Die Abenteuer der Biene Maja kennen Millionen. Bisher unbekannt: Der Autor des 1912 erstmals erschienenen und bereits 1925 verfilmten Kinderbuchs, Waldemar Bonsels (1880-1952), unterhielt enge Kontakte nach Randersacker. Genauer gesagt, zu Barbara, genannt „Betty“ Schneider, der Besitzerin der ehemaligen Rosengärtnerei an der B 13 zwischen Würzburg und Randersacker. „Meine Mutter hat häufig mit Bonsels korrespondiert. Sie hat ihn auch in Starnberg besucht“, erzählt Roslyn Leist. Ihre Familie bewohnt das Anwesen mit der Hausnummer „Teufelskeller 7“ seit 110 Jahren.
Zu Rosen hatte Roslyn Leist in ihrer Jugend ein ambivalentes Verhältnis, wie sie sagt. Die Blume, nach der sie benannt ist, habe die Geschichte des 3600 Quadratmeter großen Anwesens bestimmt: „Es war entsetzlich. Alle Tapeten waren mit Rosen verziert. Das Geschirr. Egal was – alles voller Rosen.“
Die Rosentradition begann bereits 1903: Barbara Schneider, Roslyn Leists Großmutter, und deren Mann hatten 1902 das Grundstück von dem Würzburger Jura-Professor und Mendelssohn-Enkel Albrecht Mendelssohn-Bartholdy (1874-1936) erworben. Später dann griff sie eine Anregung ihres zweiten Mannes, des Landschaftsarchitekten Josef Schneider auf und baute die Rosengärtnerei auf. Den Erfolg belegen zwei Preisurkunden aus den Jahren 1927 und 1930.
1935 übernahm ihre Mutter das Anwesen und baute im Alter von 21 Jahren die zweigeschossige, damals hochmoderne Villa mit Etagenheizung und Bädern. Geweiht ist das repräsentative, streng-kantig wirkende Gebäude dem heiligen Michael, berichtet die Diplom-Pädagogin: In den Grundstein wurde ein Michaelispfennig eingemauert, und die Michaelsstatue vom Sockel des Erdgeschossbalkons wartet noch auf ihre Restaurierung.
„Meine Mutter war eine passionierte Geschäftsfrau. Sie verkaufte Rosen und Blumen aus der eigenen Gärtnerei im Groß- und Einzelhandel“, erzählt Roslyn Leist. Früh habe Betty Schneider die Bedeutung von Werbung erkannt und sich in den 1960er Jahren am Würzburger Blumencorso beteiligt. „Außerdem hat meine Mutter an zahlreichen Ausstellungen in der Würzburger Residenz teilgenommen und dort häufig Preise gewonnen.“
Auch wenn es keine großen Feste gab, seien regelmäßig bekannte Würzburger in das „Rosenhaus“ gekommen, um am offenen Kamin Mokka zu trinken. Im Sommer genossen die Gäste im Wintergarten mit versenkbaren Fenstern die Aussicht auf den Nikolausberg und den „Hohbug“.
Leicht habe es Betty Schneider trotz ihres geschäftlichen Erfolgs im Leben allerdings nicht gehabt, berichtet Roslyn Leist. Denn ihr Vater habe die „recht eigenwillige Frau“ früh verlassen. Im Frühjahr 1945 beschossen amerikanische Truppen das Haus von Heidingsfeld aus, und der Dachstuhl brannte aus. Die Brandspuren in den Dielen der Holztreppe im Treppenhaus hat Leist freigelegt – als „Zeit-Dokument“ und „Denkmal“ an die Vergangenheit ihres Elternhauses.
Die Eichenvertäfelung im damaligen Apartment ihres Vaters hat sie entfernen lassen, nur der Kamin blieb erhalten. Verschwunden sind bis auf einige alte Stöcke auch die Rosen. „Meine Mutter hat mit 70 aus Altersgründen die Gärtnerei aufgegeben“, berichtet Leist. Wo bis Ende der 1960er Jahre noch Rosen wuchsen, gedeiht heute Wein – wie schon im 19. Jahrhundert, was ein altes Katasterblatt von 1832 beweist.
Verschwunden ist auch das Gartenhaus, das zuletzt der Maler Ernst Federl bewohnt hat. „Der Künstler hat nicht nur Aquarelle und Ölgemälde geschaffen, sondern meiner Mutter auch in der Gärtnerei geholfen und täglich das Wetter beobachtet“, erzählt Leist und zeigt ein Aquarell mit der Ansicht des 1968 abgerissenen Gartenhauses.
Eine völlig neue Welt erlebte Roslyn Leist, als in den 1960er Jahren amerikanische Offiziersfamilien im „Rosenhaus“ wohnten. Sprache, Gerüche, Kultur, alles sei ganz anders gewesen. „Das waren sehr offene und freundliche Leute“, erinnert sich Leist.
Nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 2005 hat die Diplom-Pädagogin ihr Elternhaus aufwändig restauriert und saniert. 2011 richtete sie erstmals ein Gartenfest aus, um die Geschichte des Anwesens fortzuschreiben. „Ich wollte das traditionsreiche Grundstück beleben und der Öffentlichkeit wieder zugänglich machen.“ Deswegen lud sie unter anderem den Würzburger Schriftsteller Stefan Schenkl und den Randersackerer Maurer und Steinmetz Hermann Burkard ein, ihre Werke zu präsentieren. Seitdem organisiert Leist mehrmals im Jahr auf der „Festwiese“ vor dem ehemaligen „Rosenhaus“ Dichterlesungen und andere kulturelle Veranstaltungen.
„Dieses Grundstück hinter den alten Weinbergsmauern hat eine ganz besondere Atmosphäre“, freut sich Leist.