaté spielt diese Stegharfe mit unfassbarer Virtuosität. Mal fließend, perlend, sanft. Dann hart peitschend in rasend-schnellen Tonfolgen. Polyrhythmisch und melodisch, einer Bach-Partita an Raffinesse in nichts nachstehend. Sein Solo wird zum instrumentellen Höhepunkt dieses Africa Festivals.

    Kehliger Gesang, hypnotisch wie eh und je

    Und Salif Keita? Der beschwört routiniert mit seinem hypnotisierend kehlig-hohen Gesang intensiv wie eh Afrika. Und lässt dann wieder seine formidable Band und die beiden Tänzerinnen Afro-Sause machen. Zum 30-Jährigen im nächsten Jahr, so kündigt Festivalchef Stefan Oschmann an, wolle man alle Künstler holen, die in den vergangenen Jahren bewegt haben. Gelingt das, müsste der Mann aus Mali dabei sein.

    Samstags darauf im großen Zelt: wieder eine Würzburg-Premiere und noch einmal eine „Legende“, wenn dieser Begriff bei einer 35-Jährigen nicht so schräg klänge. Den Abend eröffnet Eneida Marta, Sängerin und Komponistin aus Guinea-Bissau. Auch sie hat einen wunderbaren Koraspieler dabei, liest ihre englischen Anmoderationen lachend vom Zettel ab und begeistert mit großer Stimme. Und spätestens beim innigen, wunderbar intensiven „Maleika“, ihrem Tribut an Miriam Makeba, jubelt das ganze Zirkuszeltrund.

    Streiterin für Gerechtigkeit

    Und dann: Fatoumata Diawara. Auch sie eine Musikerin, deren Entwicklung man auf den Africa Festivals mitverfolgen kann. Vor sieben Jahren spielte sie zum ersten Mal in Würzburg, auch sie damals auf der offenen Bühne. 35 Jahre alt ist sie inzwischen und eine der stärksten, deutlichsten, herzhaftesten Streiterinnen für Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit und die Rechte der Frauen.

    In der Elfenbeinküste geboren, verbrachte die Sängerin die prägenden Jahre ihrer Kindheit und Jugend in Mali, kam über ihre Tante früh ins Filmgeschäft, spielte mit 17 ihre erste Hauptrolle. Und als ihre Eltern sie mit 19 mit ihrem Cousin verheiraten wollte, mit Zwang gegen ihren Willen, flüchtete sie nach Paris.

    Aber ihre Heimat hat sie nicht losgelassen – und sie nicht ihre Herkunft. Die Tänzerin, Schauspielerin, Songwriterin, die sich selbst das Gitarrespiel beibrachte, mischt in ihre rockig-souligen Balladen aus Malis Wassoulou-Region. Sie spricht darin die Dinge unverblümt an, hinterfragt, lehnt sich auf: gegen Genitalverstümmelung, gegen Zwangsheiraten, gegen Unterwerfung.

    Musikverbot für Tuareg

    In Mali sind nach der Besetzung des Nordens durch Islamisten Musiker bedroht worden, das Schreckensregime der Dschihadisten errichtete Scharia-Schnellgerichte, verbot Sport und zwang Frauen unter den Schleier. Auch davon erzählt Fatoumata Diawara. Für ein Duett holt sie den Tuareg-Musiker Ahmed Ag Kaedi auf die Bühne. Die Islamisten hatten einen Großteil seiner Instrumente zerstört und drohten ihm mit Verstümmelung. In Würzburg jammen sie gemeinsam.

    Starke Sängerin, große Performance

    Und um endlich die Eingangsfrage zu beantworten. Unfassbar viel! Fatoumata Diawaras Auftritt ist eine einzige großartige Musik-Tanz-Schauspiel-Performance. Die schmächtige, starke Sängerin tobt über die Bühne und reckt die Faust und erinnert schließlich an Nelson Mandela. „Wir sind alle eins!“ Riesenjubel, großer Applaus.

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