Da staunten die Passanten nicht schlecht, als ihnen mitten in der Würzburger Innenstadt keine Taube, sondern ein Greifvogel vor die Nase flatterte. Seine ersten Flugversuche endeten für den jungen Wanderfalken auf einem Sims am Turm der Neubaukirche, in der seine Eltern nisten. Durch das verschlossene Fenster kam der Jungvogel nicht zurück in das Gebäude, und so saß er erst einmal fest.
Als der zu Hilfe gerufene Falkner Harald Dellert eintraf, hüpfte der Vogel umringt von Passanten auf dem Gehweg herum. Dabei wurde das Jungtier von einigen Amseln attackiert. „Jungvögel sind auch durch andere Vögel wie Krähen oder eben Amseln gefährdet“, erklärt Harald Dellert von der Greifvogelauffangstation Jürgen Färber. Er warf ein Tuch über den Wanderfalken und konnte ihn so einfangen. Verletzt war der Vogel nicht, wohl aber orientierungslos und verängstigt.
Am Vortag hatten die Falkner bereits die Schwester des jungen Wanderfalken an der Neubaukirche aufgegriffen. Auch sie fand den Weg zurück in den Horst der Eltern nicht mehr. „Ähnlich wie bei Kindern, die auch erst laufen lernen müssen, kommen die jungen Vögel noch nicht so weit“, erklärt Dellert, „sie müssen erst die nötigen Muskeln aufbauen.“ In der sogenannten Bettelflugperiode fliegt der Nachwuchs immer nur ein kleines Stück und wartet dann auf die Eltern, die Futter bringen. Mitten in der Innenstadt ein gefährliches Unterfangen: So können die jungen Vögel etwa leicht in den Straßenverkehr geraten.
Etwa fünf Wochen sind die beiden Jungtiere alt. Ausgewachsen sind sie die schnellsten Vögel der Welt: Im Sturzflug erreichen Wanderfalken sie laut Dellert bis zu 350 Stundenkilometer. In der Natur nisten die artgeschützten Greifvögel in Felsen. Durch den Rückgang ihres natürlichen Lebensraumes weichen sie aber auch auf menschengemachte ,Felsen' wie Kirchtürme aus. Drei weitere Brutpaare in der Würzburger Umgebung sind der Auffangstation Färber zurzeit bekannt, aber so zentral in der Innenstadt sind die Wanderfalken eine Seltenheit.
In ihrem Übergangsheim in Oberaltertheim werden die Geschwistervögel gefüttert und können in Ruhe ihre Flügel erproben. In einigen Tage, wenn sie wieder kräftig genug sind, werden sie im Umland freigelassen.
50 bis 70 Greifvögeln und Eulen in Not helfen Jürgen Färber und sein Team jedes Jahr. In der staatlich geprüften Auffangstation wird derzeit auch ein verunglückter Uhu gepflegt sowie eine Schleiereule, die gerade noch einem Fuchs entkommen ist. Langzeitpatient ist seit drei Jahren ein Rotmilanweibchen, das in ein Windrad geraten ist.
Für Vogelfreunde: Am 20. und 21. Juni lädt die Auffangstation Färber, Gässlein 5 in Oberaltertheim, zum Tag der offenen Tür ein. Es gibt auch eine Flugshow.