„Deutschland wird Islamisiert!“, „Das Boot ist voll!“, „Ausländer sind alle kriminell!“. Solche Sprüche sind in Deutschland keine Seltenheit mehr und werden auch nicht nur von Rechtsextremen verwendet. Man hört sie in der Schule, der Universität, im Sportverein oder auf der Arbeit. Doch wie geht man damit um, wenn der Stammtisch plötzlich in der Öffentlichkeit seine Parolen verbreitet?
„Es begegnet einem überall“, sagt Esther Schießer, Projektkoordinatorin bei der Würzburger Caritas. „Es ist mehr geworden, in der letzten Zeit. Es kommt von Leuten, von denen man es nie erwartet hätte“, so Schießer. Selbst in der Familie oder bei Engagierten in der Flüchtlingshilfe treffe sie auf Ressentiments.
Argumentationstraining
Immer mehr Jugendliche seien mit rechten Parolen konfrontiert und überfordert. Aufgrund vieler Rückmeldungen haben „Youngcaritas“ aus Diözese sowie Stadt- und Landkreis Würzburg ein Argumentationstraining organisiert, um jungen Menschen zumindest einen Baustein gegen rechte Stimmungsmache zu liefern. Die Jugendbildungsstätte Unterfranken hat ihren Fachmann Götz Kolle geschickt. Er macht bereits seit drei Jahren solche Trainings, im vergangenen Jahr waren es fünf. Gefördert wird das Ganze von „Demokratie leben“.
Wider dei Sprachlosigkeit
18 junge Leute sind zu dem Seminar im Würzburger Caritashaus gekommen; vor allem Mädchen und junge Frauen. Jeder von ihnen ist bereits mit Rassismus in Berührung gekommen, manche als Opfer, manche als Beobachter. Wut, Frustration, Sprachlosigkeit – das löste es bei den jungen Leuten aus. Eine von ihnen möchte durch das Seminar schlagfertiger werden und nicht erst nach zehn Minuten eine Antwort parat haben. Ein anderes Mädchen trägt Kopftuch, sie möchte ihr Praxissemester in der Würzburger Bahnhofsmission machen. Sie erwartet dort bereits den ein oder anderen Kommentar zu ihrer Person. „Ich dachte mir, das Seminar wäre eine gute Vorbereitung“, sagt sie.
Argumentationstrainer Kolle erklärt minutiös, was hinter rechten Parolen steckt: Verallgemeinerung, Aggressivität, Abwertung. Hassbotschaften, oder „Hate Speech“, seien besonders online weit verbreitet – aber auch offline ein immer größeres Problem. Die Anfragen für seine Seminare häufen sich, manchmal rufen sogar Institutionen wie Landratsämter bei der Jugendbildungsstätte an, die er dann vertrösten muss.
Sechs Strategien
Sechs mögliche Strategien präsentiert Kolle. Das vermutlich schwierigste dürfte das „Stopschild“ sein (1). Wer Diskriminierung mitbekommt, soll aufstehen und etwas dagegen sagen. „Es ist keine schöne Rolle. Und man muss lernen auszuhalten, der Spielverderber zu sein“, erklärt er. Es gehe nicht darum Leute umzustimmen, sondern zu zeigen, dass es auch andere Stimmen gäbe. Doch auch bewusstes Schweigen (2) könne in einer hitzigen Diskussion helfen, auch als Selbstschutz. Auch Beschwerden oder Sanktionen sind möglich (3) – gerade wenn es strafrechtlich relevant wird. Bevor man aktiv wird, kann man sich Helfer suchen (4), zum Beispiel den Sitznachbarn im Bus.
Gegenrede hilft
Ein wichtiges Instrument ist die Gegenrede (5). Das bedeutet, man geht argumentativ auf sein Gegenüber ein. Kolle rät, offensive Gegenfragen zu stellen: „Wen meinst du mit Ausländer? Den syrischen Flüchtling? Die polnische Austauschstudentin?“ Parolen seien so schnell relativiert und man könne Argumente entwirren und Pauschalisierungen auflösen.
Das Gespräch suchen
Als letztes bleibt noch ein konstruktives Gespräch (6), vor allem bei Freunden und Familie. Dies sollte vor allem mit Respekt geführt werden – und gerne mit Humor.
Ob diese Strategien in einer hitzigen Situation oder Diskussion helfen können, werden die 18 jungen Leute vermutlich schnell testen können. Denn in Wahlkampfzeiten dürfte eine bessere Diskussionskultur in weite Ferne rücken.
Für Argumentationshilfen empfiehlt Argumentationstrainer Götz Kolle im Internet: www.no-hate-speech.de oder www.fakten-gegen-vorurteile.de.