Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Stadt Würzburg
Icon Pfeil nach unten

WÜRZBURG: Unternehmer für drei Stunden hinter Gittern

WÜRZBURG

Unternehmer für drei Stunden hinter Gittern

    • |
    • |
    Ins Gefängnis gingen für einige Stunden Unternehmer und Manager, um sich über die Arbeitsbetriebe der Justizvollzugsanstalt Würzburg und den Ausbau der Zusammenarbeit mit Firmen „draußen“ zu informieren.
    Ins Gefängnis gingen für einige Stunden Unternehmer und Manager, um sich über die Arbeitsbetriebe der Justizvollzugsanstalt Würzburg und den Ausbau der Zusammenarbeit mit Firmen „draußen“ zu informieren. Foto: FOTO Franz Barthel

    Tüten kleben als klassische Knast- Beschäftigung ist längst passé. In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Würzburg wechseln Strafgefangene in der Kfz-Werkstatt Reifen für private Kunden und machen die ASU (Abgassonderuntersuchung). Die Abteilung „Lohnküche“ liefert immer wieder zu großen Veranstaltungen Büffets, warm und kalt, nach draußen und beim Blättern durch die Mustermappe des Küchenmeisters Roland Hell läuft einem beim Anblick von Canapés und Fingerfood sofort das Wasser im Mund zusammen: bei Garnelen auf Mango, Lachswürfeln auf Orangen-Couscous oder Schweinefilet mit Apfel-Sellerie-Salat.

    Die große Bandbreite der Arbeitsplätze hinter den JVA-Mauern hat einige Dutzend Unternehmer aus mittelständischen Betrieben und der Gastronomie beeindruckt, die freiwillig für einige Stunden in den Würzburger Knast gegangen waren. Eingeladen hatte sie der fürs Arbeitswesen in der Würzburger JVA zuständige Leiter Frank Hitzler- Schmalisch in der stillen Hoffnung, neue Partner in Industrie und Handwerk draußen zu finden. Derzeit sei man zwar gut ausgelastet, aber man müsse vorsorgen, damit das auch in Zukunft so bleibt.

    Seine Worte bekamen dadurch ein besonderes Gewicht, dass Hitzler- Schmalisch dort stand, wo sonst JVA- Seelsorger am Sonntag das Wort Gottes verkünden und Gestrauchelte auf den Pfad der Tugend zurückzuholen versuchen, am Altar in der Hauskapelle, neben einem Kreuz. (Die Kapelle ist der einzige Raum für größere Veranstaltungen in der JVA). Er habe zwar mit etwas mehr Resonanz auf seine Einladung zum 1. Unternehmertag hinter Gittern gerechnet, so Hitzler-Schmalisch, aber er nahm es humorvoll: „Vielleicht befürchteten einige, so schnell nicht wieder rauszukommen“.

    Berufliche Integration sei ein wichtiger Faktor für die Wiedereingliederung von Straftätern, und deswegen sollten viele Betriebe draußen wissen, dass Partnerschaft mit der JVA zum Beispiel eine kostengünstige und standortnahe Alternative zu Produktionsverlagerung in osteuropäische Länder sein kann. Unter bestimmten Voraussetzungen könnten Gefangene auch als sogenannte „Freigänger“ in Betrieben außerhalb der JVA arbeiten.

    Es kam, so Hitzler-Schmalisch, zu guten neuen Kontakten. Kein Wunder, denn die JVA ist breit aufgestellt mit Eigen- und Unternehmer-Betrieben, von Schlosserei und Schreinerei über Elektro- und Installations-betrieb bis zu Malerei und Wäscherei, Spielzeugmontage und Etikettieren. An zahlreichen Stellen kann man eine kreative Fantasie feststellen. In der Schlosserei mit klassischen Arbeitsfeldern wie Blechbearbeitung, Schweißarbeiten und Spenglerei entsteht derzeit für den Verkauf eine Serie aus Salzstreuer, Eierbecher, Pfeffermühle und Teelicht-Halter in Edelstahl.

    Angeboten und verkauft werden die Artikel ab November online unter www.Haftsache.de, einer Vertriebsfirma für Arbeiten aus bayerischen Strafanstalten. Würzburg ist da außerdem vertreten mit einem „Genuss-Set“, das Essig mit Kräutern vom Knast-Gelände enthält, Chili-Paprika-Öl, Salz mit hinter den hohen JVA-Mauern gewachsenen Kräutern von Thymian und Salbei über Liebstöckel und Basilikum bis Minze und Lavendel.

    Außerdem enthält das Set auch eine kleine Rezeptsammlung von Gefangenen mit deren Lieblingsgerichten. Da gibt es Knast-Spatzen mit Salat, Bratkartoffeln mit Espresso, Jailhouse-Chicken und einen bunten „Gitterfisch“ (Seelachsfilet) mit Paprika-Zwiebelgemüse und Basmatireis. „Süße Versuchung hinter Gittern“ kam problemlos durch die Zensur, da es sich dabei „nur“ um einen Kirsch-Streuselkuchen handelt. Was sich halt Gefangene gelegentlich, wenn sie das Geld für die Zutaten in irgendeinem der JVA-Betriebe verdient haben, selbst in der Teeküche ihrer Station zubereiten.

    Die Rezepte aus dem Knast, illustriert von dem Würzburger Künstler Reinhold Müller kann man bereits jetzt in der JVA Würzburg bei Frank Hitzler-Schmalisch (JVA Würzburg, Tel. 09 31/ 27 02- 1 05) bestellen. Die Sammlung kostet fünf Euro.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden