Die Forschung an 22 deutschen Hochschulen und Forschungsinstituten war offenbar interessant für das US-Militär – und entsprechende Fördergelder wert. Etwa zehn Millionen Dollar soll das US-Verteidigungsministerium gezahlt haben.
Allein die Uni Würzburg soll für Grundlagenforschung über drei Millionen erhalten haben. Die Verträge dazu finden sich nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des Norddeutschen Rundfunks in einer öffentlichen US-Datenbank und haben ein Gesamtvolumen von mehr als 9,4 Millionen Dollar.
Oft handelte es sich um Forschung, die sowohl friedlich als auch militärisch genutzt werden kann. So hat die Universität des Saarlandes an Modellen zur Spracherkennung geforscht. Wissenschaftler aus Frankfurt am Main erhielten mehr als 150.000 Dollar, um Erdbeben im Iran zu untersuchen.
Die Fälle verdeutlichen die Schwierigkeiten der sogenannten Dual-Use-Forschung. Denn ein Spracherkennungsprogramm kann auch für Geheimdienste von Nutzen sein. Und seismische Forschung ist möglicherweise auch bei der Erkennung von Atombombentests hilfreich.
Gelder des US-Militärs sollen dabei auch an Universitäten geflossen sein, die sich durch eine Zivilklausel zur friedlichen Forschung verpflichtet haben. So habe die Ludwig-Maximilians-Universität in München vom US-Verteidigungsministerium 2012 mehr als 470.000 Dollar erhalten, um militärische Sprengstoffe zu verbessern.
Die Uni Würzburg hat laut der Auflistung des NDR wohl eher im Bereich der Grundlagenforschung gearbeitet: Die US-Marine zahlte der Liste zufolge zwischen 2001 und 2006 allein über eine Million Dollar für „Herstellung und Charakterisierung von Halbleiter-Mikroaktivitäten und Quantenpunkten“.
Dabei geht es in der Physik und Chemie um die Grundlagen für winzige neue Bauelemente der Elektronik, Optoelektronik und Quanteninformationsverarbeitung.
Ein noch bis 2015 laufendes Projekt dreht sich um den „Quanten-Hall-Effekt in HgMnTe“ - ein Thema, von dem wohl nur handverlesene Spezialisten etwas verstehen. Für die Forschung auf dem Gebiet erhielt Klaus von Klitzing im Jahr 1985 den Physik-Nobelpreis.
Nutzbar ist das für elektronische Kompasse ebenso wie in der Raumfahrt. Dafür gab es 900.000 Dollar – und weitere 264.000 vom US-Verteidigungsministerium für die Erforschung von „Exiton-Polaritonen“, echter Grundlagenforschung noch ohne praktischen Nutzwert, wie die Uni 2010 in einer eigenen Pressemitteilung meldete.
Auftraggeber ist in den Würzburger Fällen entweder direkt das Verteidigungsministerium oder DARPA, die Defense Advanced Research Projects Agency. Diese Behörde des Verteidigungsministeriums der USA führt Forschungs-Projekte für die Streitkräfte der Vereinigten Staaten durch, unter anderem auch Weltraumprojekte.
Alle fünf Vorhaben an der Uni Würzburg stammen aus dem Bereich der Nanostrukturtechnologie. Es handelt sich dabei ausschließlich um Grundlagenforschung im Bereich Halbleiter, unterstrich Laurenz Mohlenkamp, Professor für Physik an der Uni Würzburg, am Montag gegenüber dem Bayerischen Rundfunk.
An der Universität Würzburg werden gerade die Projekte in der Grundlagenforschung von multinationalen Teams betreut. Das heißt, neben deutschen...
...und amerikanischen Wissenschaftlern sind auch Forscher aus Russland, Polen, Japan oder Kanada beteiligt.
"In der experimentellen Phsyik kann alles gut oder schlecht verwendet werden. Wir machen in diesen Projekten nichts anderes, als in Projekten, die durch die EU gefördert werden. Da ist kein Unterschied", sagte Mohlenkamp dem Bayerischen Rundfunk.
Anders als an anderen deutschen Universitäten, wo konkret an Sprengstoff, Drohnen oder Munition geforscht wird, werden die Ergebnisse der Würzburger Forscher später einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Und für eine mögliche Nutzung oder Lizensierung gibt es keine vertragliche Vereinbarung mit dem Militär.
Die Fraunhofer-Gesellschaft forschte dem Bericht zufolge für die US-Armee an Panzerglas und an Sprengköpfen, die Universität Marburg an Orientierungssystemen für Drohnen und "präzisionsgelenkte Munition". Seit dem Jahr 2000 waren laut Süddeutsche Zeitung mindestens 18 deutsche Hochschulen an Forschungsprojekten beteiligt, die das Pentagon bezuschusst hat.
Die Verträge fänden sich in einer öffentlichen US-Datenbank und hätten ein Gesamtvolumen von mehr als 9,4 Millionen Dollar. Ein Max-Planck-Institut, die Fraunhofer-Gesellschaft, das Alfred-Wegener-Institut und ein Leibniz-Institut erhielten Mittel des US-Verteidigungsministeriums in Höhe von zusammen 1,1 Millionen Dollar.
Selbst Hochschulpolitiker im Deutschen Bundestag wussten laut NDR bislang nichts über diese besondere transatlantische Forschungskooperation und kritisieren sie heftig. "Hochschulen sind staatliche Einrichtungen", sagt Swen Schulz, hochschulpolitischer Sprecher der SPD. Da sie vom Grundsatz her staatlich finanziert sind, gelte: "Wenn sie anderswo irgendwo Drittmittel einwerben, Kooperationen eingehen, dann hat die Öffentlichkeit das Recht zu erfahren, mit wem sie kooperieren. Was wird gemacht und wie viel Geld fließt?"
Besonders problematisch bewertet Schulz Projekte, bei denen es sich klar um Rüstungsforschung handelt. So beschäftigten sich Wissenschaftler der Universität Marburg im Auftrag der US-Luftwaffe damit, Drohnen und "präzisionsgelenkte Munition" zu verbessern. Das Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik forschte mit US-Geldern an neuartigen Sprengköpfen.
Einen Verstoß gegen ihre Zivilklauseln sehen die Hochschulen offenbar nicht. So erklärte die Universität Bremen, ein US-finanziertes Satellitenforschungsprojekt diene der Grundlagenforschung und sei mit der Zivilklausel vereinbar.
Das bayerische Wissenschaftsministerium sagt dazu: Es sei zu begrüßen, wenn die Unis Drittmittel bekämen. Das Einwerben von Geld speziell beim US-Ministerium werde allerdings nicht eigens gefördert, noch gefordert.
Der Bundestag beschäftigt sich am Donnerstag in seiner Sondersitzung mit den Aktivitäten von US-Geheimdiensten und -Militär in Deutschland. Anlass sind die Recherchen des Projekts "Geheimer Krieg" des NDR und der Süddeutschen Zeitung.
Die Fraktion der Grünen hatte den Punkt auf die Tagesordnung setzen lassen. Sie fordert Aufklärung über die jüngsten Vorwürfe und verlangt konkrete Antworten der Bundesregierung im Rahmen einer 90-minütigen Fragestunde.